Wende im Holzklotz-Prozess:"Ich habe gelogen"

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Im Prozess um den tödlichen Holzklotzwurf bricht Nikolai H. erstmals sein Schweigen: Er habe ein falsches Geständnis abgegeben - ein Gutachter hält indes das Geständnis für glaubwürdig.

Der wegen des tödlichen Holzklotzwurfs von einer Autobahnbrücke angeklagte Nikolai H. will aus Angst vor Entzugserscheinungen ein falsches Geständnis abgelegt haben. Im Prozess vor dem Oldenburger Landgericht wurden am Dienstag zum ersten Mal Briefe des 31-Jährigen an seinen Verteidiger verlesen.

Belastet in seiner Aussage die Polizei schwer: der Angeklagte Nikolai H. (Foto: Foto: dpa)

Darin weist H. jede Schuld von sich und erklärte, sich ein Geständnis bei der Polizei nur ausgedacht zu haben. Er habe bekannt werden wollen und sei zudem von den Beamten unter Druck gesetzt worden. "Ich habe nichts auf die Autobahn geworfen." Polizisten hätten ihm bei seiner Verhaftung nicht erlaubt, die Ersatzdroge Methadon einzunehmen, die er im Kühlschrank gehabt habe.

Er werde erst vom Polizeiarzt Methadon bekommen, hätten sie gesagt. Er solle besser mit ihnen reden, dann bekomme er Kaffee und Zigaretten. Andernfalls werde er bis zum Abend in den Keller gesperrt. Aus Angst vor Entzugserscheinungen habe er dann mit ihnen gesprochen. "Ich unterschrieb alles, was sie mir hinlegten", schrieb er.

Der Vorsitzende Richter kommentierte die Schreiben unter anderem mit den Worten, der Angeklagte stehe mit seiner Darstellung ziemlich einsam da. Schon früher hatten Polizisten im Prozess erklärt, bei den Vernehmungen von H. sei es immer mit rechten Dingen zugegangen. Darüber hinaus zeigte er sich verwundert, dass der Anwalt zwei Briefe des Angeklagten aus den Monaten Januar und Februar erst jetzt überreichte.

Am Dienstag sollte ursprünglich ein Sachverständiger zur Glaubwürdigkeit des Angeklagten aussagen. Überraschend legte der Verteidiger von H. aber die Schreiben vor. Er forderte, die Briefe in dem Gutachten zu berücksichtigen.

Gutachter: Geständnis ist glaubwürdig

Damit stehen nun die Briefe des mutmaßlichen Holzklotz-Werfers gegen die Einschätzung eines Gutachters: Denn am Dienstag wurde außerdem die Meinung eines Psychologen zu der Glaubwürdigkeit des Angeklagten eingeholt. Der wiederum hält das Geständnis des mutmaßlichen Holzklotz-Werfers bei seiner polizeilichen Vernehmung für glaubwürdig. "Es spricht nichts gegen die Richtigkeit des Geständnisses", sagte der Berliner Psychologe Max Steller vor dem Landgericht Oldenburg.

Nach Ansicht des Berliner Psychologen enthält die Schilderung von Nikolai H. bei der Polizei viele Details, die damals in der Öffentlichkeit noch nicht bekanntgewesen seien - etwa das Verhalten des Ehemanns des Opfers unmittelbar nach dem Verbrechen. "Das Geständnis muss eine Erlebnisgrundlage haben."

Nach Auffassung von Steller stand Nikolai H. während seines Geständnisses bei der Polizei nicht unter Druck. Der Angeklagte sei zudem keine leicht beeinflussbare Persönlichkeit, die schnell zu Falschaussagen zu bewegen sei, sagte der 65-Jährige.

"Auch ist nicht zu erkennen, dass Angst vor Entzugserscheinungen zu einem falschen Geständnis geführt hat." Diesen Grund hatte der Drogenabhängige ebenfalls in seinen Briefen genannt. Hinweise auf "Scheinerinnerungen", dass er sich also einbildete, der Täter zu sein, entdeckte Steller ebenfalls nicht.

Erst vergangene Woche hatte ein anderer Gutachter festgestellt, dass Nikolai H. bei seinem Geständnis vor der Polizei voll vernehmungsfähig war. Psychiater Konstantin Karyofilis sagte, H. sei zwar seit Jahren heroinabhängig. Er habe seine Dosis aber nie gravierend erhöht und nur ein Gramm am Tag benötigt, womit die Abhängigkeit im unteren Bereich liege. Manche Zeugen hätten nicht einmal bemerkt, dass er abhängig war.

H. soll laut Mordanklage am Ostersonntag 2008 gezielt einen Holzklotz von einer Autobahnbrücke geworfen haben, als sich ein Auto näherte. Der Klotz durchschlug die Windschutzscheibe und tötete die 33 Jahre alte Olga K. Auf dem Beifahrersitz.

Nach einigen Tagen meldete sich H. als Zeuge. Er wollte den Holzklotz auf der Brücke gesehen und beiseite gestellt haben. Die Polizei hatte Zweifel an der Erklärung. Auf dem Grundstück von H. fanden sich ähnliche Holzklötze und Sand, wie er am Tatwerkzeug haftete. In den folgenden Vernehmungen legte er ein Geständnis ab und sagte, er habe wohl aus Frust gehandelt. Später widerrief er das Geständnis.

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