Türkischer Karnevalsverein:Döner und Kamelle

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Jetzt sind die Jecken los: Der erste türkische Karnevalsverein ist aus der Narrentaufe gehoben und will vor allem eines - deutsche Karnevalstraditionen hochhalten.

Cornelius Pollmer

Am Freitagvormittag verhängte Aytac Arman kurzerhand einen Informationsstopp. In einer Pressemitteilung wandte sich der Sprecher des "1. Türkischen Narrenzunft Dortmund 09 e.V." an die Medien - passagenweise klang es wie ein Hilferuf.

Döner statt Kamelle: offizielles Logo der ersten türkischen Narrenzunft - mit bilateraler Narrenkappe und Tomaten auf den Augen. (Foto: Foto: dpa)

Die türkische Narrenzunft sei mit Medienanfragen aus ganz Europa "überrannt" worden, schrieb Arman. 30 Anfragen waren seit dem späten Donnerstag bei dem speziellen Jeckenverein eingegangen, von der lokalen Presse im Ruhrpott bis zum türkischen Abendfernsehen. Da alle Mitglieder der türkischen Narrenzunft voll arbeiten müssten, bitte er um Verständnis, dass man vorerst keine Einzelinterviews geben werde. Am Sonntag gab es dafür eine kurzfristig anberaumte Pressekonferenz in einem Dortmunder Hotel.

Schnäuzer auf der Motorhaube

Wer die helle Aufregung verstehen will, muss zurückblicken: Im Januar hatte der Privatsender RTL mit einer verkappten Promotion-Aktion die Öffentlichkeit genarrt. Da hatte der angeblich "Erste Türkische Karnevalsverein" die Erweiterung des Dreigestirns Prinz, Bauer und Jungfrau um einen Türken gefordert - und als Mottowagen für den Rosenmontagsumzug ein tiefergelegtes BMW-Cabrio mit überdimensionierten Schnäuzer auf der Motorhaube ins Spiel gebracht.

In Wahrheit aber wollten die getürkten Türken nur eines erreichen: einen kräftigen Trommelwirbel für eine neue RTL-Show.

Diesmal sind die türkischen Narren offenbar echt - und keine Erfindung des deutschen Privatfernsehens. Der Dortmunder Notar Axel Pohlmann bestätigte der Deutschen Presseagentur, dass am Mittwochabend die Gründungsmitglieder einen offiziellen Antrag auf Eintrag in das Vereinsregister unterzeichnet hätten. Den werde er nun beim Amtsgericht einreichen.

Der glaubwürdigste Beleg für die Ernsthaftigkeit der Neugründung allerdings heißt Aykut Akköse. Der 33-jährige Unternehmer ist so etwas wie ein Pionier türkischer Karnevalisten in Deutschland: 2008 stieg er in Beckum zum ersten türkischstämmigen Karnevalsprinzen Westfalens auf. Jetzt zeichnet er als Vereinsvorsitzender der neuen türkischen Narrenzunft zu Dortmund verantwortlich.

Als die RTL-Narren Anfang des Jahres auf den Plan traten, warnten Traditionalisten vor dem Knock-out des abendländischen Karnevals. Sie wähnten einen "clash of civilisations". Die rechtspopulistische Gruppierung Pro Köln spottete, dass man sich wohl auf ein "Burka-Gebot für Karnevalistinnen" werde einstellen müssen. Oder schlimmer noch: auf ein "Alkoholverbot bis Ende Februar".

Bützjen statt Burkas

Davon kann nun bei der neuen multikulturellen Spaß-Initiative aus Dortmund nicht die Rede sein. Die Richtlinienkompetenz der türkischen Narrenzunft dürfte bei Aykut Akköse liegen: Der aber setzt auf Bützjen (Küsse) statt auf Burkas - und, in Maßen, auch auf Alkohol statt Abstinenz.

Auf der Webseite des Vereins steht geschrieben, man wolle keine eigene Karnevalskultur entwickeln. Und weiter: "Egal ob Funkenmariechen, Bützjen oder Rosenmontagszug: Wir feiern Fastnacht, mit allem was traditionell dazugehört." Gerne greife man aber auch einmal auf die eigenen Traditionen zurück und engagiere beispielsweise für eine Karnevalssitzung eine Bauchtänzerin. "Wir picken uns aus jeder Kultur das Beste raus", freut sich Akköse auf der sonntäglichen Pressekonferenz.

Anfangs sei es noch eine Schnapsidee gewesen, den letzten Ausschlag habe dann eine RTL-Satire über türkische Karnevalsmuffel gegeben. "Die türkischen Mitbürger gehen doch nicht zum Lachen in den Keller. Wir können genau so Spaß haben, wie alle anderen auch", sagt Aytac Arman, Pressesprecher der Narrenzunft und am Sonntag als Clown verkleidet.

Die türkischen Jecken wollen eine Hemmschwelle abbauen und andere Nationalitäten in Deutschland anspornen, ebenfalls Karneval zu feiern. Alle seien daher eingeladen dem Verein beizutreten, um auch einmal über sich selbst zu lachen.

Für 2009 begnügt sich der Verein mit kleinen Vorhaben und sucht für den Rosenmontagszug noch einen Dortmunder Karnevalsverein zum Mitfahren. "Wir sind keine 72 Stunden alt und konnten für dieses Jahr noch nicht viel vorbereiten", erklärt Schriftführer Hakan Kartal.

2010 soll es dann mit voller Kraft losgehen. "Wir wollen es zukünftig zur fünften Jahreszeit so richtig krachen lassen: Herrensitzungen, Kostümwettbewerbe, Tanzveranstaltungen und Prinzenwahl", heißt es auf der Webseite des Vereins. Entsprechend seien die Bildung von Elferrat, Karnevalskapelle und Abteilungen für Tanzsport und Jugend bereits geplant.

Ein Logo haben die türkischen Novizen aber schon jetzt: Ihre Narrenzunft ziert ein Döner mit Flügeln und zwei Tomaten als Augen. Es darf gelacht werden.

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