USA:Schmerzen bis zuletzt

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Die Qualen bei einer Hinrichtung per Giftspritze sind offenbar größer als gedacht. Nun dürfen drei Todeskandidaten weiterleben - vorerst.

Christina Berndt

Die Rettung kam in den letzten Minuten, die für Arthur Rutherfords Leben vorgesehen waren. Von seinen Töchtern hatte er sich verabschiedet, nun lag er festgeschnallt auf einer Trage im Exekutionsraum des staatlichen Gefängnisses von Florida, die Kanüle der Giftspritze steckte in seinem Arm.

Die Todeskammer in Raleigh. (Foto: Foto: AP)

Es war 18.15 Uhr am Dienstagabend, der anvisierte Zeitpunkt für seinen staatlich angeordneten Tod war schon um 15 Minuten überschritten, als plötzlich ein Wächter in die Todeskammer kam.

Zum Erstaunen von Rutherfords Töchtern, der Zuschauer, der Presse und auch der Angehörigen jener Frau, die Rutherford vor zwanzig Jahren umgebracht haben soll, verkündete der Beamte: Der Delinquent werde nun doch nicht sterben. Noch nicht.

Der 56 Jahre alte Rutherford ist einer von drei Häftlingen im Todestrakt US-amerikanischer Gefängnisse, die in den vergangenen Tagen vom obersten US-Gericht Aufschub bekommen haben.

Die drei verurteilten Mörder, zwei aus Florida und einer aus Missouri, brachten mit Hilfe ihrer Anwälte alle das gleiche Argument vor: Die Hinrichtung per Giftspritze sei eine grausame Tötungsmethode.

Gegen die Vollstreckung der Todesstrafe an sich wollten die Verurteilten in ihrem letzten Aufbegehren gegen die staatliche Macht gar nicht mehr angehen.

Doch die Art der Tötung mit einem Giftcocktail aus drei Chemikalien widerspreche dem in der Verfassung festgeschriebenen Recht auf Schutz vor einer grausamen Bestrafung - so lautete ihr Einspruch, der der Supreme Court zunächst zum Innehalten bewegte.

Nun muss nicht nur ein Grundsatzurteil über die Zulässigkeit von Einsprüchen dieser Art in letzter Minute gefällt werden. Ein Berufungsgericht muss auch entscheiden, ob die Hinrichtung mit der Giftspritze tatsächlich ungewöhnlich grausam ist.

Die Anwälte der Todeskandidaten berufen sich auf eine Untersuchung, die Ärzte aus Miami vor zehn Monaten in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlicht haben. Demnach erleiden Menschen, die zu Tode gespritzt werden, mitunter entsetzliche Qualen.

In den USA erlebten zahlreiche Delinquenten ihre Exekution bei vollem Bewusstsein, beklagte Leonidas Koniaris von der University of Miami.

Schlamperei bei der Anästhesie

Dabei sollte diese Technik des Tötens besonders sanft sein. Vor Jahren schon hat die Giftspritze deshalb in den meisten Staaten, in denen die Todesstrafe zum Repertoire der Justiz gehört, archaischere Methoden wie den elektrischen Stuhl abgelöst.

Auslöser war vielerorts die Elektroexekution des übergewichtigen Allen Davis 1999 in Florida: Davis' Nase fing nach dem Stromstoß an zu zischen, Blut färbte sein weißes Hemd rot.

Wenn zum Tode Verurteilte aber durch die Spritze sterben sollen, ohne lange zu leiden, muss vor allem eines stimmen: die Anästhesie. Bei einer guten Narkose sollte der Todeskandidat während der eigentlichen Exekution bereits bewusstlos sein und keine Schmerzen empfinden.

Eben deshalb besteht die Todesspritze aus drei aufeinander folgenden Injektionen. Zunächst wird das Narkosemittel Thiopental gespritzt. Erst danach erhält der Verurteilte eine Substanz, die seine Muskeln lähmt, und schließlich Kaliumchlorid, damit das Herz zu schlagen aufhört.

Langsames Ersticken

Doch ausgerechnet bei der Anästhesie werde geschlampt, beklagten die Ärzte aus Miami im Lancet. "Ohne ausreichende Narkose aber spürt der Verurteilte, wie er langsam erstickt", bestätigte der Anästhesie-Professor Hans Georg Kress vom Allgemeinen Krankenhaus Wien der Süddeutschen Zeitung.

Der Mensch habe Todesangst, und das Kaliumchlorid könne "entsetzliche Schmerzen" verursachen. Wegen der lähmenden zweiten Injektion sei der Sterbende nicht einmal imstande, dies auszudrücken.

"Im Operationssaal überprüfen wir die Narkosetiefe, indem wir die Reflexe des Augenlids testen", erläutert Kress. Diese Mühe machen sich die staatlichen Henker in den USA jedoch nicht, wie Exekutionsprotokolle ergaben, die Leonidas Koniaris ausgewertet hat.

Bei Tieren verboten

Die Schlafmittel würden meist aus der Ferne zugeführt, ohne dass ihre Wirkung überprüft werde. Zudem würden die Exekutoren offenbar nie in Anästhesie geschult: Jeder zweite Hingerichtete habe so wenig Narkosemittel im Blut, dass er vermutlich bei vollem Bewusstsein gestorben sei.

Mancher Verfechter der Todesstrafe zeigt sich davon allerdings noch unbeeindruckt. So sagte ein Mitarbeiter des Bürgermeisters von Houston dem Houston Chronicle: "Ob die Hinrichtung schmerzhaft ist oder nicht, eines ist sicher: Sie ist weniger qualvoll als der entsetzliche Tod, den das Opfer durch die Hand des Angeklagten erlitt."

Gleichwohl haben 19 US-Staaten lähmende Substanzen, wie sie in der zweiten Stufe der Todesspritze verwendet werden, zum Töten von Tieren verboten.

© SZ vom 3.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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