Zooserie (7): New York:Ekstatisches Balzen im Central Park

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Manhattans Zoo sucht seinen Knut, seit die einstigen Stars Silo und Roy, ein schwules Pinguinpärchen, ihre Karriere unbekümmert ruinierten.

Berit Uhlmann

Was hat man von einem Zoo mitten in der Kapitale der Stadtneurotiker zu erwarten? Ein Zebra, das sich die Hufen maniküren lässt, und eine hypochondrische Giraffe im Kernspintomographen? So zumindest sahen es die Hollywood-Produzenten, die 2005 "Madagascar", einen Trickfilm über die Zootiere aus Manhattan, in die Kinos brachten.

Der Central Park in New York. (Foto: Foto: dpa)

In Wahrheit ist der Central Park Zoo ein grünes, ruhiges Kleinod. Nur einen Steinwurf von den Apartmenthäusern der Upper East Side entfernt kann der Besucher über mehrere Treppen und Brücken durch das dampfende Regenwald-Haus steigen, bis erstaunliche Vögel namens Fächertaube, Elfenblauvogel und Bananaquit seinen Kopf streifen. Kann Eisbären beim Tauchen zuschauen oder den seltenen Kleinen Panda betrachten.

Und doch hat die Realität etwas von Hollywood: Der Central Park Zoo hatte jahrelang seinen Medienhype und das Schicksal zweier Tiere schaffte es immerhin in ein preisgekröntes Kinderbuch. Es begann 1999, als Roy und Silo die Herzen der Stadt, wenn nicht der Nation, eroberten.

Roy und Silo sind zwei männliche Pinguine, die damals nicht nur unzertrennlich waren, sondern eines Tages ein Nest bauten und ein Gebaren an den Tag legten, das die Tierpfleger "ekstatisches Balzen" nannten. Was hieß, sie stellten sich aufrecht hin und schlangen ihre Hälse umeinander, bis man ihnen endlich gab, was sie für ein Ei hielten: einen runden, glatten Stein.

Auf dem Brocken brüteten sie dann mit solch steinerweichender Hingabe, dass Amerika bereit wurde für einen großen Schritt: Die Jungs bekamen ein echtes Pinguin-Ei, brüteten ein Mädchen namens Tango aus und zogen es gemeinsam groß.

Sechs wundervolle Jahre lang war die Stadt stolz auf ihre schwulen Pinguine. "Endlich", so schrieb Newsweek, wurde das New Yorker Liebesleben nicht mehr durch die flatterhaften Frauen aus "Sex and the City" definiert, sondern erstmals durch ein monogames Paar, das der Welt zeigt, wie Liebe und Treue alle Hürden überwinden - und: das noch dazu super aussah in seinen kleinen Fracks.

Die Geschichte von Tangos Geburt wurde in einem preisgekrönten Kinderbuch erzählt, Schwule erhoben Roy und Silo zu ihren Ikonen. Mit überlegenem Lächeln sah man in New York den Oscar gekrönten Dokumentarfilm "Die Reise der Pinguine", in dem das traditionelle Familienbild am Beispiel der Kaiserpinguine zelebriert wurde.

Das ging so lange bis Scrappy in den Zoo kam. Das kalifornische Pinguin-Weibchen verführte Silo Ende 2005. Roy brütete allein über einem Stein weiter.

Zwar hat der Tierpark noch immer gleichgeschlechtliche Pinguin-Pärchen (denn Homosexualität ist unter Pinguinen nicht so selten). Doch so richtig mag man das Sexleben der Vögel nicht mehr promoten.

Als Attraktion bewirbt der Zoo heute die Fütterung der Seelöwen. Damit präsentiert sich der Tierpark in der Stadt der Superlative nicht spektakulärer als die Anlagen in Krefeld oder Karlsruhe. Andererseits hat es durchaus seinen Reiz, dass der Medienrummel verstummt ist und die Besucher nun die etwa 130 Tierarten in aller Ruhe entdecken können.

Und wer denn unbedingt eine Geschichte zu den Tieren braucht, für den hält der Zoo - kuriert vom Disaster um die untreuen Pinguine - Herbies Schicksal bereit. Der kleine Seelöwe wurde im Alter von nur wenigen Tagen mutterseelenallein an der Küste des Bundesstaates Maine gefunden. Seine riesengroßen blanken Baby-Augen erwiesen sich als - oooch - stark kurzsichtig. Tierschützer retteten die Waise und verschafften ihr ihre Fifth-Avenue-Adresse im Central Park Zoo. Und dort geht es ihr noch heute wunderbar.

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