Urteile in den Fällen Tim und Justin:Verbrüht und erschlagen

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In zwei Fällen dramatischer Tötungen von Kindern durch ihre Stiefväter haben Gerichte in Bochum und Itzehohe ihre Urteile gesprochen - und die Angeklagten für viele Jahre hinter Gitter geschickt.

Sechzehn Monate nach dem gewaltsamen Tod des kleinen Tim aus Elmshorn hat das Landgericht Itzehoe den Täter zu elf Jahren Haft verurteilt. Damit blieb die Kammer um zwei Jahre unter dem ersten Urteil. Das Landgericht hatte den Mann bereits im März 2006 rechtskräftig wegen Totschlags verurteilt.

Ein Bild des kleinen Tim vor dem Landgericht in Itzehoe. (Foto: Foto: dpa)

Der ehemalige Lebensgefährte von Tims Mutter hatte den Jungen im November 2005 in einer Wohnung in Elmshorn so geschüttelt, dass sein Kopf mehrfach gegen eine Wand schlug. Das Kind starb an den Folgen einer schweren Hirnprellung.

Der Bundesgerichtshof hatte das erste Urteil wegen Rechtsfehlern teilweise aufgehoben. In der Neuauflage des Verfahrens mussten die Richter am Itzehoer Landgericht nur noch über die Höhe der Strafe befinden. Die zweite Hauptverhandlung habe keine neuen Erkenntnisse gebracht, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.

"Kasernenhofartige Befehle"

In beiden Verfahren kamen die Sachverständigen in ihren Gutachten übereinstimmend zu dem Schluss, dass der kleine Tim vermutlich nicht lange gelitten hatte. Nach den Verletzungen sei er wahrscheinlich schnell bewusstlos geworden, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.

Der Ex-Freund der Mutter hatte den Zweijährigen im November 2005 für mehrere Tage in seiner Obhut, um nach eigener Aussage die mit Erziehung überforderte Frau zu entlasten und dem Kind "Benehmen beizubringen". Er versuchte in dieser Zeit den Jungen mit "kasernenhofartigen Befehlen zu drillen", so das Gericht.

Dabei schüttelte er den kleinen Jungen und schlug ihn mehrfach gegen eine Wand. Tim war wenige Stunden später an den Folgen einer schweren Hirnschwellung gestorben. Die Leiche des Jungen packte der Mann einen Tag nach dem Tod in eine Sporttasche und versteckte sie einem Garten in der Nähe von Tims Zuhause.

Angeklagter bestreitet die Tat

"Nach wie vor sagt er, er sei es nicht gewesen", sagte der Verteidiger des Angeklagten im Anschluss an die Verhandlung. Der Täter behauptete, er habe Tim am Morgen des 9. November tot auf dem Sofa in seiner Wohnung entdeckt. Am Abend zuvor sei der Junge beim Duschen gestürzt und habe sich dabei leicht am Kopf verletzt. Die Anklagebehörde ist mit dem neuen Urteil "nicht vollkommen zufrieden", sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Zepter.

Er könne die wesentlichen Gründe für die Herabsetzung der Strafe nicht nachvollziehen. "Der selbe Sachverhalt und die selben Strafzumessungsgründe, aber zwei verschiedene Urteile", sagte er im Anschluss an die Verhandlung. Die Staatsanwaltschaft werde prüfen, ob sie gegen das neue Urteil in Revision gehen werde.

Lebenslänglich für die Ermordung Justins

Wegen der tödlichen Verbrühung des sieben Monate alten Justin hat das Landgericht Bochum den Stiefvater und die Mutter des Kindes am Montag wegen Mordes verurteilt. Der 29-jährige Peter J. erhielt eine lebenslange Haftstrafe, die 23-jährige Mutter Katrin S. elf Jahre Gefängnis wegen Mordes durch Unterlassen.

Das Baby war im November 2005 von dem arbeitslosen Dachdecker aus Bochum zwei bis drei Minuten lang mit 60 Graß heißem Wasser verbrüht worden. Justin kämpfte rund 15 Stunden mit dem Tod, bis er an Herz-Kreislauf-Versagen starb. "Der Angeklagte hätte wissen können und müssen, dass eine derartige Behandlung des Kindes zum Tod führen kann", sagte der Vorsitzende Richter Joachim Mankel in seiner Urteilsbegründung.

Erschwerend komme hinzu, dass zunächst weder der Stiefvater noch die Mutter Hilfe geholt hätten, weil sie befürchteten, das Jugendamt könnte ihnen das Sorgerecht entziehen. "Das Kind hat vor Schmerzen geschrieen und war den Angeklagten vollkommen ausgeliefert", sagte der Richter.

Erst als Justin kaum noch atmete, hatte die 23-Jährige einen Notarzt gerufen. Der konnte jedoch nur noch den Tod des Kindes feststellen. Zuvor hatte das Paar versucht, die Verbrennungen des Babys mit Brandsalbe zu behandeln.

Den Anträgen der Staatsanwaltschaft gefolgt

Mit seinem Urteil folgte das Bochumer Schwurgericht den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Die Verteidiger hatten Bewährungsstrafen wegen fahrlässiger Tötung gefordert, weil die Angeklagten aus Versehen und nicht vorsätzlich gehandelt hätten. Das Paar selbst hatte in dem fast sieben Monate dauernden Prozess von einem Unfall gesprochen.

Peter J. hatte vor Gericht angegeben, er habe nur den Kreislauf des Kindes in Gang bringen wollen. Daher habe er Justin heiß und kalt abgeduscht. Das Gericht sah es jedoch als erwiesen, dass der 29-Jährige offenbar in Rage geriet, weil der Junge beim Duschen quengelte. Daher drehte er den Hahn auf und richtete den heißen Strahl auch auf Gesicht und Mund des Jungen. 35 Prozent der Haut wurden dabei verbrüht. Danach hätten sich großflächige Hautpartien gelöst, die vom Boden aufgefegt werden mussten, sagte der Richter.

Nur fünf Monate zuvor war das Baby bereits wegen eines Oberschenkelbruches in einem Krankenhaus in Herne behandelt worden. Die Eltern hatten erklärt, Justin habe sich am Gitter seines Bettchen verletzt. Ärzte machten das Jugendamt jedoch schon damals auf einen möglichen Fall von Kindesmisshandlung aufmerksam.

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