Treibhauseffekt:Wohlfühl-Klima für gefährliche Erreger

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Mit dem Klimawandel könnten tropische Leiden in Deutschland heimisch werden, warnt das Umweltbundesamt.

Von Christina Berndt

Für einen kleinen Jungen könnte der Klimawandel schon auf drastische Weise konkret geworden sein. In Aachen ist ein 15 Monate alter Säugling an der gefürchteten Parasiten-Infektion Leishmaniose erkrankt, und in einem Krankenhaus in Duisburg hat sich eine Frau mit Malaria angesteckt.

Dabei haben sich die Patienten ihre Krankheiten keineswegs als Reiseandenken aus den Tropen mitgebracht. Vielmehr beginnen sich die Erreger und Überträger solcher Leiden langsam auch in Deutschland wohlzufühlen.

"Wir wollen keine Panik verbreiten", sagt Walter Maier, Leiter des Instituts für Medizinische Parasitologie an der Universität Bonn. "Aber es gibt Belege für die Ausbreitung dieser Krankheiten nach Norden. Wir sollten ein Auge darauf haben."

Maier hat im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) untersucht, wie weit sich die Erreger und Überträger tropischer Krankheiten im wärmer werdenden Mitteleuropa ausgebreitet haben. "Das Risiko, an einer Vielzahl neuer oder in Deutschland als ausgerottet geltender Infektionen zu erkranken, besteht bereits jetzt", folgert das UBA aus Maiers Studie, die es jetzt veröffentlicht hat.

Blumen beginnen früher zu blühen, Bäume sind länger grün, Mücken vermehren sich freudiger und Singvögel treibt es erst später in den Süden: Zahlreiche Tiere und Pflanzen haben ihr Verhalten verändert, seit die Winter in Mitteleuropa milder und die Sommer heißer geworden sind.

Einleuchtend, dass das auch für Überträger von Parasiten gilt. Und so kann die Sandmücke inzwischen auch in Deutschland die Leishmaniose verbreiten; die Tigermücke, die das Dengue-Fieber überträgt, wurde bereits in Frankreich gesichtet und Raben mit West-Nil-Virus krähen in Großbritannien.

Immerhin können schon kleine Temperaturänderungen die Vermehrung beeinflussen: Eine Anopheles-Mücke etwa - die Überträgerin der Malaria - braucht bei 20 Grad Celsius fast drei Wochen für ihre Entwicklung vom Ei zum Blutsauger. Bei 31 Grad schafft sie es in sieben Tagen.

"Krankheiten könnten in Deutschland durch Klimaveränderungen zum Problem werden", warnt Maier deshalb. Doch zugleich betont er: "Die einzelnen Ausbrüche tropischer Leiden und die Ausbreitung ihrer Überträger lassen sich nicht eindeutig auf den Klimawandel zurückführen."

Auch andere Umweltveränderungen - wie die Rekultivierung von Mooren oder die Renaturierung von Flüssen - biete Mücken und Vögeln wieder bessere Bedingungen. Schließlich war die Malaria bis in die 20er-Jahre hinein in Deutschlands Mooren heimisch. Das kann sie schnell wieder werden.

"Der Bericht ist mir etwas zu dramatisch", sagt Bernhard Fleischer, Direktor des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin. "Der Grundtenor aber ist völlig richtig: Man muss was tun."

Wie Maier plädiert er dafür, die Ausbreitung der Nager und Insekten zu überwachen. Nur so ließen sich Strategien zum Infektionsschutz ausarbeiten. "Man darf nicht immer sagen, das wird schon", warnt Maier. "Sonst werden wir plötzlich von Krankheitsausbrüchen oder gar Epidemien überrascht."

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