Wortwörtlich:Der Bumerang am Schnürchen

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Was South Carolina, Nevada und Florida gemeinsam haben und woher das älteste Spielzeug der Welt, das Yo-Yo, seinen Namen hat - der etymologische Wochenrückblick von Wolfgang Koydl.

Die Banken und die Börsen waren ja schon Gegenstand unserer Untersuchungen, was freilich nichts daran ändert, dass sie uns weiterhin in Atem halten. Derweil der Kurs der Aktien wie ein Yo-Yo hektisch auf- und abschnellt, kappen Nationalbanken die Zinsen, um eine Rezession zu bannen. Aber der Reihe nach.

Das Yo-Yo kommt aus der philippinischen Tagalog-Sprache und bedeutet "Komm, komm". (Foto: Foto: dpa)

Die Aktie kennen wir im Deutschen erst seit dem 17. Jahrhundert. Sie kam als actie aus dem Holländischen, was nicht weiter verwunderlich ist: die Niederlande hatten in dieser Zeit fast alle Instrumentarien internationalen Handels erfunden und verfeinert. Es war diese Tatsache, die es dem kleinen Land erlaubte, jahrzehntelang auf der Weltbühne mit größeren Mächten mitzuhalten.

Ursprünglich geht die actie auf das lateinische actio zurück, was Handlung oder Tat bedeutete. Im Justizlatein gab es noch eine Spezialbedeutung: einklagbarer Anspruch. Von hier wurde der Begriff auf ein augenscheinlich wertloses Stück Papier übertragen, das aber einklagbar einen Anteil an einem Unternehmen darstellte.

Lateinische Eltern hat auch der Zins, der zunächst als Synonym für Abgabe oder Tribut ins Deutsche kam. Im veralteten Wort Mietzins ist diese Bedeutung noch erhalten. Erst seit dem späteren Mittelalter wurde Zins verwendet, um den prozentualen Anteil an einer Summe Geldes zu bezeichnen. Am Beginn stand der lateinische census - die Zählung oder Vermögenseinschätzung. Als Josef und Maria nach Bethlehem zitiert wurden, da folgten sie der Aufforderung zu einem census - einer Volkszählung.

Wenn Aktienkurse ständig ihre Richtung wechseln, dann verhalten sie sich sprachlich völlig richtig. Denn der Stammvater des Wortes Kurs ist das lateinische currere = laufen, rennen. Enge Verwandte waren cursare = umherrennen, carrus = der Karren, cursus = Fahrt, Verlauf, Richtung, und cursivus = laufend, das uns die Kursivschrift beschert hat.

Nach Deutschland kam das Wort im 15. Jahrhundert aus dem italienischen corso. Der war damals noch keine Flaniermeile, sondern zum einen ein Ladezettel, eine Art Frachtpapier, und zum anderen die Richtung, die ein Schiff einschlägt. Beide Bedeutungen gingen ins Deutsche ein. Übrigens: Wenn fallende Aktienkurse Konkurrenten in den Konkurs treiben, dann ist auch das geradezu zwingend. Beide Wörter entstanden aus concurrere = zusammenlaufen, aufeinanderstoßen.

Dies wird heute, soviel ist bereits klar, eine fast ausschließlich lateinische Kolumne. Denn auch die von allen gefürchtete Rezession ist im Kern ein Zurückweichen (lateinisch re-cessio) vom Verb cedere = weichen. Klingt irgendwie auch von anderen Wörtern bekannt? Kein Wunder: der Prozess und die Prozession, der Abszess, der Exzess und die Konzession - sie alle haben denselben Wortvater. Im Deutschen ist die Rezession erstaunlicherweise ein ziemlicher Neuling: Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es aus dem Englischen geborgt.

Auch die Turbulenzen an den Börsen wären den alten Römern schon bekannt gewesen. Turba war die Verwirrung, der Lärm, das Gedränge. Das Adjektiv turbulentus bezeichnete mithin etwas Unruhiges, Bewegtes oder Stürmisches. Wer einmal Bilder von dem Ameisenhaufen der New Yorker Börse gesehen hat, weiß, dass diese Beschreibung den Nagel auf den Kopf trifft. Ein ähnliches, und natürlich verschwipptes Wort, ist turbo = Sturm, Wirbel, das uns die Turbine gegeben hat. Beide gehören übrigens zur indogermanischen Wortfamilie mit dem Stamm tuer = drehen. Ja, und daraus ist auch ein ganz banales Küchengerät entstanden - der Quirl.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, woher das Yo-Yo seinen Namen hat und was die US-Staaten South Carolina, Nevada und Florida verbindet.

Wir haben eingangs die Kursschwankungen mit einem Yo-Yo verglichen, und deshalb wollen wir uns kurz diesem Spielzeug widmen. Neben Puppen dürfte es das älteste Spielzeug der Welt sein. Schon die Griechen ließen zwei Scheiben an einer Schnur auf- und abgleiten, und im Europa des frühen 19. Jahrhunderts hieß der Zeitvertreib auf Französisch Bandalore und auf Deutsch - ohne zierenden Schnickschnack Rollrädchen.

Ende des Jahrhunderts bürgerte sich der Begriff Joujou vom französischen jouer = spielen ein. Doch dies ist nicht der Ursprung des modernen Namens. Der kommt von den Philippinen, wo Yo-Yo schon seit Jahrhunderten bekannt ist. Ein Filipino-Emigrant führte es in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA ein und sicherte sich das Copyright für den Namen - freilich erfolglos. Ein Gericht gab einem Konkurrenzunternehmen recht, das sein Produkt ebenfalls Yo-Yo genannt hatte. Denn Yo-Yo ist ein ganz normales Alltagswort in der philippinischen Tagalog-Sprache und heißt dort komm-komm.

Anders lustig als ein Yo-Yo ist der deutsche Karneval, der seinem - in diesem Jahr ziemlich frühzeitigen - Höhepunkt entgegenstrebt. Über die Etymologie des Wortes ist lange gerätselt worden. Der wahrscheinlichste Ursprung ist das neulateinische carnelevale = Fleischwegnahme als Synonym für die Fastenzeit. Die Volksetymologie machte daraus carne vale - Fleisch, leb wohl. Das verschaffte einen ersten, müden Lacher - und schon war der Karneval geboren. Sehr viel weniger doppeldeutig sind die alemannische Fastnacht und der bayerische Fasching. Ersteres bezeichnete ganz einfach den Vorabend der Fastenzeit - mithin zunächst nur den Dienstag vor dem Aschermittwoch.

Das Fasten steckt auch im Fasching, der auf ein Wortspiel zurückgeht: ein vast-ganc (gesprochen Fastgang) war wörtlich ein Fastengang, mithin eine Prozession zur Fastenzeit. Irgendein Witzbold machte schon im 13. Jahrhundert daraus eine vast-schanc - eine Fastenschenke, wo man zumindest seinen Durst löschen konnte, wenn es schon kein Fleisch zu beißen gab.

Aus Charles wird Carolina

Weniger Fasching als vielmehr Zirkus ist der amerikanische Vorwahlkampf, der in diesen Tagen durch die Staaten South Carolina, Nevada und Florida tingelt. Alle drei sind insofern eine Ausnahme, als ihre Namen nicht einer Indianersprache entlehnt wurden. Die beiden Carolinas heißen nach dem englischen König Charles I., Britanniens einzigem Monarchen, der vom Volk 1649 geköpft wurde. Sein Sohn, der praktischerweise ebenfalls Charles hieß, verlieh den neuen Übersee-Kolonien die lateinische Version des Namens zu Ehren des Herrn Papa.

Die Spanier wiederum stecken hinter den beiden anderen Bundesstaaten. Als sie Nevada entdeckten, da waren sie weniger von den kargen Wüsten beeindruckt, sondern von der mächtigen Bergkette, die sich mit Spitzen bis zu 4000 Meter durch das Territorium zog. Sierra Nevada nannten sie den Höhenzug - schneebedeckte Berge. Den zweiten Teil des Namens gab sich der Staat, als er 1864 als Nummer 36 den USA beitrat.

Nicht so sehr die Geographie als vielmehr das Datum und die Religion gaben den Ausschlag bei Florida. Denn der spanische Entdecker und Gouverneur von Puerto Rico, Juan Ponce de León, setzte seinen Fuß erstmals am 2. April 1513 auf floridianisches Festland. Das war zufällig Ostern, ein Fest, das auf Spanisch Pascua Florida hieß, um es von anderen Pascuas zu unterscheiden: Pfingsten etwa, oder dem jüdischen Pessah-Fest. Wäre Senor Ponce de León ein paar Monate später, zu Pfingsten, eingetroffen, hieße der Sunshine State heute Pentecostes.

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