Abkommen mit Teheran:Obama: Für Iran sind alle Wege zur Atombombe abgeschnitten

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  • Nach jahrelangen Verhandlungen haben die UN-Vetomächte und Deutschland eine Einigung im Atomstreit mit Iran erzielt.
  • Iran verpflichtet sich, sein Atomprogramm drastisch zurückzufahren. Dafür werden die Wirtschaftssanktionen des Westens schrittweise aufgehoben.
  • US-Präsident Obama lobt die Einigung. Sie beruhe nicht auf "Vertrauen, sondern auf Kontrolle".
  • Israel dagegen ist nicht zufrieden mit dem Ergebnis.

Neuanfang in den Beziehungen mit Iran

Mehr als zehn Jahre lang wurde verhandelt - nun haben sich die 5+1-Gruppe (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) und Iran auf ein Atomabkommen verständigt. Das verlautete am Dienstagmorgen sowohl aus iranischen als auch aus westlichen Diplomatenkreisen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bestätigte die Einigung später. Dies sei ein Zeichen der Hoffnung für die ganze Welt, sagte sie unmittelbar vor der förmlichen Verabschiedung des Abkommens durch die beteiligten Staaten. "Wir eröffnen ein neues Kapitel in unseren Beziehungen", sagte Mogherini bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. "Was wir heute verkünden, ist nicht nur ein Deal - es ist ein guter Deal."

Die Vereinbarung soll sicherstellen, dass die Islamische Republik keine Nuklearwaffen bauen, die Atomkraft aber weiterhin zivil nutzen kann. Im Gegenzug sollen Sanktionen und UN-Waffenembargos schrittweise fallen.

Die Nachrichtenagentur AFP meldet, dass Iran zugesagt habe, die Zahl seiner Zentrifugen zur Urananreicherung für zehn Jahre um zwei Drittel zu reduzieren. Einem iranischen Dokument zufolge solle die Zahl der Zentrifugen in der Uran-Anreicherungsanlage von Natans auf 5060 begrenzt werden, während in der Anlage von Fordo 1044 weitere verbleiben sollen - ohne aber zur Urananreicherung genutzt zu werden. Bisher hat Iran 19 000 Zentrifugen, davon sind aber weniger als 10 000 in Betrieb.

Der Streit um ein Abkommen schwelte seit 2002, als erste Hinweise auf ein mögliches geheimes Atomprogramm Teherans auftauchten. Die Einigung markiert auch einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen den USA und Iran.

Obama: Für Iran sind alle Wege zur Atombombe abgeschnitten

US-Präsident Barack Obama lobte die historische Einigung im Streit um das iranische Atomprogramm. "Nach zwei Jahren Verhandlungen haben die USA zusammen mit der internationalen Gemeinschaft etwas erreicht, was in jahrzehntelanger Feindschaft nicht zustande kam: ein umfassendes, auf lange Sicht ausgerichtetes Abkommen, das Iran davon abhalten wird, eine Atombombe zu bekommen", sagte er in einer Fernsehansprache im Weißen Haus. Für Iran seien alle Wege zur Atombombe abgeschnitten. Die Verbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten sei gestoppt.

Der US-Präsident warb beim US-Kongress um Unterstützung für die Vereinbarung. Das Abkommen beruhe nicht auf "Vertrauen, sondern auf Kontrolle", sagte er. Sollte Teheran gegen seine Verpflichtungen verstoßen, würden die Sanktionen sofort wieder "zuschnappen". Obama warnte den Kongress, dass - falls er nicht zustimme - die Wahrscheinlichkeit für weitere kriegerische Auseinandersetzungen im Nahen Osten steigen werde. Für den Fall einer Ablehnung durch das Parlament drohte er mit seinem Veto.

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Von Stefan Braun

Im von den Republikanern beherrschten Kongress gibt es viele Skeptiker, die Iran misstrauen. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, kündigte an, dass der Kongress "jedes Detail dieses Abkommens sehr genau" überprüfen werde. Boehner befürchtet, dass die Lockerung von Sanktionen dem Iran "Zeit und Raum" für die Entwicklung einer Atombombe geben könnte. "Anstatt die Verbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten zu stoppen, wird dieser Deal wahrscheinlich ein atomares Wettrüsten rund um die Welt auslösen", sagte er. Die Abgeordneten haben ein 60-tägiges Prüfrecht, während dieser Zeit dürfen die US-Sanktionen nicht aufgehoben werden.

Rohani: Vereinbarung mit lauter Siegern

Nach den Worten des iranischen Präsidenten Hassan Rohani ist das Abkommen von Vorteil für alle beteiligten Seiten. "Diese Verhandlungen konnten nie mit einer Sieger-Verlierer-Lösung enden. Wir wollten, dass alle Seiten als Sieger dastehen", sagte der als gemäßigt geltende Reformer in Teheran. Die Verhandlungen hätten gezeigt, dass sich Probleme dieser Welt ohne unverhältnismäßige Kosten und in einem erträglichen Zeitrahmen lösen ließen.

Der Atomstreit sei zu einer Iran-Phobie hochgespielt worden. "Uns wurde unterstellt, dass wir Massenvernichtungswaffen herstellen. Wir haben beides durch Verhandlungen widerlegt." Rohani warb im eigenen Land für den Kompromiss: "Wir haben es geschafft, unsere nationalen Interessen zu wahren und einen Wendepunkt zu erzielen."

Israel: "Lizenz zum Töten" für Iran

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geißelte das Atomabkommen als historischen Fehler. "Iran wird damit ein sicherer Weg eröffnet, Atomwaffen zu erlangen", kritisierte Netanjahu in Jerusalem. Viele der Beschränkungen, die genau das verhindern sollten, würden nun aufgehoben. "Iran gewinnt den Jackpot, Hunderte Milliarden Dollar, mit denen das Land weiter Aggression und Terror in der Region und der Welt vorantreiben kann. Dies ist ein schlimmer Fehler historischen Ausmaßes."

Die israelische Kulturministerin Miri Regev nannte die Vereinbarung eine "Lizenz zum Töten" für die Islamische Republik. Der Deal sei "schlecht für die freie Welt und schlecht für die Menschheit", sagte die Ministerin, die früher als Sprecherin des israelischen Militärs diente. Regev forderte zum Widerstand gegen die in Wien erzielte Vereinbarung auf.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) dagegen teilte mit, die Einigung sei der "Beginn einer neuen Ära". Das Abkommen sei gut für Iran, gut für die Region und gut für die globale Sicherheit, heißt es in Schulz' Erklärung. Der Europapolitiker lobte die Beteiligten für ihre "unermüdliche und professionelle Arbeit" und drängte auf eine "glaubwürdige Umsetzung des Abkommens".

Auch der russische Präsident Wladimir Putin würdigt das Atomabkommen als wichtigen Meilenstein. Die Einigung lasse die Weltgemeinschaft "erleichtert aufatmen", erklärte er auf der Webseite des Kremls. "Russland wird sein Äußerstes tun, um sicherzustellen, dass die Wiener Einigung voll umgesetzt wird, und dadurch zur internationalen und regionalen Sicherheit beitragen."

Schwierige Verhandlungen bis zuletzt

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Nach mehr als zehn Jahren ist es zu einer historischen Einigung gekommen: Die UN-Vetomächte und Deutschland haben sich auf ein Abkommen verständigt. Für die EU-Außenbeauftragte Mogherini ist es ein Zeichen der Hoffnung, für den israelischen Ministerpräsident Netanjahu jedoch "ein schlimmer Fehler".

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Die jüngste Runde der Atomverhandlungen hatte vor mehr als zwei Wochen begonnen. Als strittig galten zuletzt insbesondere Fragen rund um die Aufhebung der Sanktionen und des UN-Waffenembargos gegen Iran. Zuletzt ging es nach den Worten eines Diplomaten nur noch um letzte Formulierungen in der Vereinbarung, die etwa 100 Seiten umfassen soll.

Die Gespräche im Wiener Palais Coburg waren wiederholt verlängert worden. Auch das jüngste gemeinsame Zieldatum - der Montag - hatte wieder nicht eingehalten werden können.

"Eine Einigung wäre ein Triumph der Diplomatie mit Gewinnern auf allen Seiten", schrieb Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Montagabend im Kurznachrichtendienst Twitter.

© SZ.de/AP/Reuters/dpa/fued - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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