Waldschadensbericht:O Buchenbaum, wie dürr sind deine Blätter

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Keiner redet mehr vom "Waldsterben", aber die Bäume siechen in großer Zahl dahin. Ein Kommentar von Wolfgang Roth.

Von Wolfgang Roth

Hat im letzten oder im vorhergehenden Sommer noch jemand über bedrohliche Ozonwerte geredet? Merkwürdig: Vor einigen Jahren war das ein ausgesprochenes Reizthema.

Buchenwald im Naturschutzgebiet Schlaubetal. (Foto: Foto: dpa)

Seitdem ist es praktisch nicht mehr existent, obwohl der Straßenverkehr in Verbindung mit der Bullenhitze des Jahres 2003 reichlich für hohe Ozonwerte sorgte. Ob die Aura einer rot-grünen Regierung bewirkt, dass dieses Reizgas nicht mehr so schädlich ist? Vielleicht ist es aber auch so, dass die Aufregung über echte oder vermeintliche Bedrohungen der Umwelt eine kurze Halbwertszeit hat.

Redet eigentlich noch jemand über die kranken Wälder? Es ist populär geworden, den massenhaften Aufschrei über "das Waldsterben" nachträglich als hysterische Reaktion einzustufen, als gefühlig-romantische Regung einer sehr deutschen Gesellschaft.

"Steht der Wald nicht immer noch da wie eine Eins?", so tönte es in hämischen Zeitgeist-Kommentaren, "hat er nicht sogar an Masse zugenommen im Lauf der Jahre?" Merkwürdig: Buchen, Eichen und Fichten sind so stark geschädigt wie nie in der Nachkriegszeit, so steht es im aktuellen Bericht der Bundesregierung.

Es geht dem Wald beileibe nicht gut. Nur noch ein Viertel der Bäume kann als gesund bezeichnet werden. Und trotzdem hält sich die Aufregung sehr in Grenzen. Ein paar Naturschützer klagen, na gut, die Waldbauern und Förster sowieso.

Die jüngere Geschichte des Waldes geht so: Das griffige Wort vom Waldsterben hat immerhin dafür gesorgt, dass rasch etwas gegen den überaus schädlichen Ausstoß von Schwefeldioxid aus Kraftwerken und Fabrikschloten unternommen wurde; für weite Flächen im Erz- und Riesengebirge kam das zu spät, ansonsten aber wirkte es segensreich.

Woran sich bis heute nichts geändert hat, ist das übermäßige, weitgehend vom Verkehr und der Landwirtschaft verursachte Eindringen von Stickstoff in die Böden, die dadurch weiter versauern. Das ist gut für das Wachstum, aber nicht für die Gesundheit vieler Bäume, vor allem der älteren Exemplare. Insofern geht der Hinweis auf die schiere Masse fehl. Dass ein Mensch sehr groß und sehr dick ist, gilt gemeinhin auch nicht als Beweis seines Wohlergehens.

Komplexes Gefährdungspotenzial

In Verbindung mit anderen, natürlichen Schadensquellen ergibt sich so ein komplexes Gefährdungspotenzial. Oft spiegeln die jährlichen Ausschläge in den Berichten über den Zustand des Waldes die unterschiedlichen Wetterverhältnisse wider: Regen, Trockenheit, Hitze, Kälte.

Das Jahr 2003 mit seinen Hitze-Rekorden hat den vorgeschädigten Wäldern besonders zugesetzt. Das lässt nichts Gutes erwarten, weil die Prognosen der Klima-Forscher in einem Punkt eindeutig sind: Der Trend zur Erwärmung ist unbestreitbar. An dieser Tendenz ändern jahreszeitliche Schwankungen wenig.

So war es ein großes Glück im Unglück für die Wälder, dass sich die Borkenkäfer in diesem Jahr wegen des feuchten Wetters nicht in dem Ausmaß über die Stämme hermachten, wie es vorher befürchtet worden war.

Was tun? Dass sich in der Verkehrs- und Landwirtschaftpolitik Gravierendes ändert, ist nicht erkennbar; es fehlt der politische Wille und der entscheidende Rückhalt in der Bevölkerung. Am Klimawandel lässt sich auch so schnell nichts ändern, die bisher in die Welt geblasenen Treibhausgase wirken noch lange nach. Also sind Anpassungsstrategien gefragt.

Wenn naturnahe und robuste Wälder nachwachsen sollen, müssen jedenfalls die Wildbestände auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Faktisch sind viele Waldbesitzer der unwirksamen Jagdpraxis ausgeliefert, auch deshalb, weil die Abschusspläne kaum zu kontrollieren sind. Die Maxime "Wald vor Wild" steht in vielen schönen Papieren.

Wie ernst sie zu nehmen ist, wird sich zeigen, wenn die Forstreform in Bayern umgesetzt wird und die Novelle des Bundesjagdgesetzes heranreift.

© SZ vom 9.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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