Unglück:Tödliche Raserei

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Spuren vermeidbaren Leids: die Fliethstraße in Mönchengladbach nach dem fatalen Autorennen. (Foto: Theo Titz/dpa)

Bei einem nächtlichen Autorennen durch die Innenstadt von Mönchengladbach stirbt ein Fußgänger - wieder einmal

Von Thomas Hummel, München

Es gibt wenige Vorfälle, die in der Bevölkerung so viel Zorn hervorrufen wie illegale Autorennen auf öffentlichen Straßen. Wenn sich zwei oder mehrere meist junge Männer in ihre getunten Wagen setzen und Vollgas geben wie in einem Actionfilm. Die Menschen in der Szenerie, die anderen Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, sind dann aber keine bezahlten Stuntleute, die sich im letzten Moment mit einem Hechtsprung retten. Sondern ganz normale Bürger. Es kann jeden treffen. So wie am Freitagabend in Mönchengladbach.

Ein 38-jähriger Mann überquert gegen 23 Uhr die Fliethstraße nahe dem Hauptbahnhof, dort gilt wegen Lärmschutz für Autofahrer Tempo 40. Wer rechnet da mit zwei Autos, die mit wesentlich höherer Geschwindigkeit aus der Gladbacher Innenstadt heranrasen? Mit zwei Autos, die sich auf der vierspurigen Straße ein Rennen liefern? Der Mann wird von einem der beiden Wagen erfasst und stirbt noch an der Unfallstelle. Die Debatte um höhere Strafen für Raser dürfte dieser Fall anheizen.

In den Jahren 2015 und 2016 gab es in Deutschland mehrere Tote und Schwerverletzte, weil es bei illegalen Rennen zu Unfällen kam. Im Internet verbreiten die Raser Videos ihrer Rennen und brüsten sich mit ihren Aktionen. Meist sind sie männlich, zwischen 18 und 25 Jahre alt und stammen aus sozial schwierigen Verhältnissen.

Ein Rennen auf öffentlichen Straßen? Bisher nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit

In Mönchengladbach weiß die Polizei noch kaum etwas. Es habe allerdings Zeugen gegeben, sagte ein Sprecher. Sie hätten ausgesagt, dass ein schwarzer und ein silberner Seat an dem Rennen beteiligt waren. Etwa drei Kilometer seien die Fahrer durchs Zentrum Mönchengladbachs gerast, auf der Fliethstraße habe der silberne Wagen vorne gelegen, sei in der Mitte der zweispurigen Fahrbahn gefahren und habe durch Schlingern versucht, den Kontrahenten am Überholen zu hindern. Deshalb wechselte der Fahrer des schwarzen Seats, ein 28-jähriger Mann, auf die Fahrbahn des Gegenverkehrs. Dass vor ihm ein Fußgänger die Straße überquerte, bekam er nicht oder zu spät mit.

Der 28-jährige Fahrer stellte sich der Polizei. Er kam nach Stunden wieder auf freien Fuß und sei am Samstagmorgen von seinem Vater bei der Polizei abgeholt worden, er müsse sich nun einem Strafverfahren stellen, sagte der Polizeisprecher. Im Auto habe noch sein Bruder gesessen, der habe strafrechtlich nichts zu befürchten, wenn ihm nicht nachgewiesen werde, dass er aktiv etwa durch Anfeuerungsrufe in das Geschehen eingegriffen habe.

Der Fahrer des silbernen Seat war nach dem Unfall geflüchtet, die Polizei fahndete am Sonntag noch nach ihm. Der 28-Jährige soll zu seinem Kontrahenten nicht viel ausgesagt haben. Ob die beiden Männer sich kannten oder spontan zu einem Rennen verabredeten, ist unklar. Die Rheinische Post berichtet, der 28-Jährige habe erklärt, er sei etwa 60 bis 70 Stundenkilometer schnell gefahren, Zeugen allerdings berichten von deutlich höherer Geschwindigkeit. Ein Sachverständiger soll das klären.

Bei illegalen Rennen ist die Rechtslage in Deutschland unklar. Zwar kann ein Fahrer, wenn Unbeteiligte zu Schaden kommen, wegen Körperverletzung angeklagt werden. Doch die Teilnahme an einem Rennen auf öffentlichen Straßen stellt an sich nur eine Ordnungswidrigkeit dar. Wer erwischt wird, muss mit einem Bußgeld von 400 bis 500 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot rechnen. Gerichte fahren allerdings bereits seit einiger Zeit eine härtere Linie, besonders, wenn Unbeteiligte verletzt oder gar getötet worden sind. Am Donnerstag wird zu einem Fall in Köln nun eine höchstrichterliche Entscheidung vom Bundesgerichtshof erwartet. Bei einem Autorennen zweier junger Männer 2015 im Stadtteil Deutz war eine Radfahrerin ums Leben gekommen. Das Landgericht verurteilte die Fahrer wegen fahrlässiger Tötung zu zwei und eindreiviertel Jahren auf Bewährung. Sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch die Verteidigung legten Revision ein.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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