Wortwörtlich:Der Cyber-Gouvernator

Lesezeit: 5 min

Eine Prostituierte in New York, was Frauen und Fürsten gemeinsam haben und warum Arnold Schwarzenegger das Amt des Gouverneurs vorbestimmt ist, klärt der etymologische Wochenrückblick.

Wolfgang Koydl

Eigentlich klingt es wie eine Geschichte aus einem Batman-Comic: Gotham City wird von einem Skandal erschüttert. Der schmierige und korrupte Gouverneur der Stadt wird mit einem Callgirl ertappt und stürzt über die Schmuddelaffäre mit der Prostituierten.

Arnold Schwarzenegger: "Gouverneur" und "Kybernetik" liegen auch etymologisch nicht weit auseinander. (Foto: Foto: ddp)

New York aber war nur das literarische Vorbild für Batmans Heimatstadt, und Eliot Spitzer, der Gouverneur des gleichnamigen US-Bundesstaates, galt bisher eher als Verkörperung eines Saubermannes, mithin also als das genaue Gegenteil eines Skandalpolitikers. Inzwischen gibt es Hochhäuser auch in der deutschen Provinz; dennoch gilt New York weiterhin als Symbol der modernen Weltstadt. Sein Name freilich reicht weit in die graue und historisch nicht aufgezeichnete Frühgeschichte zurück. Benannt ist der Big Apple - nachdem er zuvor Neu-Amsterdam hieß - nach der alten nordenglischen Stadt York, deren Name die verballhornte Form des lateinischen Eboracum ist.

Die Römer, die hier ein befestigtes Lager unterhielten, liehen sich einen einheimischen Namen. Die als besonders wild verrufenen keltischen Stämme der Brigantes und Parisii nannten die waldige Gegend nach den hier wachsenden Bäumen eborakon - den Platz der Eiben. In gälischen Sprachen kann man den Ursprung des Wortes bis heute erkennen: efrog ist die Eibe auf walisisch, eabhrac auf Irisch, und im schottischen Gälisch klingt sie haargenau wie die heutige Stadt: iorc. Die realistische Vorlage für das literarische Gotham übrigens liegt nur ein paar Dutzend Meilen südlich von York. Hier lebten der Überlieferung nach die "Weisen Männer von Gotham" - die englische Version der Schildbürger.

Mehr als ein Schildbürgerstreich war freilich Spitzers Fehltritt mit der Prostituierten - vor allem, seitdem der Skandal vor aller Augen bekannt wurde. Wie sollte es auch anders sein, leitet sich das Wort doch vom lateinischen prostatuere ab - vor aller Augen hinstellen. Zunächst galt dies für Standbilder, Schauspieler und - ja - Politiker. Erst 1613 wurde das Wort zum ersten Mal für leichte Mädchen verwendet. Das Callgirl wiederum ist die Tochter einer technischen Neuerung: So nannte man etwa ab 1900 Prostituierte, die man per Telefon bestellte.

Ebenfalls lateinischer Abstammung ist der Gouverneur: die Römer borgten sich das Verb gubernare vom griechischen kybernein. Anfangs bedeutete beides das Steuern eines Schiffes, später wurde es auf die Führung eines Staatsschiffes übertragen. Das griechische Wort indes schlug eine andere Richtung ein und gab uns die Wurzel für die Kybernetik, die Wissenschaft komplexer Systeme. Dazu gehören auch Cyber-Wesen, und wer es schon immer ahnte, der hat es jetzt schwarz auf weiß: Arnold, der Terminator, war gleichsam vorbestimmt für die Rolle des Gouvernators von Kalifornien.

Noch einmal kurz zurück nach New York: Es machte die Sache nicht besser, dass der Skandal rund um den Weltfrauentag ausbrach. Man(n) mochte vielleicht die Achseln zucken, doch frau war nicht amüsiert. Noch weniger wird es frau freilich gefallen, dass ihr Name nur die Ableitung eines ähnlich klingenden Begriffes für einen Mann ist. Dieses Urwort, das im Althochdeutschen furist hieß und so viel wie "der Erste" bedeutete, ist ausgestorben. Indirekt lebt es indes fort - etwa im englischen first, der Erste, oder im deutschen Fürst, der ja auch immer ganz vorne mitmischt.

Anfangs war der Titel Frau denn auch auf edle und vornehme Damen beschränkt: die gnädige Frau, Unsere Liebe Frau, und mächtige, märchenhafte Wesen wie Frau Holle. Eine gewöhnliche Frau war ein Weib, und wenn es je ein politisch unkorrektes Wort gegeben hat, ist es dies. Denn das indogermanische Verb uei-b hieß sich drehen, sich schwingend bewegen oder auch zittern. (Vibrieren schwingt entfernt hier mit). Ein Weib war also eine sich flink hin und her bewegende Hausfrau, oder ein vor der starken Hand des Mannes zitterndes Wesen. Bleibt nur ein Trost: Auch der Feld webel ist mit dem Weib etymologisch verwandt.

Auch Feldwebel könnten sich - und ich entschuldige mich für die brutale Überleitung - für einen jener Tapferkeitsorden qualifizieren, über deren Wiedereinführung in der Bundesrepublik derzeit nachgedacht wird. Blickt man sich die reichhaltig vorhandenen Synonyme tapfer, mutig, kühn und couragiert mit einer sprachwissenschaftlichen Lupe an, so drängt sich freilich der Eindruck auf, dass sich die Deutschen mit Helden lange Zeit schwertaten.

Nehmen wir das althochdeutsche tapfar, das zunächst einmal eher das Gegenteil eines Helden beschrieb: schwer, fett, dick waren die ersten tapferen Zeitgenossen. Um eine anschauliche Vorstellung von deren Leibesumfang zu bekommen sei erwähnt, dass das verwandte norwegische Adjektiv daper eine trächtige Stute bezeichnet. Erst im 15. Jahrhundert wandelte sich das Wort allmählich zu seiner heutigen Bedeutung.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, auf welchem Boden der Vatikan errichtet wurde ...

Nicht viel besser ist es um den Mut bestellt. Ihm liegt die Verbalwurzel mo- zugrunde: nach etwas trachten, verlangen, heftig erregt sein. Auch die Mühe ist mit ihm verwandt. Gemeint waren triebhafte Gemütsäußerungen, oder anders gesagt Launen. Das englische mood hat sich diese Bedeutung bis heute bewahrt - ebenso deutsche Zusammensetzungen wie Übermut, frohgemut, Anmut oder Mutwille. Die Bedeutung Tapferkeit schlich sich erst im 16. Jahrhundert ein; doch wie dies geschah, ist nirgendwo verzeichnet worden.

Kunst, so sagt man albern aber falsch, komme von können. Kühn aber, dem liegt wirklich können zugrunde. Konia war jemand, der etwas verstehen konnte, der erfahren oder weise war oder darauf erpicht, etwas zu lernen. Im Englischen gibt es das Wort keen, das genau diese Art von gesteigertem Interesse bekundet. Im Deutschen hingegen war der kühne Recke zuerst nur jemand, der im Kampfe erfahren war. Mutig musste er dazu noch lange nicht sein: Er konnte seine Truppen auch aus der Etappe leiten.

Der jüngste Begriff ist die aus dem Französischen entliehene Courage, vor der so mancher Angst bekommt, wenn er sie in seiner Brust heranreifen fühlt. Die Courage kommt der Sache, die sie beschreibt, allerdings am nächsten. Das vulgärlateinische coraticum, das sich von cor = das Herz ableitet, beschrieb die innere Stärke eines Menschen. Dies ist meist sein Mut.

Ein klein wenig Courage gehörte vielleicht auch dazu, als der Vatikan die alte Liste der sieben Todsünden um sieben weitere schwere Vergehen erweiterte, die automatisch Höllenqualen nach sich ziehen. (Hochmut, Geiz, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei und Trägheit haben gleichwohl noch längst nicht ausgedient und bleiben weiter gültig.) Erstaunlich für einen Begriff, der die Menschheit schon lange begleitet, liegen die Ursprünge des Wortes Sünde im Dunkeln.

Wahrscheinlich geht sie auf eine indogermanische Wurzel es-ont zurück = sein. Im Gotischen gab es das Wort sonjis für wahrhaftig, echt. Ein weiter Weg zur Sünde, sollte man meinen. Aber Sprachwissenschaftler haben die Theorie ausgearbeitet, dass das Wort ursprünglich jemanden bezeichnete, "der es wahrhaftig gewesen ist" - mithin einen Schuldigen. Im Lateinischen war sons der Kriminelle, und es ist denkbar, dass vom Genitiv sontis die deutsche Sünde direkt abgeleitet worden sein könnte.

Ob im Vatikan, wo man sich von Berufs wegen mit menschlichen Verfehlungen befasst, gesündigt wird? Irgendwann einmal bestimmt: Der Sitz der katholischen Kirche bezieht seinen Namen schließlich von einem achten Hügel des siebenhügeligen Roms, dem mons Vaticanus. In römischer Zeit war dies eine anrüchige Gegend: Wahrsager - vaticinari - betrieben hier ihr Geschäft, Neros Zirkus lag ebenso hier wie praktischerweise der Friedhof, auf dem getötete Christen begraben wurden. Weil man annahm, dass auch der heilige Petrus hier seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, ließ Kaiser Konstantin auf dem Vatikanhügel eine Grabeskirche für den Apostel errichten.

Die Päpste freilich zogen erst nach der Rückkehr von ihrem erzwungenen Exil in Avignon auf den Vatikan. Zuvor hatte der Heilige Vater seinen Sitz im Lateran-Palast. Besonders christlich war auch dieser Name nicht. Einst lagen hier die Latifundien der römischen Familie der Laterani - bis Nero sie enteignete, weil sie sich angeblich gegen ihn verschworen hatten. Man kann auch sagen, sie hatten sich gegen den Gottkaiser versündigt.

© sueddeutsche.de/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: