60. Jahrestag des Kriegsendes:Köhler: Es gibt keinen Schlussstrich

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Der Bundespräsident hat zum Jahrestag des Kriegsendes den Weg Deutschlands zu einer stabilen Demokratie gewürdigt. Bei einem Staatsakt betonte Köhler, die jetzige Generation müsse die Erinnerung an die Verbrechen der Nazi-Zeit wach halten.

SZ

"Es gibt keinen Schlussstrich." Er setze dabei auf die Jugend. Die Deutschen könnten heute, nach der Befreiung von der Nazi-Diktatur und dem Mauerfall, stolz auf ihr Land sein. In vielen Ländern Europas gedachten die Menschen des Kriegsendes. In Berlin und München wurde gegen NPD-Märsche demonstriert.

Bei der gemeinsamen Gedenkveranstaltung von Bundestag und Bundesrat im Reichstag sagte Bundespräsident Köhler, die Deutschen blickten mit Schrecken und Scham auf den von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg und auf den "Zivilisationsbruch Holocaust" zurück.

Die Erinnerung daran müsse wachgehalten werden, und es müsse dafür gesorgt werden, dass sich diese Geschehnisse nie mehr wiederholten. "Deutschland ist heute ein anderes Land als vor sechzig Jahren," sagte der Präsident. Deutschland sei wieder eine geachtete Kulturnation und erstmals in seiner Geschichte rundum von Freunden und Partnern umgeben.

"Zwischen uns ist Krieg unmöglich geworden." Rassismus und Rechtsextremismus hätten keine Chance. "Dafür steht unsere wehrhafte Demokratie", sagte Köhler. Zuvor hatten der Präsident und mit ihm Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie die Präsidenten des Bundestages, des Bundesrates und des Bundesverfassungsgerichts mit einer Kranzniederlegung in der Berliner Neuen Wache und mit einem ökumenischen Gottesdienst in der St. Hedwigs-Kathedrale der Opfer von Weltkrieg und Holocaust gedacht.

Rund um das Brandenburger Tor kamen mehrere tausend Menschen zum "Tag für Demokratie" zusammen. In Berlin-Mitte gingen etwa 6000 Demonstranten auf die Straße. Dadurch wurde ein Marsch der Neonazis vom Alexanderplatz zum Bahnhof Friedrichstraße verhindert. Die NPD sagte ihre Demonstration nach Aufforderung durch die Polizei überraschend ab.

Auch in anderen europäischen Ländern wurde des Kriegsendes gedacht. US-Präsident George W. Bush besuchte den amerikanischen Soldatenfriedhof Margraten bei Maastricht, bevor er zur Teilnahme an der zentralen russischen Gedenkfeier nach Moskau weiterreiste. Dort wollte er am Abend mit Präsident Wladimir Putin zusammentreffen.

In Moskau wollen am heutigen Montag Staats- und Regierungschefs aus mehr als 50 Ländern des Kriegsendes gedenken. Auch Kanzler Schröder reiste am Sonntag in die russische Hauptstadt.

Putin hatte sich verärgert über Äußerungen Bushs gezeigt, der am Samstag bei einem Besuch in der lettischen Hauptstadt Riga Putin zu mehr Respekt für die Demokratie aufgefordert hatte. Die Existenz von Demokratien in der Nachbarschaft liege im Interesse Russlands, sagte Bush.

Anders als die lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga nehmen die Staatschefs der beiden anderen Baltenrepubliken, Estland und Litauen, sowie Georgiens nicht an der Siegesfeier in Moskau teil. Die Balten fordern eine Entschuldigung von Russland als Nachfolgestaat der Sowjetunion für die Besetzung ihrer Länder.

Putin kritisiert die Balten

Putin warf den Balten vor, mit den Nazis kollaboriert zu haben. Bush hielt er Demokratie-Defizite in den USA vor. Bei einem informellen Treffen mit Präsidenten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sagte Putin, Nazismus, Extremismus und Terrorismus seien Bedrohungen, "die sich aus derselben ideologischen Quelle speisen".

Schröder bat n einem Beitrag für die Zeitung das russische Volk um Vergebung für das Leid, das ihm "von Deutschen in deutschem Namen zugefügt wurde". In der Komsomolskaja Prawda schrieb er, kein Land habe den Sieg über Hitler-Deutschland so teuer bezahlt wie die damalige Sowjetunion.

Deutschland und Russland trügen gemeinsam Verantwortung dafür, dass die "großartige Vision einer dauerhaften und gerechten europäischen Friedensordnung Wirklichkeit wird".

Dies bleib Teil der Verantwortung, die wir Deutschen gegenüber dem russischen Volk und den anderen Völkern der früheren Sowjetunion empfinden", unterstrich Schröder

der französische Präsident Jacques Chirac am Grab des unbekannten Soldaten einen Kranz niedernahm Triumphbogen eine Truppenparade ab. In Deutschland stritten Regierung und Union über die notwendigen Folgerungen aus dem 8. Mai 1945.

In der Süddeutschen Zeitung hatte Schröder zum Jahrestag des Kriegsendes den Gegnern einer weiteren Ausdehnung Europas vorgeworfen, "geschichtsvergessen" und "verantwortungslos" zu sein. In der Welt am Sonntag warnte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vor einer zu schnellen EU-Erweiterung.

© SZ vom 09.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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