Versicherungsbetrug:Zweimal vom Auto überfahren - aus blinder Liebe

Lesezeit: 2 min

Weil seine Freundin die Invaliditäts-Entschädigung kassieren wollte, ließ sich ein Mann zum Krüppel fahren. Seine ehemalige Geliebte hatte ihn sogar überzeugen wollen, sich mit einer Kettensäge den Fuß abzuschneiden.

Von Michael Kläsgen

Es ist ein besonders bizarrer Fall von Versicherungsbetrug, über den an diesem Montag im Landgericht Bielefeld entschieden wird.

Es geht nicht um einen im Urlaub angeblich geklauten Koffer oder um einen absichtlich abgeschnittenen kleinen Finger.

In diesem Fall hat sich ein Gärtner aus blinder Liebe vor vier Jahren von seiner Freundin zum Krüppel fahren lassen, damit diese 750.000 Euro aus seiner Unfallversicherung kassieren konnte. Der 56-Jährige aus Bad Pyrmont selber hat nichts von dem ergaunerten Geld gesehen.

Der schwer depressive, suizidgefährdete Mann hatte sich im April 2001 auf Geheiß seiner Geliebten auf den Bordstein gesetzt, das linke Bein ausgestreckt und sich nach vorne gebeugt.

Ein Freund stemmte sich auf seine Schultern, damit er sich nicht bewegt, und Birigt K., 39, ihm mit einem Mercedes über Hand und Fuß fahren konnte. Dabei brachen der linke Unterschenkel und der linke Arm des Gärtners.

Zum Prozessauftakt hatte er unter Tränen ein Geständnis abgelegt und seiner einstigen großen Liebe Geldgier vorgeworfen. Der hagere Mann ist nun schwerbehindert, vor Gericht erschien er mit Krücken.

Er sagte, er könne aber wieder ohne Gehhilfen laufen. Dabei ist auch sein rechtes Bein lädiert. Denn der erste Versuch, ihn zum Invaliden zu fahren, schlug fehl.

Zwar brachen dabei sein rechter Oberschenkel und sein Sprunggelenk. Doch die Verletzungen war nicht so schwer, dass sich die Versicherung zum Zahlen veranlasst gesehen hätte.

Der Versicherung hatte das Paar nach dem Fehlversuch erklärt, der Mann sei beim Transport von Möbeln von der Treppe gestürzt. Doch ein Gutachter entschied, dass die Verletzungen damit nicht in Einklang zu bringen waren.

Die Zahlung blieb aus, und Heinrich J. musste sich von der arbeitslosen Näherin aus Hameln ein zweites Mal überfahren lassen.

Kettensägen-Vorschlag

Im Gerichtssaal berichtete der Mann mit leiser Stimme, seine ehemalige Geliebte habe ihn erst überzeugen wollen, sich mit einer Kettensäge den Fuß abzuschneiden. "Aber mich verließ der Mut. Birgit nannte mich einen Feigling", sagte der Vater von sechs Kindern.

"Nähe und Gewalt, Liebe und Hass, Unterwerfung und Ausbeutung" Er hatte auf Drängen seiner Freundin zwei Unfallversicherungen über eine Million Euro im Invaliditätsfall abgeschlossen. Mit dem Geld aus dem Versicherungsbetrug wollten sie Schulden begleichen. Zuvor hatte er 40.000 Euro von seinem Vater für Birgit K. erbeten.

Für die Hauptangeklagte forderte die Staatsanwaltschaft acht Jahre Haft wegen schwerer Körperverletzung. "Habgierig, geldgierig und berechnend hat sie ihn zu einem Objekt degradiert und ihn zutiefst menschenunwürdig behandelt", sagte der Staatsanwalt.

Der Prozess habe Einblicke in ein Beziehungsgeflecht geliefert, das Zutaten für einen Roman liefere: "Nähe und Gewalt, Liebe und Hass, Unterwerfung und Ausbeutung".

Dem Mann, der den Gärtner festhielt, drohen drei Jahre Gefängnis. Der Gärtner soll wegen Versicherungsbetrugs zwei Jahren zur Bewährung erhalten. Ein Gutachten hat ihm verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt.

Den größten Teil der 750.000 Euro soll die angeblich lesbische Näherin mit ihrer Lebensgefährtin durchgebracht haben. Die mitangeklagte Komplizin, eine Sozialtherapeutin, ist wegen versuchten Mordes vorbestraft.

Wo der Rest des Geldes ist, wollte Birgit K. in der Verhandlung nicht sagen. Über ihren Anwalt gab sie nur den schweren Versicherungsbetrug zu. Sie versuchte, sich auf verminderte Schuldfähigkeit zu berufen, weil sie als Kind missbraucht und in einer Ehe vergewaltigt worden sei. Der Richter kündigte an, ihr Schweigen werde sich negativ auf das Urteil auswirken.

© SZ vom 14.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: