Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Ein Job, schmutzig und einsam

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Unser Autor blickt heute zum vorerst letzten Mal zurück auf die Woche - und sucht nach dem Ursprung der Worte: Der Name des Bundespräsidenten wird dabei genau so durchleuchtet wie die Herkunft des Papstes.

Wolfgang Koydl

Eine faszinierendes Kapitel der Etymologie ist die Namensforschung. Hat man Familiennamen erst einmal entschlüsselt, eröffnen sie mitunter unvergleichliche Einblicke in Geschichte, Bräuche und Kultur. Oft freilich verschließen sie sich auch den hartnäckigsten Nachforschungen. Ich weiß zum Beispiel noch immer nicht, woher mein eigener Name eigentlich kommt.

Bundespräsident Horst Köhler versucht, im Mai 2007 in Regensburg auf einer Trompete zu spielen, die ihm geschenkt wurde. Der Ursprung seines Namens ist unmusikalischer. (Foto: Foto: dpa)

Sehr viel einfacher sind Familiennamen, die von Berufen abgeleitet sind, welche die ersten Träger dereinst ausübten: Schmied und Bäcker, Metzger, Schuster oder Zimmermann erklären sich von selbst, denn die Handwerke sind uns noch vertraut. Schwieriger wird es, wenn der Beruf ausgestorben und nur noch seine Bezeichnung als Nachname erhalten geblieben ist.

Die Namen von Bundespräsident Horst Köhler, der auf eine zweite Amtszeit zusteuert, und Wolfgang Wagner, der seine Nachfolge in Bayreuth geregelt zu haben scheint, fallen in diese Kategorie. Dazu muss man sagen, dass Köhlers Vorfahren einen wesentlich längeren und härteren Weg zu gesellschaftlicher Anerkennung und Respektabilität zurücklegen mussten, als die Wagners.

Köhler übten einen schmutzigen, einsamen und mitunter gefährlichen Beruf aus, der fast genauso schlecht angesehen war wie jener des Gerbers oder des Totengräbers. Das Wort leitet sich von der Kohle ab: Der Köhler brannte Holz in Meilern zu Holzkohle, und weil er dies in Nähe seines Rohstoffes tat, lebte er meist alleine im Wald. Man kann davon ausgehen, dass sie sich oft Brandverletzungen zuzogen und obendrein unter akutem Schlafmangel litten. Denn die Meiler mussten Tag und Nacht bei einer bestimmten Temperatur gehalten werden - eine ununterbrochene Nacht wird es nicht gegeben haben.

Der Wagner hingegen war hoch angesehen, gehörten zu seinen Kunden doch in erster Linie wohlhabende Personen, die sich eine Kutsche leisten konnten. Er war der Wagenmacher, der gleichsam für die Karosserie der fahrbaren Untersätze verantwortlich war. Übertragen auf die Gegenwart lässt sich also sagen, dass die Familie der Autobauer Pininfarina eigentlich auch nichts anderes waren als Wagner.

Der Papst ist in Amerika, und Kardinal Ratzinger wählte mit Bedacht, als er sich nach seiner Wahl für den Namen Benedikt entschied. Denn der Heilige Benedikt von Nursia ist der Patron Europas, jenes Kontinents, dem der Heilige Vater besondere Aufmerksamkeit schenken will. Der Name ist lateinischen Ursprungs und setzt sich zusammen aus bene und dicta - wörtlich: gut gesprochen.

Nichts aber ist besser gesprochen als ein Segen, und daher nahm benedictus im Christentum die Bedeutung von gesegnet an. (Das altmodische deutsche benedeien ist eine verballhornte Version). Benedikt ist also der Gesegnete und damit ein Namensvetter des ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak und des demokratischen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama: Mubarak (oder kurz barak) ist arabisch für gesegnet.

Die, wenn man so will, Berufsbezeichnung Benedikts - Papst - geht auf eines der ältesten Worte der Menschheit zurück, als sich die Sprache aus den primitiven Lauten unserer Vorfahren zu entwickeln begann. Pappa und Mamma lallen Säuglinge, wenn sie ihre Eltern meinen, und aus dem Papa ist der Heilige Vater entstanden. Im Frühmittelalter war es im Deutschen noch der leicht hessisch klingende babes, an den später ein t angehängt wurde. Im Laufe der Zeit wurde babest stromlinienförmig zum heutigen Papst zurechtgeschliffen.

Weit in die Vergangenheit zurück reicht auch der Name des alten Landes Sachsen, dessen vorerst letzter Führer, Ministerpräsident Georg Milbradt, vergangene Woche seinen Rücktritt bekanntgab. Die Sachsen waren blutrünstige Krieger, die unter anderem zusammen mit dem Stamm der Angeln Britannien eroberten und mit Verschlagenheit und Blutdurst die keltischen Ureinwohner niedermetzelten.

In der fast tausend Jahre alten Chronik von Geoffrey of Monmouth findet man einen Hinweis auf den Ursprung des Namens. Britanniens frühester Historiker beschreibt das Gastmahl, das der britische Kriegsherr Vortigern den Sachsen unter ihrem Führer Hengist (der Hengst) gab, als der Gast plötzlich ausrief: Nemet oure saxas - schnappt euch eure Saxe. Dies waren Kurzschwerter und als Waffe von den Sachsen derart bevorzugt, dass sie danach benannt wurden. Eine ähnliche Etymologie besteht für den germanischen Stamm der Franken, die mit Speeren fochten - germanisch: frankon.

Vortigerns Gastmahl endete übrigens in einem Blutbad: Die Sachsen metzelten ihre ahnungslosen Gastgeber nieder - 460 Männer starben, die gesamte Führungsschicht der Kelten. Wenn es noch heute Reibereien gibt zwischen Engländern auf der einen und den keltischen Schotten, Walisern und Iren auf der anderen Seite, dann ist der semi-legendäre Hengist daran nicht ganz unschuldig.

Sorgen anderer Art plagen derzeit die Menschen nicht nur in Deutschland sondern auf der ganzen Welt: Benzin, Gas, Brot oder Reis - alles wird teurer. Woher dieses Adjektiv ursprünglich stammt, ist unbekannt. Sicher ist nur, dass es derselben Wurzel wie das mittelhochdeutsche Verb turen entsprungen ist. In ihm erkennen wir mit einiger Phantasie unser dauern wieder, allerdings nicht im Sinne von Zeit, die endlos lang verstreicht, sondern in der Bedeutung von Mitgefühl empfinden, bedauern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso die Entführung vor Somalia eigentlich nicht der Bedeutung des Wortes Yacht entspricht.

Diese Bedeutung nahm turen allerdings erst im 16. Jahrhundert an. Zunächst verwendete man es, wenn einem ein Mensch lieb war - mithin teuer in seiner posi-tiven Form von wert oder geachtet. Von hoch geschätzt war es freilich nur ein kleiner Schritt zu viel kostend - und unsere Teuerung war geboren.

Nicht billig war auch die französische Yacht, die vor der Küste von Somalia von Piraten aufgebracht und anschließend wieder befreit wurde. Der Name der teuren Boote stammt aus dem Norwegischen, was nicht weiter überrascht, bereisten doch schon die Wikinger mit windschnittigen Schiffen die Welt. Jaght klingt auch für deutsche Ohren vertraut: Bei uns ist es die Jagd. Eine Yacht war mithin ein schnelles Schiff, mit dem Piraten ihre Beute jagten - und nicht, wie im vorliegenden Fall - ein Opfer von diesen.

Im Dunkeln liegt die Herkunft des ostafrikanischen Landes Somalia, für die es gleich drei Theorien gibt: Nicht wirklich ernst zu nehmen ist der Deutungsversuch über einen Ausdruck aus der Landessprache: soo maal heißt "geh" und "Milch und soll - nach dieser Theorie - ein freundliches Volk beschreiben, das seinen Gästen Milch kredenzt.

Die zweite Variante bezieht sich auf eine mythische Figur namens Samaale, aus deren Lenden das Volk der Somalis entsprungen sein soll. Am wahrscheinlichsten könnte eine Ableitung aus der Sprache der Nubier im antiken Königreich von Kusch sein. Dort gab es ein ähnlich klingendes Wort, das dunkel oder schwarz bedeutete und sich auf die Hautfarbe der Somalis bezogen haben könnte. Der Sudan, auf dessen Territorium Kusch lag, erhielt später einen ähnlichen Namen: assuad heißt auf Arabisch schwarz, und die Ägypter gaben dem Gebiet im Süden ihrer Grenze abschätzig den Namen "Land der Schwarzen".

Einen alt-ägyptischen, pharaonischen Bezug haben auch die Kekse der Hannoveraner Firma Bahlsen, die letzte Woche eine Werksschließung ankündigten. Auf jeder Packung prangt die Hieroglyphe Tet. Sie steht für ewig dauernd und bezog sich bei den Ägyptern auf das Leben im Jenseits. Der Zuckerbäcker Hermann Bahlsen freilich, der 1889 seine Fabrik gründete, hatte eher die Haltbarkeit seines Gebäcks im Sinn.

Welch hohe intellektuelle Ansprüche er an sein Produkt zu stellen schien, lässt sich am Namen ablesen, den er wählte: Er taufte seine Kekse nach dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz. Viel entscheidender ist freilich, dass Hermann Bahlsen die deutsche Sprache um das Wort Keks bereicherte: es ist die Eindeutschung englischer Kuchen ( cakes), die er in seinen Lehrjahren in England buk.

Auch die größte Keks-Packung geht einmal zu Ende, und dies ist das vorerst letzte "Kleine Lexikon". Nach einem Jahr der Sprach-Detektei ist der Vorrat an Wörtern, die es sich zu untersuchen lohnt, zwar noch lange nicht erschöpft.

Aber es warten andere Projekte und Aufgaben auf mich, was nicht ausschließt, dass das Lexikon - Leser-Interesse vorausgesetzt - zu einem späteren Zeitpunkt wiederaufersteht. Ganz sicher war es nicht der ursprüngliche Sinn des Wortes letzt, der mich zur Einstellung der Kolumne bewog: Denn ich fühle mich frisch und munter, und alles andere als lezzist. Lezzist? Dies war der Superlativ des heute ausgestorbenen Wortes lass. Es bedeutete matt, müde oder schlaff und lebt in unserem Wörtchen lässig fort. Der Letzte war mithin derjenige, der total abgeschlafft herumhing - und so jemanden gibt es bei der SZ sowieso nicht.

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