Wissen:Der Weg ist das Handy

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Neue GPS-Chips machen Mobiltelefone zu Lotsen

Von Ingo Arzt

In einer fremden Stadt, auf der Suche nach der richtigen Straße - verwirrend, das Meer aus Kreuzungen und Schilder. Den Stadtplan aufgeklappt: Zwischen F8 und G8 liegt das Ziel, wie der Index verrät. Wie schön wäre es, könnte man einfach das Handy aus der Tasche ziehen, einen Straßennamen eingeben und schon weist es den richtigen Weg. Von Ende nächsten Jahres an könnte es soweit sein.

Der Schlüssel dafür ist das Assisted-GPS (A-GPS), eine verbesserte Variante des aus PKW-Navigationssystemen bekannten "Global Positioning System" (GPS). Einiges spricht für einen baldigen Durchbruch der Technik. Infineon hat zusammen mit dem US-Hersteller Global Locate dazu einen wichtigen Schritt getan.

Mit dem gemeinsam entwickelten Chip "Hammerhead" passt A-GPS problemlos in jedes Handy. Erste Muster sollen Anfang 2005 erprobt werden und Mitte nächsten Jahres marktreif sein. "Wir stehen mit allen großen Handy-Herstellern in Kontakt", sagt Martin Gotschlich, Produktmanager für A-GPS bei Infineon. Bis Ende 2005, so Gotschlichs Einschätzung, werden auch die deutschen Mobilfunkbetreiber ihre Netze entsprechend ausrüsten können.

Daten aus dem All

Denn das Handy mit dem Hammerhead-Chip braucht spezielle Signale aus dem Netz: Ohne Hilfe könnte es die Signale der GPS-Satelliten nur schlecht auswerten. 24 davon umkreisen die Erde in 20000 Kilometern Höhe; mindestens drei davon muss ein Ortungsgerät empfangen, um seine Position zu bestimmen. Doch gerade in Häuserschluchten von Großstädten oder in Gebäuden funktioniert GPS nicht zuverlässig: Die Signale der Satelliten sind dort zu schwach.

Bei A-GPS hingegen erhält das Handy aus dem Mobilfunknetz Daten zu Umlaufbahn, Frequenzen und Funktionsfähigkeit der Satelliten. Der Empfänger im Telefon benötigt dadurch weniger Daten aus dem All. Das spart im Vergleich zum herkömmlichen GPS Energie und Zeit. Statt Minuten dauert es nur noch einige Sekunden, bis man nach Einschalten des Gerätes weiß, wo man ist.

Obwohl die Netzbetreiber ihren Kunden diesen neuen Service sicherlich in Rechnung stellen werden, halten sie sich nach Auskunft ihrer Sprecher bei der Einführung von A-GPS bedeckt. Bei O2 und T-Mobile sei für 2005 die Einführung von A-GPS nicht geplant. Vodafone findet die Technik zwar interessant, nennt aber keinen Starttermin. Und bei E-Plus heißt es, technisch sei die Einführung von A-GPS kein Problem. Es gebe jedoch nicht genügend geeignete Endgeräte.

Siemens plant großen Feldversuch

Doch ein Telefon mit integriertem A-GPS ist bereits auf dem Markt: Motorolas E1000. Auch Siemens hat auf der Mobilfunkmesse in Cannes im Februar dieses Jahres einen Prototyp des Modells SX1 mit der Ortungstechnik vorgestellt (das Serienmodell enthält die Technik nicht).

Einen wichtigen Schub der bis auf drei Metern genauen Ortungstechnik wird es nach Einschätzung des Konzerns im Frühjahr 2005 geben: Die "Open Mobile Alliance" (OMA) will dann Standards für A-GPS spezifizieren. Sie sind unerlässlich, damit die Geräte unterschiedlicher Hersteller untereinander Daten austauschen können.

Zudem ist Siemens zufolge demnächst ein großer Feldversuch mit einem Netzbetreiber geplant. Die Technik stehe bereit, um das A-GPS-System zu Weihnachten 2005 in Deutschland starten zu lassen.

Wegweiser für Rettungskräfte

Zu diesem Zeitpunkt wird es in Amerika bereits vorgeschrieben. Dort wird die Technik bereits teilweise eingesetzt, um Rettungskräfte den Weg zu weisen, wenn Notrufe von Mobiltelefonen abgesetzt werden. Nach einer Vorgabe der zuständigen Behörde müssen ab Ende 2005 alle Handys mit dieser Funktion ausgerüstet sein.

Infineons neuer Hammerhead-Chip soll die dazu nötige Elektronik verkleinern: Er ist sieben mal sieben Millimeter groß und dient sowohl zum Empfang wie auch zur Verarbeitung der Daten. A-GPS macht ihn nach Firmenangaben bis zu 1000-mal so empfangsstark wie normales GPS. Auch andere Hersteller bereits bieten komplette Handy-Chipsätze mit integriertem A-GPS an.

Falls das System deshalb, wie angekündigt, auch in Gebäuden funktioniert, gäbe es Abhilfe für zwischen Regalen umherirrende Kunden. Das Handy könnte sie zur richtigen Abteilung leiten, wenn sich kein Verkäufer findet, den man nach dem Weg fragen kann.

© SZ vom 23.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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