Vertauschte Kinder:Albtraum aller Eltern

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Ein Paar im Saarland hat herausgefunden, dass ihr Kind gar nicht ihres ist. Nun suchen 14 Familien nach einem vertauschten Baby.

Christoph Hickmann

Am frühen Sonntagnachmittag waren sie kaum einen Schritt weitergekommen in Saarlouis, trotz aller Spekulationen, Vermutungen und hilflosen Versuche zu erklären, was bislang unerklärlich ist. So viele hatten sich geäußert, Experten, Ärzte, selbst politisches Personal, doch die wichtigsten Fragen blieben offen:

Die St. Elisabeth-Klinik in Saarlouis: Hier sollen Babys vertauscht worden sein (Foto: Foto: ddp)

Welches der 14 in Frage kommenden Paare hat seit dem Sommer ein Kind aufgezogen, das nicht seines ist - ohne davon zu wissen? Und wie konnte das geschehen? Es gebe, sagte Heribert Frieling, "eine ganze Menge Fragezeichen". Frieling ist Sprecher der Marienhaus GmbH, zu der die St. Elisabeth-Klinik in Saarlouis gehört.

Vor einem halben Jahr kam dort ein Mädchen zur Welt, das mit einem anderen Baby vertauscht wurde. Der vermeintliche Vater wurde nach einiger Zeit misstrauisch, er vermisste bei dem Kind Ähnlichkeiten mit sich und ließ mit dem Einverständnis seiner Partnerin einen Test machen.

Seit Donnerstag haben die beiden eine Gewissheit, die sie nie haben wollten, seither werden sie psychologisch betreut. Und 14 weitere Paare fürchten, ebenfalls ein Kind aufgezogen zu haben, das nicht ihres ist.

Denn 14 weitere neugeborene Mädchen befanden sich in den Tagen vor und nach der Geburt in der St. Elisabeth-Klinik. Die Krankenhausleitung bat die Mütter dieser Kinder umgehend um einen DNS-Test, laut Frieling hatten am Sonntag bereits elf von ihnen eine Probe abgegeben. Bis sie jedoch ausgewertet sind, wird es acht bis zehn Tage dauern.

Pinke und hellblaue Bänder

Ursprünglich hatten die Klinik und das Jugendamt Saarlouis so genannte Screening-Proben analysieren wollen, die von jedem Neugeborenen am dritten Tag nach der Geburt genommen und anschließend anonymisiert gelagert werden. Dies aber hätte bis zu drei Wochen gedauert, und für die 14 Familien ist jeder Tag der Ungewissheit ein verlorener Tag - obwohl sie alle, so Sprecher Frieling, "relativ gefasst" reagiert hätten.

Parallel dazu läuft die Suche nach der Ursache. Dass die Babys bereits im Kreißsaal vertauscht wurden, schließt man im Krankenhaus "nach menschlichem Ermessen" inzwischen aus. Etwa 17 Stunden vor und nach der Geburt des Kindes sei dort kein anderes Mädchen zur Welt gekommen und damit gleichzeitig im Kreißsaal gewesen.

Unmittelbar nach der Geburt aber bekommt jedes neugeborene Kind ein Armband umgelegt, auf dem sein Name steht. Jungen bekommen ein hellblaues, Mädchen ein pinkfarbenes Band, das sie so lange tragen, bis die Mütter mit ihnen das Krankenhaus verlassen. Wer es abnehmen will, muss es durchschneiden.

Eltern warten und hoffen

Schon gibt es daher erste Spekulationen, jemand könnte die Armbänder absichtlich vertauscht haben, etwa im Säuglingszimmer. Nach Angaben der Klinik aber kommt man dort nur durch das Schwesternzimmer hinein und braucht zudem einen Schlüssel - ganz abgesehen von der Frage, wer überhaupt ein Interesse daran haben sollte, zwei gesunde Mädchen zu vertauschen.

Für die Möglichkeit allerdings, die Kinder könnten außerhalb des Krankenhauses verwechselt worden sein, spricht ebenfalls wenig: Eltern wissen zu einem solchen Zeitpunkt bereits sehr genau, wie ihr Kind aussieht.

Nun bleibt 14 Familien nur die Hoffnung, vor Weihnachten zu erfahren, dass ihr Baby wirklich ihr Baby ist - während ein Paar darauf wartet, doch noch das eigene Kind in die Arme zu nehmen.

© SZ vom 10.12.2007/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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