Bisky und die Linkspartei:"Wir können dauerhaft zweistellig werden"

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Von Samstag an wird Lothar Bisky die neue Partei "Die Linke" gemeinsam mit Oskar Lafontaine führen. Ein Gespräch über Realismus, Populismus - und seine Zukunft.

Robert Roßmann

Lothar Bisky soll am Samstag zusammen mit Oskar Lafontaine zum Parteivorsitzenden der neuen deutschen Linken gewählt werden. Bisky ist derzeit Vorsitzender der Linkspartei.PDS. Er übt dieses Amt mit einer Unterbrechung bereits seit 1993 aus - und ist damit Deutschlands dienstältester Parteichef.

Lothar Bisky, 65, Kulturwissenschaftler und Deutschlands dienstältester Parteichef. (Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Wann haben Sie Lafontaine zum ersten Mal getroffen?

Lothar Bisky: Vor vielen Jahren beim Neujahrsempfang eines Bundespräsidenten. Zum ersten Mal über eine mögliche Zusammenarbeit haben wir aber erst 2003 gesprochen. Zwei Tage nach der Neuwahl-Ankündigung Gerhard Schröders im Mai 2005 hat Lafontaine dann bei mir angerufen, und tatsächlich ein Zusammengehen vorgeschlagen.

sueddeutsche.de: Ist dieser 24. Mai 2005 dann die Geburtsstunde der neuen Linken?

Bisky: Wenn Sie so wollen.

sueddeutsche.de: Nun wird Lafontaine zu Ihnen ins Karl-Liebknecht-Haus ziehen. Haben Sie schon ein Büro ausgesucht?

Bisky: Darüber habe ich heute mit ihm gesprochen. Es stehen für uns beide zwei Räume auf derselben Etage zur Auswahl, Oskar darf sich einen aussuchen. Da gibt es keinen Streit. Wir werden auch ein gemeinsames Sekretariat haben.

sueddeutsche.de: Am Freitag wird ihre Linkspartei, vormals PDS, vormals SED, zu Grabe getragen. Was hätten Sie gerne auf dem Grabstein stehen?

Bisky: Das kann ich nicht sagen. Die Partei verschwindet ja nicht. Wir erweitern ja nur unsere Identität: Unsere Partei geht in der größeren neuen Linken auf.

sueddeutsche.de: Es wird also kein Karfreitag, sondern eher eine Auferstehung a là Ostersonntag?

Bisky: Ich nenne das nicht Auferstehung sondern zweiten Aufbruch. Es gibt vom Wochenende an eine gesamtdeutsche Linke. Künftig wird für uns München genau so nah sein wie Rostock.

Es hat für mich immer noch etwas überraschendes, dass die deutsche Linke sich einigen konnte. Wir haben endlich gelernt, dass wir durch eine Zersplitterung und ein Beharren auf unseren Meinungsverschiedenheiten nicht weiter kommen.

sueddeutsche.de: In den beiden Jahren seit Lafontaines Anruf bei Ihnen wurde inhaltlicher Streit oft mit dem Hinweis weggedrückt, das Fusionsprojekt dürfe nicht gefährdet werden. Werden die Auseinandersetzungen jetzt ausbrechen?

Bisky: Eine inhaltliche Auseinandersetzung fürchte ich nicht - solange sie eine inhaltliche Auseinandersetzung ist. Was ich tatsächlich fürchte, ist die deutsche Rechthaberei.

Ich denke aber, dass wir in den vergangenen beiden Jahre gelernt haben, dass man ein Problem durchaus aus unterschiedlicher Sicht diskutieren kann - dass man dann aber auch zu einem Ergebnis kommen muss. Das sind wir unseren vier Millionen Wählerinnen und Wählern bei der letzten Bundestagswahl schuldig.

sueddeutsche.de: Was ist denn neu an der neuen Linken? Ist das eigentlich nicht nur die alte PDS plus Lafontaine und einem Dutzend arrivierter West-Gewerkschafter?

Bisky: Das ist ganz falsch. Es kommen 12.000 WASG-Mitglieder zu uns. Das verändert alles. Neu ist etwa, dass die Linke jetzt auch im Westen mehr als fünf Prozent gewinnen kann. Und neu ist auch, dass wir jetzt ernst genommen werden. Wir wollten immer als Linke in der Politik wahrgenommen werden. Das haben wir jetzt erreicht.

Außerdem verändert sich durch uns die politische Landschaft in Deutschland. Das merkt vor allem die SPD. Die Sozialdemokraten fühlen, dass ihnen eine starke Konkurrenz erwächst, wenn sie weiter nur nach der Pfeife der Union tanzen.

sueddeutsche.de: Ein Kurswechsel der SPD würde Sie also gefährden?

Bisky: Wir sind doch in einer guten Ausgangsposition. Wir können dauerhaft zweistellig werden, wenn wir die Bodenhaftung behalten und nicht abheben. Und wenn wir ganz realistische Politikangebote unterbreiten.

sueddeutsche.de: Zu viele "realistische Politikangebote" gemacht zu haben, hat Ihnen noch keiner vorgeworfen...

Bisky: Ach, das finde ich immer wunderbar. Wenn wir etwas vorschlagen, ist es Populismus. Wenn andere dasselbe wollen, ist es auf einmal realistisch. Nehmen sie nur den gesetzlichen Mindestlohn. Den fordern wir schon seit langem und sind dafür Populisten gescholten worden.

Jetzt hat die SPD die Forderung - zumindest vordergründig - übernommen, und auf einmal ist es Realpolitik. Da wehre ich mich gegen die Willkür in der Bewertung. Mit dem Vorwurf Populismus kann man nicht jede Vernunft abwehren.

sueddeutsche.de: Was sind denn dann Ihre wichtigsten realistischen Forderungen?

Bisky: Neben dem Mindestlohn die Rücknahme der Rente mit 67 und deutliche Verbesserungen bei der Gesundheitsreform. Außerdem fordern wir ein Ende der Militäreinsätze der Bundeswehr im Ausland.

sueddeutsche.de: Bisher war die Fraktion das Kraftzentrum der neuen Linken - im Bundestag sitzen WASG und Linkspartei.PDS schon seit 2005 einträchtig zusammen. Wird mit der Fusion jetzt die Parteispitze mächtiger?

Bisky: Das ist keine falsche Einschätzung. Partei und Fraktion werden aber nicht gegeneinander arbeiten. Wir haben als Parteispitze die Aufgabe die verschiedenen Ebenen der Politik - neben der Bundestagsfraktion also auch die Abgeordneten in den Kreisen, Ländern und dem Europaparlament - zusammenzubringen. Außerdem wollen wir die Partei auf allen Ebenen für die Bürger erlebbarer machen - etwa durch Kampagnen wie für den Mindestlohn.

sueddeutsche.de: Sie haben einmal gesagt, die Linken hätten leider keine Oskarin und keine Gregorine - deshalb müssten die Männer Lafontaine und Gysi die Spitzenkandidaten geben. Haben die Linken ein Frauen-Problem?

Bisky: Wir haben eine Menge guter und bekannter Frauen in den Parlamenten und den Landesverbänden. Da brauchen wir kein Förderprogramm.

Ein Manko haben wir allerdings tatsächlich: Die Zahl aktiver Frauen ist in der Linkspartei.PDS über die Jahre zurückgegangen. In der WASG war sie noch nie sehr hoch. Da müssen wir tatsächlich noch viel tun.

sueddeutsche.de: Sie sind vor 14 Jahren zum ersten Mal Parteichef geworden und schon im Rentenalter. Wie lange wollen Sie Vorsitzender der neuen Linken bleiben?

Bisky: Ich stehe meiner Partei bis 2009 zur Verfügung, um zusammen mit Gysi und Lafontaine in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Danach wird man mich an der Spitze der Partei nicht wiederfinden. Sollte es vorher bessere Lösungen geben - etwa mit einer Frau - sage ich bravo. Ich kann auch ohne politische Ämter leben.

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