11 Wochen Late Night:Ein Korsett, das nicht passt

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Anke Engelke schafft es nicht, genügend Quote zu liefern, alles fällt zu klein aus: Die Zuschauerzahlen, die Resonanz bei der Werbewirtschaft. Was nun? Sat 1 hält zu Anke, aber der Konzern verlangt mehr.

Von Hans Hoff, Klaus Ott und Hans-Jürgen Jakobs

Nach 11 Wochen Late Night bei Sat 1 hat Anke Engelke eine neue Erkenntnis gewonnen. "Das Fernsehen staucht", sagte die Entertainerin am Donnerstagabend in ihrer Show. Sie sei immerhin 1,80 Meter groß, aber auf dem Bildschirm wirke sie viel kleiner. Nun ja, das ist überhaupt das Problem der Show, seit Harald Schmidt Ende vergangenen vergangenen Jahres hingeschmissen hat.

Seine Nachfolgerin schafft es nicht, dem Privatsender genügend Quote zu liefern, alles fällt zu klein aus: Die Zuschauerzahlen, die Resonanz bei der Werbewirtschaft, nichts stimmt mehr.

An den vergangenen zwei Wochen hatte die Anke Late Night im Schnitt nur 920.000 Fans, Marktanteil magere 7,3 Prozent. In der Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen schalteten lediglich 530.000 ein, Marktanteil 8,5 Prozent. Der neue Sendetermin um 22.15 Uhr am Donnerstag, der bis zur Sommerpause in einer Woche ausprobiert wird, macht es bislang nicht besser.

Die Zahlen sind hart, und Gauillaume de Posch, der Vorstandschef der Pro Sieben Sat 1 Media AG, ist es offenbar auch. Er will eine Steigerung auf 10, 11, 12 bis 13 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe sehen. Diese Zahlen nannte der Belgier bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf, wo er die neuen Programme der Senderfamilie den Werbekunden präsentierte.

Die wollen wissen, was sie erwartet. Auf die Frage, was denn geschehe, falls die Quoten niedrig blieben, wich der Konzernchef aus. "Das ist nicht nur unsere Entscheidung, sondern auch die von Brainpool und Frau Engelke." Als ob Showstars neuerdings selbst über ihr Engagement befinden.

Jedenfalls eilte Sat-1-Geschäftsführer Roger Schawinski, dessen Berufung Ende vergangenen Jahres Harald Schmidts Abgang forcierte, am Freitag zur Produktionsfirma Brainpool nach Köln. Dort entsteht die Show, und dort gibt es noch einiges zu tun. Der Schweizer Schawinski, der Anke zur Late Night überredete, präsentierte eine Marktforschungsstudie.

Deren Ergebnis, so der Sat-1-Chef: Die absolut richtige Moderatorin für den richtigen Sendeplatz, höchstens eine "gewisse Feinabstimmung" sei noch nötig, wie bei jeder neuen Sendung.

Die Sommerpause bis Ende August wird wohl dazu genutzt, das Studio zu verkleinern. Es wirke zu groß und zu männlich, die Menschen wollten eine fraulichere Atmosphäre, besagt die Studie. Man solle die Show "ein bisschen verschärfen", sagt hingegen de Posch. Das klingt wie: Macht die Late Night härter, männlicher.

Was nun?

Intern wird dem Vernehmen nach im kleinen Kreise bereits über Alternativen für Anke Engelke diskutiert: andere Sendeplätze, andere Formate, wieder mehr Comedy. Da kommt sie ja her.

"Das kann ich dementieren", sagt Schawinski. "Es gibt gibt keinen Handlungsbedarf. Überall, wo ich hinkomme, wird über die Sendung geredet. Anke interessiert enorm, sie hat gewaltige positive Sympathiewerte, es gibt eine unglaubliche Aufmerksamkeit für die Late Night, die Zuschauer fiebern mit." So gesehen wäre alles Ordnung.

Das ist es nicht. Betrug der Marktanteil beim Start noch sagenhafte 27,8 Prozent in der Zielgruppe - das Publikum war gespannt, was nach Harald Schmidt kommt - so schafft seine Nachfolgerin inzwischen ganz selten die Zehn-Prozent-Hürde.

Für die Werbetreibenden ist das bitter. Sie hatten auf einen neuen Star in der Nacht gehofft und auf viele junge Konsumenten vor dem Fernseher, die für Autos, Deos, Bankangebote, Reinigungsmittel und Getränke ansprechbar sind.

Die Pro-Sieben-Gruppe sah sich gezwungen, Mitte Juli die Werbepreise zu senken: Ein 30-Sekunden-Spot kostet nun nicht mehr 10080 bis 11700 Euro, sondern nur noch 8700 bis 10080 Euro. Und selbst diese Tarife erscheinen immer noch sehr hoch. Tatsächlich müssen Werbekunden schon mal 37 Euro zahlen, um tausend Zuschauer zu erreichen; der Durchschnittspreis der vergangenen Wochen lag offiziell bei 21,74 Euro - unfassbar viel. Normal sind rund 10 Euro.

Viele Media-Planer streuen insgeheim bereits Asche über Anke Late Night. Bernd Deppermann, Geschäftsführer der Hamburger Agentur Pilot Media: "Die Preissenkung war richtig und notwendig. Sie reicht aber nicht aus. Die Sendung läuft einfach nicht gut."

Deppermanns hartes Fazit: "Mit dem Format macht sich Sat1 keinen Gefallen. Die Show hat ihr ursprüngliches Ziel nicht erreicht." Von einem "unglaublichen Geldverlust für die Werbeklientel" und einem "Desaster für Sat1" spricht Gerald Banze, Geschäftsführer von Maxus in Frankfurt. Der Werbetarif sei noch immer "ein absoluter Spitzenpreis." Anders als bei Vorgänger Harald Schmidt, der in der Werbe- und Marketingwelt gefiel, fehle nun die Bereitschaft, Spots zu buchen: "Der Sendung haftet das Stigma des Erfolglosen an. Das riecht der Kunde - und wendet sich ab."

Anke Engelke wirkt in der Late Night so, als ob sie in ein Korsett gezwängt werde, das ihr nicht passt. Unterhaltsam wird es allenfalls, wenn sich die Gastgeberin mit einer Schwangeren über Probleme des Schwangerseins austauscht, wie jetzt am Donnerstag. Tina Ruland war zu Besuch, und man rätselte gemeinsam über Kindernamen. Das wäre freilich eher etwas für das vormittägliche Klatsch TV.

Aber will man so etwas vor Mitternacht sehen? Will man sehen, wie eine früher hoch gelobte Protagonistin kaum über das Betriebsnudelniveau hinaus kommt?

"Die kann gut Leute nachmachen", hieß es früher. Das ist gelegentlich sogar leidlich witzig, geht manchmal aber auch rasant daneben. Als sie am Dienstag dem versierten Sportreporter Marcel Reif innerhalb einer Reihe von Fußballerbildern eines präsentierte, auf dem sie Lothar Matthäus imitierte, erkannte Reif nicht, wer die abgebildete Person sein sollte.

Das ist der GAU für jede Parodistin, dass sie erklären muss, wen sie parodiert. Überhaupt der Fußball. Von dem redet sie dauernd, aber man spürt, dass sie sich alles, was sie über das Thema weiß, angelesen hat, dass sie keine Begeisterung entwickelt, dass sie genauso gut über Kartoffelbrei dozieren könnte. Das ist ihr Dilemma. Anke Engelke steht für nichts. Es entsteht der Eindruck, dass sie sich für nichts wirklich interessiert.

Schawinski will durchhalten. Jede Late Night sei ein "Langzeitprojekt". Das sei schon bei Schmidt so gewesen. Konzernchef de Posch äußert sich anders. Besser eine Show, über die man spreche, als eine, über die keiner rede. "Anke Engelke ist eine sehr wichtige Figur für uns." Was er nicht sagt: Vielleicht auf anderen Sendeplätzen mit anderen Formaten.

© SZ vom 31.8./1.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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