Vierfachmord von Eislingen:"Wir waren das zusammen"

Lesezeit: 3 min

Geständnis im Vierfachmord von Eislingen: Einer der beiden Verdächtigen hat zugegeben, mit einem Freund dessen Familie getötet zu haben.

Bernd Dörries

Am Abend sind sie noch zusammen in der Kneipe gesessen, alle an einem Tisch. Damals waren es noch einfach der Vater, 57, die Mutter, 55, der Sohn und sein Kumpel. Eine scheinbar ganz normale Familie.

Polizeisprecher Rudi Bauer zeigt das Foto einer der beiden Tatwaffen und Munition (Foto: Foto: dpa)

Im Nachhinein betrachtet, saßen am Gründonnerstag Hansjürgen H. und seine Frau mit ihren mutmaßlichen Mördern zusammen. Mit Andreas H., 18, und Frederik H.,19, die zu diesem Zeitpunkt bereits die Töchter der Familie getötet hatten und die nun so taten, als sei nichts passiert. Soweit man weiß, war es ein gewöhnliches Beisammensein, die anderen Gäste des Lokals im baden-württembergischen Eislingen konnten keine Auffälligkeiten berichten.

Der Sohn Andreas und Frederik verabschiedeten sich, und gegen 0.30 Uhr am Karfreitag ging auch das Ehepaar H. nach Hause. Dort warteten Andreas und Frederik im Flur und eröffneten das Feuer. Die beiden Schwestern Annemarie, 22, und Ann Christin, 24, lagen da bereits tot vor dem laufenden Fernseher. Dreißig Schüsse für vier Menschen. So hat es die Polizei Göppingen bisher ermittelt.

Frederik H. habe gestanden, gemeinsam mit Andreas vier Menschen getötet zu haben, sagte Armin Reutter, der Leiter der Sonderkommission "Familie", am Freitag in Ulm. "Wir waren das zusammen", soll er gesagt haben. An den Händen von beiden Verdächtigen wurden Schmauchspuren gefunden. Andreas H. schweigt weiter, und so wissen die Ermittler zwar, wie sich die Tat abgespielt hat. Sie wissen aber nicht, warum. "Es gibt noch kein Motiv", sagte Reutter.

Andreas H. war eigentlich keiner dieser auffällig unanfälligen jungen Leute, wie zum Beispiel der Amokläufer von Winnenden einer war. H. ist ein recht gutaussehender junger Mann. Voriges Jahr schloss er die Realschule mit einem Preis ab und wechselte auf ein Wirtschaftsgymnasium, Frederik ging dort in die Parallelklasse.

Seit Jahren befreundet

Die beiden sind seit Jahren befreundet. Andreas war bei der DLRG aktiv und in der Kirchengemeinde. Vor einigen Monaten berichtete er im Gemeindezentrum in einem Diavortrag von seiner Reise auf dem Jakobsweg. Beide waren auch Mitglieder in der Schützengilde Eislingen. Sie haben im Verein nicht nur das Schießen gelernt, sondern sich dort offenbar auch die Tatwaffen besorgt.

Im Oktober 2008 war im Schützenhaus eingebrochen worden, 18 Waffen wurden gestohlen. Am Mittwochabend erzählte Frederik H. der Polizei erst von einem Versteck auf dem Dachboden eines Hauses in Eislingen. Später gestand er die Morde, sein Freund habe sich um das Verstecken der Tatwaffen gekümmert.

Am selben Tag fand die Polizei mit einem Spürhund das Versteck im Wald. In einem Plastiksack lag die Kleidung der beiden, die sie bei der Tat getragen hatten, außerdem zwei Pistolen und zwei Schalldämpfer. Frederik H. habe bei seiner Vernehmung einen "betroffenen Eindruck gemacht", sagte Reutter. Andreas H. hingegen sagt gar nichts.

Er hatte am Karfreitag selbst noch den Notruf gewählt und habe "ziemlich aufgelöst" geklungen, sagte Oberstaatsanwalt Christof Lehr. Als die Polizei eintraf, saß er von Weinkrämpfen geschüttelt auf dem Bordstein. Den Ermittlern geriet er aber schnell in Verdacht. Er und sein Freund verstrickten sich bei den gegenseitig abgegebenen Alibis in Widersprüche. Zwei Tage nach der Tat wurden beide verhaftet.

Über seinen Anwalt will Andreas erreichen, wieder aus der Haft entlassen zu werden. Zudem beantragte er, unter Aufsicht von Polizisten an der Beerdigung seiner Eltern an diesem Samstag teilnehmen zu können. Dies lehnte das Gericht ab.

Kein Bezug zu Winnenden

Die Opferfamilie war in Eislingen beliebt, der Vater hatte eine Praxis für Naturheilkunde, die Mutter war Lehrerin. Die beiden Schwestern studierten an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd. Von dort kamen auch die drei toten Lehrerinnen des Amoklaufs von Winnenden, das etwa 20 Kilometer von Eislingen entfernt ist. Die Polizei sieht aber keinen Zusammenhang zwischen den Taten.

Die Staatsanwaltschaft will nun auch prüfen, ob im Schützenverein gegen die Aufbewahrungsrichtlinien verstoßen wurde. "Dafür gibt es noch keinen Anhaltspunkt, sagte Staatsanwalt Lehr. Nach dem Einbruch in das Schützenhaus war sich die Polizei zwar schnell sicher, dass es sich bei den Tätern um Personen mit guter Ortskenntnis handeln müsse.

Gefunden hatte man sie jedoch nicht. Staatsanwalt Lehr sagte aber, die Polizei habe alles versucht. Er glaubt auch nicht, dass die Bluttat hätte verhindert werden können. "Ohne den Hinweis von Frederik hätten wir das Versteck auf dem Dachboden nie gefunden."

In den kommenden Wochen will die Polizei erneut versuchen, mit Andreas H. ins Gespräch zu kommen und ihn fragen, ob mit dem Einbruch bereits die Tatplanung begann und, vor allem, warum er seine eigene Familie auslöschte.

© SZ vom 18.04.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: