Zugunglück in China:Kollision auf der Brücke

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Mehr als 40 Tote und 200 Verletzte - das ist die Bilanz nach einem schweren Zugunglück in China. Nun gerät das Hochgeschwindigkeitsnetz abermals in die Kritik.

Henrik Bork

43 Tote, mehr als 200 Verletzte und schwere Zweifel an der Sicherheit chinesischer Schnellzüge sind die vorläufige Bilanz eines schweren Unfalls in Ostchina an diesem Wochenende. Um 20.38 Uhr am Samstagabend rammte Schnellzug D301 den Schnellzug D3115, der offenbar nach einem Blitzschlag die Stromversorgung verloren und nahe der Stadt Wenzhou die Strecke blockiert hatte. Im chinesischen Fernsehen waren Rettungsarbeiter zu sehen, die blutende Verletzte und Leichen aus sechs entgleisten Waggons zogen. Vier Waggons von D301 waren von einer rund 20 Meter hohen Eisenbahnbrücke gestürzt. Einer hing noch senkrecht von der Brücke.

Bei einem schweren Zugunglück in China sterben mehr als 40 Menschen. (Foto: AP)

Unser Zug stoppte mehr als 20 Minuten lang. Die Schaffner sagten, es sei wegen eines Blitzschlags", zitierte die Nachrichtenagentur Xinhua eine Überlebende. "Kurz nachdem der Zug langsam wieder angefahren war, spürte ich einen schweren Schlag und der Strom war weg." Die Frau fand dann später in der Dunkelheit ihre leicht verletzte Tochter unter einem Sitz wieder. Die Rettungskräfte mussten eingeklemmte Opfer mit Schneidegeräten befreien.

Einige davon hatten zuvor über ihre Handys verzweifelte Hilferufe abgesetzt. "Bitte helft mir! Hilfe, Hilfe, ich habe solche Angst", textete ein Opfer laut Xinhua. Krankenhäuser in der Umgebung riefen wegen der hohen Zahl von Verletzten zu Blutspenden auf. Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao erklärte die Rettungsarbeiten zur nationalen Priorität.

Der auffahrende Zug, der auf dem Weg von Peking nach Fuzhou war, soll noch vergeblich eine Notbremsung versucht haben. Es war ein Zugtyp aus der ersten Generation des ambitionierten chinesischen Schnellzugprogramms, der Geschwindigkeiten um 250 Stundenkilometer erreicht. Das Unglück ließ sofort die Debatte wieder aufleben, ob Chinas Schnellzugnetz wirklich sicher ist.

Innerhalb weniger Jahre hatte Chinas Eisenbahnministerium 8000 Kilometer Schnellzugtrassen aus dem Boden gestampft. Doch immer wieder war es zu Pannen gekommen, zum Beispiel als kurz nach der Einweihung der neuen Schnellzugtrasse zwischen Peking und Shanghai mehrmals der Strom ausfiel. "Nur auf hohe Geschwindigkeit setzen, ist nicht genug. Wir müssen fragen: Hat es genügend Vorbereitungen für raues Wetter gegeben?", schrieb Xinhua erst kürzlich in einem Kommentar.

Im Februar war Eisenbahnminister Liu Zhijun abgesetzt und später unter Korruptionsverdacht festgenommen worden. Er soll sich massiv an der Vergabe von Aufträgen im Schnellverfahren bereichert haben. Nach diesem Skandal begann die Zentralregierung nachträglich mit Sicherheitsüberprüfungen der Schnellzugtrassen und setzte erst kürzlich die Hochgeschwindigkeit auf der Vorzeigestrecke Peking-Shanghai um 50 Stundenkilometer herunter.

© SZ vom 25.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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