Zwischenfall am Burgtheater:"Ein bisschen Agatha Christie"

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Theaterschauspieler Daniel Hoevels wäre während einer Selbstmordszene auf der Bühne fast verblutet. Man hatte ihm ein scharfes Messer statt einer Requisite hingelegt.

Martin Zips

Am Sonntag feierte Daniel Hoevels, 30, als Willi in Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." in Hamburg Premiere. Da steckte ihm der Schreck vom Nikolaustag noch in den Gliedern. Weil ihm irrtümlich statt eines stumpfen ein scharfes Messer gereicht worden war, hatte sich Hoevels am 6. Dezember bei Schillers Drama "Maria Stuart" in Wien den Hals aufgeschnitten. Zum ersten Mal äußert er sich dazu in einem Interview.

Daniel Hoever stand einen Tag nach dem blutigen Zwischenfall wieder auf der Bühne - und mimte den nächsten Selbstmord. (Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Hoevels, warum setzt sich Mortimer in Maria Stuart das Messer an den Hals?

Hoevels: Das Mordkomplott gegen Elisabeth ist gescheitert, von Maria wurde Mortimer zurückgewiesen - damit ist für ihn alles vorbei.

SZ: Aha. Und woher haben Sie als Ensemblemitglied des Hamburger Thalia-Theaters dieses Messer?

Hoevels: Von der Requisite. Ich nehme mir das Messer kurz vor meinem Auftritt vom Requisitentisch. So habe ich es auch bei unserem Gastspiel in Wien getan und - da es sich wie immer um ein Klappmesser handelte - habe ich den Mechanismus noch einmal kurz überprüft, damit es auch wirklich aufspringt. Was mir dabei nicht auffiel, ist, dass es sich diesmal um ein scharfes Messer gehandelt hat.

SZ: Was passierte dann?

Hoevels: Dann zog ich mir auf der Bühne das Messer über die Kehle. Wissen Sie, wenn man das schon 30 oder 40 mal gemacht hat, dann nimmt man dieses Requisit nicht mehr als Messer wahr. Für mich ist das nichts anderes mehr als ein Teelöffel oder ein Kugelschreiber. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, dass es scharf sein könnte.

SZ: Es war aber scharf. Und plötzlich wankten Sie blutend von der Bühne.

Hoevels: Die Ärzte haben gleich gesehen, dass weder Halsschlagader, noch Luftröhre oder Kehlkopf getroffen wurden. Ich war also nicht lebensbedrohlich verletzt. Hätte ich jedoch die Hauptschlagader getroffen, so hätte man mir das natürlich gleich abdrücken müssen.

SZ: Die Medien lieben solche Dramen.

Hoevels: Und ob! Erst berichteten die österreichischen und dann die deutschen Boulevardmedien. Ich wurde dort ständig zitiert, obwohl ich nicht ein einziges Interview gegeben hatte. Dies bleibt das einzige Interview zu diesem Fall.

SZ: Danke. Und wieso haben Sie sich nicht früher geäußert?

Hoevels: Das Ganze war für mich ein großer Schock! Das muss man doch verstehen. Da braucht man ein paar Tage. Und warum muss so ein Bühnenunfall die Allgemeinheit interessieren?

SZ: Zum Beispiel, weil die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Hoevels: Ja gut. Es gibt in Österreich Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung. Die haben das Messer, welches wir ja aus Hamburg mitgebracht hatten, konfisziert. Das Thalia-Theater ist dabei, die internen Abläufe zu rekonstruieren.

SZ: Herr Hoevels, könnte es sein, dass Ihnen jemand absichtlich das scharfe Messer hingelegt hat?

Hoevels: Das wäre doch fast schon zu literarisch, meinen Sie nicht?

SZ: Weiß ich nicht. Vielleicht hatten Sie eine Affäre mit der Freundin des Requisiteurs.

Hoevels: Nein. Nein. Das war eine Verkettung von Versäumnissen, an deren Ende ich selber stand. Ich habe ja versäumt, die Klinge vor dem Auftritt noch einmal zu überprüfen.

SZ: Geschieht derlei häufig im Leben eines Theaterschauspielers? Ich meine, das war doch eigentlich nur ein ganz harmloses Schiller-Drama.

Hoevels: Es geschehen jede Menge Unfälle am Theater. Aber wenn sich jemand auf der Bühne umbringen soll - und plötzlich droht der Schauspieler tatsächlich zu sterben, dann hat das eine ganz neue Ebene. Dann erinnert das an Agatha Christie oder Inspektor Clouseau. Aber, tut mir leid, bis auf einige Bühnen-Ohrfeigen, die mir ziemlich wehgetan haben, ist mir derlei noch nie passiert.

SZ: Gut.

Hoevels: Was bleibt, ist die Einsicht, dass das Leben sehr, sehr schnell zu Ende sein kann. Aber bereits am nächsten Tag stand ich wieder als Mortimer auf der Bühne. Das ist auch besser so. Sonst kriegt man doch noch ein Problem mit dem Bühnentod.

© SZ vom 16.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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