0,3 Promille - das neue Limit?:Grenzen der Promille-Grenzen

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Die Promille-Grenze für Autofahrer soll sinken, um die Straßen sicherer zu machen - doch alle Verbote werden wenig bewirken, wenn es nicht mehr Kontrollen gibt.

Wolfgang Roth

Es war in einem Bierzelt, da sorgte sich Günther Beckstein, damals noch bayerischer Ministerpräsident, um die Kultur im Lande. Weil zu dieser Kultur nun einmal Wein und Bier gehörten, könne man als Autofahrer ruhig eine Maß trinken, bei längerem Aufenthalt im Bierzelt auch zwei.

Ein Bier kann schon genügen, um mehr als 0,3 Promille Alkohol im Blut zu haben. (Foto: Foto: AFP)

Schon damals waren in Berlin Pläne im Schwang, bei einer Alkoholkonzentration von 0,3 Promille im Blut automatisch eine Ordnungswidrigkeit anzunehmen, die Bußgeld und Fahrverbot zur Folge hätte.

Derzeit gilt ein Wert von 0,5 Promille, dessen Absenkung Sabine Bätzing, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, nun wieder ins Spiel gebracht hat. Der Vorschlag wird ein Thema des soeben eröffneten Verkehrsgerichtstags in Goslar sein.

Becksteins Rat war insofern fahrlässig, weil ein Autofahrer mit 0,3 Promille im Blut schon nach geltender Rechtslage wegen "relativer Fahruntüchtigkeit" und Trunkenheit im Verkehr angeklagt werden kann. Er muss dafür noch nicht einmal einen Unfall verursachen, es reicht, dass er "alkoholbedingte Ausfallerscheinungen" zeigt.

Das kann nach Feststellung des Bundesgerichtshofs im Jahr 1961 eine Straftat sein und ist also mehr als eine Ordnungswidrigkeit. In der Öffentlichkeit herrscht fälschlicherweise der Eindruck, bis zu einem Wert von 0,5 könne einem gar nichts passieren; das gilt aber nur für den Fall, dass ein nüchtern erscheinender Fahrer in eine Alkoholkontrolle gerät.

Wesentlich gravierender sind ohnehin andere Folgen. Zwar sind zu schnelles Fahren und Vorfahrtsverstöße mit Abstand die häufigsten Unfallursachen, aber nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind im Jahr 2007 fast 20.000 Menschen im Verkehr verletzt oder getötet worden, weil Alkohol im Spiel war. Allerdings hatten die Täter in der Mehrzahl der Fälle eine hohe Dosis Alkohol im Blut, mehr als 1,1 Promille - jenen Wert, bei dem juristisch die "absolute Fahruntüchtigkeit" beginnt.

Nicht nur Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, bezweifelt, dass eine niedrige Promillegrenze allein abschreckend wirkt: "Das Einzige, was hilft, sind mehr Kontrollen." Die Erfahrungen mit Radarkontrollen stützen diese Ansicht: Wo lange Zeit nicht geblitzt wird, nehmen viele Fahrer das Tempolimit weniger ernst.

Ein direkter Zusammenhang zwischen der Promille-Grenze und der Zahl tödlicher Unfälle lässt sich aus den Berichten der EU-Behörde Eurostat nicht konstruieren. In etlichen Ländern des Ostens, in denen strikte Nulltoleranz gilt, sterben, in Relation zur Bevölkerungszahl, mehr Menschen auf den Straßen als hierzulande. In Schweden, wo ebenfalls Alkohol am Steuer tabu ist, sind es weniger; das trifft aber auch für Großbritannien zu, obwohl die zulässige Promille-Grenze dort bei 0,8 liegt.

Abgesehen davon, dass alkoholbedingte Unfälle prozentual nur einen kleinen Teil der Schreckensstatistik ausmachen, gibt es eine Fülle von Faktoren. Wesentlich für den Rückgang der Todesfälle in Deutschland etwa sind die passive Sicherheit der Fahrzeuge, ein gut ausgebautes Rettungswesen und hoher Medizinstandard. Verkehrswegeplanung, Kontrolldichte, Tempolimits und ein verbreitetes Bewusstsein für vorsichtige Fahrweise sind auch von Bedeutung.

Trügerische Sicherheit

"Warum aber Alkohol am Steuer nicht gleich ganz ächten und sanktionieren?", fragen jetzt manche. Es wäre eine klare, saubere Lösung: Auto und Alkohol schließen sich aus, so, wie es jetzt schon für Fahranfänger in der Probezeit und für unter 21-Jährige die Regel ist.

Etliche Alkoholkonsumenten glauben auch, sie könnten exakt steuern, dass sie gerade noch unter der Grenze bleiben, die zum Fahrverbot und - wichtiger- zur Fahruntüchtigkeit führt. Es ist eine trügerische Sicherheit, weil die Konstitution, die Nahrungsaufnahme, auch das Geschlecht eine Rolle spielen. Und nicht wenige ignorieren am Morgen nach dem Besäufnis, dass sie noch ordentlich Alkohol im Blut haben.

Andererseits könnte man für das 0,3-Promille-Limit anführen, dass sich - wenigstens unter halbwegs vernünftigen Menschen - dieses "Sich-an-die Grenze-Hintrinken" verbieten würde. Wie will man ein so niedriges Quantum so genau berechnen? Es wäre ein Gläschen Sekt drin zum Abschied der Kollegen, zwei Mass Bier aber sicher nicht, das wird auch der ehemalige Ministerpräsident so sehen.

Beim Auto Club Europa (ACE) haben sie übrigens ausgerechnet, dass man statistisch 600 Mal unter Alkoholeinfluss fahren müsse, um tatsächlich in eine Kontrolle zu geraten.

© SZ vom 29.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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