Abchasien und Südossetien:Ungeteilte Freude

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Lange haben sich Abchasen und Südosseten auf die Unabhängigkeit vorbereitet - jetzt wollen sie damit Staat machen.

Sonja Zekri

Sie haben Jahre auf diesen Moment gewartet, und sie waren nicht untätig. Abchasen und Südosseten haben sich seit den frühen Neunzigern, seit sie sich von Georgien lossagten, das gesamte Repertoire staatlicher Attribute zugelegt: Sie besitzen Flaggen - grüne Streifen und weiße Hand auf rotem Grund für Abchasien, weiß-rot-gelbe Streifen für Südossetien.

Südosseten feiern die Anerkennung durch Russland. (Foto: Foto: dpa)

Sie haben Präsidenten, Parlamente und Pässe, sie halten Wahlen ab, geben Visa aus, haben eigene Nummernschilder, Orden und Hymnen. "Wir müssen uns nicht über Nacht eine neue Fahne basteln wie der Kosovo. Bei uns ist alles bereit", sagt Inal Plijew, Sprecher des südossetischen Ministeriums für besondere Aufgaben telefonisch aus Zchinwali.

Die abchasischen Pässe waren bisher eher für den internen Gebrauch bestimmt, auch wenn Abchasen berichten, sie seien in Russland schon hier und da anerkannt worden. Für 90 Prozent der Abchasen und Südosseten aber öffneten nach dem Bruch mit Georgien russische Papiere das Tor zur Welt. Und die werden sie auch jetzt wohl nicht abgeben.

Aber das ist nicht das Wichtigste. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier mag nach der russischen Anerkennung Abchasiens und Südossetiens vor der Destabilisierung Europas warnen, der Westen mag den Südosseten vorwerfen, jetzt ihrerseits die Georgier vertrieben zu haben - die Menschen dort aber feiern die Moskauer Erklärung als den Anbruch sicherer, glücklicherer Zeiten nach Jahrzehnten georgischer Übergriffe. "Die ganze Welt sieht, wie Russland das kleine Georgien drangsaliert, aber welche Beziehung Georgien zu Abchasien und Südossetien hatte, das will keiner wissen", sagt der abchasische Außenminister Sergej Schamba im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: "Osseten und Abchasen darf man einfach umbringen, und Georgien wird von allen noch aufgerüstet."

Und der Ministeriumssprecher Plijew sagt erleichtert: "Endlich müssen wir nicht mehr so viel Geld unseres winzigen Haushalts für die Verteidigung ausgeben, sondern können in Medizin, Bildung, unsere bescheidene Landwirtschaft, den Aufbau der zerstörten Häuser investieren." Endlich könnten junge Männer "die Waffen aus der Hand legen und zivile Berufe lernen".

Lesen Sie auf Seite zwei, warum die beiden Provinzen 15 Jahre lang unter der georgischen Politik gelitten haben.

Auf dem Theaterplatz in Zchinwali, wo die Reste des Schauspielhauses nach einem Brand im vergangenen Jahr von den Trümmern des Krieges nur schwer zu unterscheiden sind, leerte Südossetiens Präsident Eduard Kokoity auf den neuen Status seiner Republik ein großes Glas Wein. Vier Jahre lang habe er keinen Tropfen getrunken, schwor er, nun wolle er anstoßen. Moskau werde bald einen Botschafter nach Zchinwali entsenden: "Ein Gebäude gibt es schon. Es ist sogar unbeschädigt." Und fügte an, er werde sich "als Präsident der anerkannten Republik Südossetien" mit der Bitte an die russische Führung wenden, eine Militärbasis in Südossetien zu errichten.

Die Gemeinsame Kontrollkommission, der die Leitung der Friedenstruppen oblag, hat in der Nacht des 8. August aufgehört zu existieren. Georgien, Russland, Nord- und Südossetien hatten mit ihr die 1500 Mann starke georgisch-russisch-ossetische Friedenstruppe koordiniert. Inal Plijews Ministerium gehörte der Kommission von südossetischer Seite an. "Aber seit dem Krieg haben die Georgier ihre Truppen zurückgezogen, jetzt treten wohl russische Friedenstruppen an ihre Stelle", sagt Plijew.

Beide Provinzen haben mehr als 15 Jahre lang unter einer georgischen Politik gelitten, die eine gewaltsame Lösung nie vertraglich ausschloss und vor einer umfassenden wirtschaftlichen Öffnung erst einmal die Rückkehr der Flüchtlinge forderte, oder gleich den Anschluss. "Wir haben uns in den vergangenen Jahren kaum entwickelt. Eigentlich haben wir nur überlebt", sagt Abchasiens Außenminister Schamba. "Sicherheit und Wohlstand" sind deshalb auch nach seinen Worten die wichtigsten Fragen - und die Unabhängigkeit soll sie nun lösen. "Endlich können wir bilaterale Verträge abschließen, und für Russland eröffnen sich ganz neue Investitionsmöglichkeiten", sagt Schamba.

Bislang haben russische Geschäftsleute nur in geringem Umfang investiert - Hotels, kleine Unternehmen, Initiativen des Moskauer Bürgermeisters Jurij Luschkow -, das soll nun anders werden. Nun will sich Abchasien auch der Türkei öffnen, ganz Europa.

Das Potential ist da: Abchasien, das antike Kolchis, ist heute ein Paradies für russische Schnäppchentouristen. Aber die ausgebrannten Fassaden der Grand Hotels erinnern daran, dass hierhin einst die russische und sowjetische High Society zur Kur kamen.

Die Zukunft sieht anders aus: Allein die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi sollen auch in Abchasien einen gigantischen Markt für Baumaterial und Arbeitskräfte schaffen. Doch die Spiele stehen und fallen mit der Sicherheit im Kaukasus. Und aktueller Garant dafür ist für die Abchasen Russland. Deshalb hat deren Präsident Sergej Bagapsch Moskau vorgeschlagen, die russische Schwarzmeerflotte zumindest vorübergehend von der Krim nach Abchasien zu verlegen. Auf der Krim möchte sie die ukrainische Regierung nicht mehr haben, was Moskau ärgert. Da empfehle sich der souveräne Staat Abchasien als zuverlässige Alternative, sagt Bagapsch.

© SZ vom 28.8.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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