Wie Männer in Amerika baden gehen:"Kurze Hosen sind nur was für Mädchen"

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Endlich können sich die Staaten vereinigt über einen kleinen Unterschied lustig machen: Männer aus Europa tragen normalerweise Badehosen, die knapper sitzen als die Zelte, in die man die Braven aus Amerika steckt. Und, ja doch!, darüber lachen die männlichen US-Bürger.

Viola Schenz

An Amerikas Stränden und Swimmingpools gibt ein beliebtes Spiel. Es geht einfach und kommt ohne Worte aus. Alles, was man braucht, ist ein schweifender Blick, ein einvernehmliches Grinsen und ein paar männliche Europäer, denn das Spiel nennt sich "Spot the European" - "Finde den Europäer". Europäer zeichnen sich nämlich dadurch aus, Amerikas Badegesetz Nummer eins geflissentlich zu ignorieren, das da lautet: No briefs! - Keine kurze, sprich: europäische, Badehose.

Briefs fallen eigentlich in dieselbe Kategorie wie "Thongs" - Tangas - gerne auch "Butt Floss" (Hintern-Zahnseide) genannt.Gemäßere Kleidung in einer Anzeige aus dem Jahr 1941 (Foto: N/A)

Gemeint ist jenes kleine enganliegende, noch dazu meist glänzende Textil, das notdürftig verbirgt, was es verbergen soll, und mehr nicht. Und genau darum geht es: In Briefs zeichnen sich Konturen ab - hinten, und bestenfalls auch vorne, und damit ist Amerikas letztes Kleidertabu auch schon gebrochen. Studentinnen dürfen in knappsten Minis und großzügigsten Dekolletees über den Campus trippeln, aber was ein Mann ist, muss sich bedeckt halten.

Nirgendwo nimmt Amerika diese Regel ernster als am Strand. Briefs fallen hier eigentlich in dieselbe Kategorie wie "Thongs" - Tangas - gerne auch "Butt Floss" (Hintern-Zahnseide) genannt. Thongs und Briefs tragen nach einmütiger amerikanischer Strandbesucher-Überzeugung nur völlig Durchgeknallte, bekennende Schwule, ältere Herren, die seit den siebziger Jahren irgendwie nichts mehr mitkriegen, oder eben Nicht-Amerikaner. Alle anderen wollen nicht auffallen und geben sich mit Hosen zufrieden, die man hier Trunks nennt - was eigentlich "Schrankkoffer" bedeutet beziehungsweise "Kofferraum", und das erklärt schon alles: Trunks sind weite, unförmige Beinkleider, die in Kniehöhe enden, am besten im Wadenbereich. Sie erinnern an jene viktorianischen Zeiten, als man in voller Kluft baden zu pflegen ging, und sie lösen einen Überlebenskampf mit dem Element Wasser aus, weil sie den Schwimmer wie einen nassen Sack gnadenlos nach unten ziehen. Aufgrund dieser Unterleib-Burkas wird der Rest der Welt nie erfahren, ob amerikanische Männer knackige Hintern haben oder nicht.

Wie aber trainieren sie für Schwimm-Meisterschaften? Die Antwort lautet Speedo.

Der Bademoden und -accessoires-Hersteller kann die Puritaner-Attacken am Swimmingpool seit Jahrzehnten überstehen und feiert voriges Jahr sein 75. Firmenjubiläum.

Speedo gilt als Synonym für Profi-Schwimmsportmoden. Schon die Tatsache, dass Speedo die einzige Hose ist, die nicht als Pluralwort daherkommt - so wie Pants, Shorts, Jeans oder eben Trunks - beweist, dass es sich um ein sehr kurz geschnittenes Kleidungsstück handelt.

Profi-Schwimmer dürfen es unbeschadet tragen. Allerdings nur direkt im oder ganz nahe am Wasser.

Wer sich nicht anmaßen will, Profi-Schwimmer zu sein, folgt daher besser der Strandetikette. Die existiert selbst für Einjährige. Nicht weil die Windeln in weiten Badehosen besser Platz finden, sondern damit Mum & Dad von vornherein klarstellen können: "It's a boy!"

"Briefs are sissy", bescheinigt der 20-jährige Dennis, der mit Großraumhose und Surfbrett Venice Beach runterstolziert, "weibisch" also.

"In Briefs möchte ich nicht mal tot gefunden werden." Als "männlich" gilt demnach nur, wer absolut keine Männlichkeit erkennen lässt.

Um das zu verstehen, muss man wohl wiederum Amerikaner sein.

© SZ v. 10.08.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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