2,8 Milliarden Überschuss:Geldsegen, ungelegen

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(Foto: 7z)

Neue Zahlen zeigen: Die Länder sind nicht so bedürftig, wie sie sich darstellen. Das schwächt allerdings ihre Verhandlungsposition gegenüber Wolfgang Schäuble.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wer in der Arbeitsgruppe sitzt, die vergangene Woche beim Spitzentreffen der Ministerpräsidenten im Kanzleramt beschlossen wurde und die über Forderung der Länder nach weiteren fünf, oder sieben Milliarden Euro für die Flüchtlingsintegration entscheiden soll? Unklar, beschied am Montag das Bundesfinanzministerium auf Nachfrage. Nicht bekannt, hieß es in der Unionsfraktion. Alle Länder, oder nur einige? Schulterzucken. Eine knappe Woche nach dem politischen Beschluss zur Einsetzung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe war am Montag in Berlin wenig Enthusiasmus zu spüren, diesen auch verwaltungstechnisch umzusetzen.

Umso entschiedener formiert sich Widerstand gegen immer neue Forderungen der Länder. Der Bund könne nicht alle Probleme von Ländern und Gemeinden in jedem Bereich lösen, kritisierte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg. "Ich lehne es ab, dass sich der Bund jetzt auch noch bei der Schulfinanzierung und verstärkt bei der Kita-Finanzierung engagieren soll." Der Föderalismus sei "in echter Gefahr, wenn die Länder bei ihren originären Zuständigkeiten wie der Schule den Bund mit ins Boot holen".

Das Bundesfinanzministerium hält sich freilich mit Kritik zurück, verweist allerdings nachdrücklich auf neueste Haushaltszahlen der Bundesländer für das Jahr 2015. Die Ende Januar fertiggestellten Erhebungen beweisen, dass die 16 Bundesländer keineswegs so bedürftig sind, wie sie sich darstellen. Sie nahmen im vergangenen Jahr elf Milliarden Euro mehr ein als geplant und erwirtschafteten trotz steigender Ausgaben wegen der Flüchtlinge zusammen einen Überschuss von 2,8 Milliarden Euro. Erwartet hatten sie ein Defizit von 6,8 Milliarden Euro.

Während die Länder die guten Zahlen eher still zur Kenntnis genommen haben, rufen Bundespolitiker wie Rehberg umso lauter dazu auf, die Zuschüsse des Bundes an die Länder nicht weiter zu erhöhen. Das bezieht sich sowohl auf die erwähnte Forderung, die Integration der Flüchtlinge mit fünf bis sieben Milliarden Euro zusätzlich zu unterstützen. Und natürlich auch auf die immer noch strittige Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Zwar hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder Ende Dezember 2015 endlich auf ein gemeinsames Konzept dazu verständigt. Dieses geht jedoch zulasten des Bundes. Der Bundesfinanzminister soll ab 2020 jedes Jahr 9,7 Milliarden Euro an die Länder überweisen. Schäuble hat schon erkennen lassen, was er von dieser Einigung hält - nicht viel. Sie gehe zu Lasten Dritter - des Bundes, sagte er vergangene Woche. Die reicheren Länder wollten ihre Verantwortung beim Bund abladen. Schäubles Kritik wird von der SPD geteilt. In einem vergangene Woche beschlossenen Papier fordert die Fraktionsführung, dass reichere Länder wie Bayern und Baden-Württemberg stärker zum Finanzausgleich beitragen, in dem sie finanzstarke Kommunen berücksichtigen.

Die sprudelnden Einnahmen der Länder verschlechtern nun deren Verhandlungsposition. Bayern erwirtschaftetet im vergangenen Jahr den höchsten Einnahmenüberschuss, mehr als 2,1 Milliarden Euro. Baden-Württemberg verbuchte ein Plus von knapp 387 Milliarden Euro. Auch ärmere Länder wie Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stehen plötzlich besser da.

Schäuble hatte die Forderungen der Bundesländer nach immer neuen, mit dem Flüchtlingsetikett beklebten finanziellen Hilfen bisher großzügig erfüllt, von der monatlichen Pauschale von 670 Euro für jeden Asylbewerber bis hin zur Wohnungsbauförderung. Über sein Motiv hat er niemanden im Unklaren gelassen: die Flüchtlingskrise muss bewältigt werden, dabei ist kein Platz für Gefeilsche. Nicht ausgeschlossen, dass ihn die Länderfinanzen umdenken lassen.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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