Teurer Sprit:Esel statt Diesel

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Birkenholz im Tank, Formel-1-Autos mit Hybridantrieb, Fleisch aus dem Labor und streikende Fahrlehrer - die Energiekrise und ihre weltweiten Auswirkungen.

Strom, Gas, Benzin, Öl, Lebensmittel - fast alles wird ständig teurer. Jenseits deutscher Debatten um Pendlerpauschalen und Atomenergie führt das Problem weltweit zu manchmal kuriosen, manchmal aber auch eher tragischen Geschichten.

Der Trecker bleibt im Schuppen: Mit dem Esel den Acker bewirtschaften. (Foto: Foto: Istock)

Türkei Das Dorf Lök. Zentralanatolien. Bauer Sariakca ("Goldstück") klopft mit der linken Hand auf den Traktor: "Kein Tropfen Diesel mehr drin. Können wir uns nicht mehr leisten." An der rechten Hand führt er einen Esel. Zu sehen im türkischen Sender ATV. Genau, sagt Bauer Delibasi ("Wirrkopf"): "Wir reiten jetzt wieder unsere Esel auf die Äcker." Esel also. Brauchen kein Diesel. Bis zum letzten Jahr gab es 50 im Dorf. Jetzt sind es 100. Nun steigt nicht nur der Preis für Diesel, jetzt steigt auch der für Esel. Gerade noch kriegte man einen für 50 Lira (27Euro), jetzt wollen die Händler schon das Drei- und Vierfache. Und das ist nicht das einzige Problem. Fürs Fernsehen schwingt sich der Bauer Goldstück auf sein Prachtstück - und fällt prompt auf der anderen Seite wieder runter. Zu lange Traktor gefahren.

USA Text: Martin Zips

In Holly Springs im US-Bundesstaat Georgia müssen Temposünder ab sofort neben einem Strafzettel 12 Dollar "Benzinpreisaufschlag" bezahlen. Damit will die Polizei die Ausgaben wieder reinholen, die ihr entstehen, wenn sie Rasern auf der Landstraße hinterhereilt. Tankstellenpächter plagen ganz andere Sorgen: Eine Gallone Benzin kostet mittlerweile oft mehr als 4 Dollar. Es existieren aber landesweit noch 17000 alte Zapfsäulen, welche maximal 3,99 Dollar anzeigen können. Sie sollen ausgetauscht werden. Und weil kaum ein Tankstellenpächter bisher große 4-er-Ziffern für die Benzinpreisangabe an der Einfahrt benötigte, müssen auch diese schleunigst nachbestellt werden. Bis die neuen Ziffern eingetroffen sind, muss die 4 mit der Hand aufgemalt werden. Landesweit verzeichnet die US-Polizei zudem einen Anstieg der Unfälle mit elektronisch betriebenen Golfwagen. Gleichzeitig, so wird gemeldet, soll sich die Zahl der Online-Studenten an vielen Colleges wegen der gestiegenen Energiekosten gegenüber dem Vorjahr verdoppelt haben. Das könnte heißen: Wer es finanziell überhaupt noch auf den Campus schafft, der reist mit dem Golfwagen.

Russland Text: Sonja Zekri

In Jaroslawl, östlich von Moskau, solidarisieren sich sogar die Sicherheitskräfte - zumindest jagen sie den Konvoi nicht gleich auseinander. 300 Autofahrer rollen in 250 Wagen durch die Stadt, hupen drohend an der Raffinerie. Auch in Tomsk und Tschita, Wladiwostok und Moskau, insgesamt in 50 Regionen Russlands demonstrieren Autofahrer regelmäßig gegen die Spritpreise. 15 Rubel, 40Cent, wären sie bereit zu zahlen. Aber inzwischen kostet der Liter das Doppelte und wird wohl bald die Ein-Euro-Marke nehmen. Deshalb verkleben sie demonstrativ ihre Tanks, sammeln sich zum "Marsch der leeren Kanister" und schwenken Plakate mit Slogans wie "Billiger Sprit für ein ölproduzierendes Land!" Es ist ein rarer Ausdruck von Unmut in einer Gesellschaft, die ihre neuen materiellen Spielräume genießt, die sie - Ironie der Globalisierung - ausgerechnet den steigenden Öl-Preisen verdankt.

Schweden Text: Gunnar Herrmann

Warum teures Benzin importieren, wo daheim genug Brennbares wächst, denkt sich Tore Blomqvist aus dem nordschwedischen Östersund. Ein schwarzer Zylinder ragt aus seinem Kofferraum. Ein Holzvergaser, der heimische Bäume in brennbares Gas verwandelt, das den Motor seines Volvo 142 antreibt. Holzgas wurde schon im Krieg genutzt, als Benzin knapp war. "Am besten funktioniert trockene Birke", sagt der Bastler der Lokalzeitung Östersunds-Posten. Etwa 50 Liter benötigt er auf 100 Kilometern. Nicht wirklich sparsam, denn ein Liter Kamin-Brennholz kostet etwa 18 Cent. "Aber wenn man Bäume selber hackt, ist es nicht teuer", so Blomqvist. Mit dem TÜV hat er keine Probleme. Der sieht in dem 30 Jahre alten Volvo sogar ein "Umweltauto". Damit genießt der Wagen Steuervorteile und muss in Stockholm keine City-Maut zahlen - sollte er jemals bis dorthin fahren.

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Indonesien Es gab Zeiten, da produzierte Indonesien mehr Öl, als es brauchte, und exportierte einen schönen Teil davon. Nun braucht es alles, muss gar welches importieren. Als die Regierung nun unter dem Druck des hohen Ölpreises gezwungen war, die Preise etwas dem Markt anzupassen, gingen nicht etwa die 18 Millionen Ärmsten Indonesiens auf die Straße - sie ließen sich mit einer kleinen Barsumme ruhig stellen. Nein, es waren die Studenten. Es brannten Pneus, es klirrten Schaufensterscheiben in Jakarta. Die größte Kritik kam jedoch von den Reichen aus der Auto fahrenden Elite im Land. Die ist noch immer klein und könnte sich auch den höheren Preis gut leisten. Doch ihr geht es um die Macht der Gewohnheit.

Frankreich Text: Gerd Kröncke

Die Pariser sind in den letzten zwölf Monaten ganz erheblich umweltbewusster geworden. Gerade nämlich wurde "Vélib" ein Jahr alt. Alle fahren mit dem Fahrrad, es gilt als zunehmend weniger cool, das Auto zu benutzen. 200000 Abonnenten teilen sich 16000 Fahrräder, 26 millionenmal hat jemand in diesem Jahr so ein Rad geliehen, was ja an fast jeder Straßenecke möglich ist. Da ändert sich langsam die ganze Verkehrskultur, und wenn man hochrechnet, werden die Autofahrer irgendwann in der Minderheit sein. Dabei hat man sich als passionierter Fußgänger und Busfahrer schon immer gefragt, wo all die Autos parken, an denen die Stadt erstickt. Andererseits hat die neue Fahrradmode auch ihre Schattenseiten. An die 3000 "Vélib"-Räder sind bisher schon geklaut worden. Manche wurden in einem Dorf im Maghreb oder in Rumänien gesichtet. Aber das hat weniger mit Energiesparen als mit kleinkrimineller Energie zu tun.

Brasilien Text: Peter Burghardt

Wenn brasilianischen Autofahrern das Benzin zu teuer wird, dann tanken sie Alkohol. Die meisten Gefährte im größten Land Lateinamerikas bewegen sich auch mit Ethanol, das aus Zuckerrohr hergestellt wird, wie Schnaps riecht und deutlich weniger kostet als der gewöhnliche Sprit. Bei der Mehrheit der neuen Modelle darf sogar beides zusammen geschüttet werden - den sogenannten Flex-Fuel-Motoren ist die Mischung egal. Ein neues Modell (Fiat Siena TetraFuel) verträgt dazu auch noch Erdgas. Andere können von Benzin auf Gas umschalten, während der Fahrt. Allerdings ist Ethanol angesichts zerstörerischer Zuckerrohrplantagen für Umwelt und Geldbörse nur ein zweifelhafter Gewinn. Zuckerrohrschnaps ist ansonsten als Cachaca im Caipirinha zu empfehlen.

England Text: Marc Felix Serrao

Dass Engländer schräg sind, ist bekannt. Die Tochter des Ingenieurs Jack Odell (1920-2007), zum Beispiel, nahm am liebsten lebende Spinnen mit zur Schule, versteckt in einer Streichholzschachtel. Der besorgte Vater bastelte rasch einen Ersatz auf Rädern, das erste "Matchbox-Auto". Nicht nur die kleine Miss Odell war begeistert. Seit 1952 wurden von dem Spielzeugauto drei Milliarden Stück hergestellt. Heute ist Matchbox-Hersteller Mattel mit 4,5 Milliarden Euro genauso viel wert wie General Motors, der größte Autohersteller der Welt. Vielleicht sollte man künftig also besser in das gute alte britische Spielzeugauto investieren - statt in einen ziemlich uncoolen Benziner.

Indien Text: Oliver Meiler

Das indische Eisenbahnnetz ist riesig, übernommen von den Briten, und bis heute vielfach noch auf dem Stand wie vor 61 Jahren, der Zeit beginnender Unabhängigkeit. Die Distanzen sind gewaltig, die Reisen lang. Billigfluggesellschaften revolutionierten das Leben der Mittelschicht, in den letzten Jahren war Fliegen oft billiger als Zugfahren. Doch nun erhöhen viele Airlines wegen des hohen Treibstoffpreises ihre Tarife, dünnen ihr Streckennetz aus, einige sind gar in ihrer Existenz bedroht. Die Eisenbahnen vermelden deshalb eine Trendwende - triumphierend. Und sie bauen neue Schienen und Züge. Sie bauen an den Träumen jener 800 Millionen Inder, die sich auch das billige Fliegen niemals leisten konnten.

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China Mitten in der Fahrstunde trat der Lehrer auf die Bremse. "Es waren erst 30 von 60 Minuten meiner Fahrstunde vorbei, aber er zwang mich anzuhalten", sagt Yang Li. Der Fahrlehrer entschuldigte sich. Es tue ihm sehr leid, aber bei dem Benzinpreis würde seine Fahrschule bald bankrott machen. "Er fragte mich, ob ich mir zum Weiterüben das Auto eines Freundes ausleihen könnte", sagt die 35-jährige Buchhalterin einer Exportfirma im ostchinesischen Qingdao, "oder ob ich nicht das nächste Mal im eigenen Auto kommen könnte." Sie stieg wütend aus. Treibstoff ist in der Volksrepublik immer noch heftig subventioniert und viel billiger als in anderen Ländern. Zuletzt kostete der Liter Normalbenzin 6,25 Yuan (58Cent).

Niederlande Text: Lenz Koppelstätter

Henk Haagsman hat eine Vision. Er will künstliches Fleisch herstellen und damit den Welthunger stillen, die Umwelt schonen und den Energieverbrauch verringern. Die herkömmliche Fleischproduktion frisst ja enorme Energieressourcen: Die Weideflächen brauchen Unmengen Wasser, die Schlachthöfe Unmengen Strom, der Futtertransport Unmengen Treibstoff - und die Mägen der Kühe stoßen ständig CO2 aus. An der Universität Utrecht forscht Veterinär Haagsman deshalb an der Alternative: Muskelzellen, Fettgewebe und Bindegewebezellen sollen im Labor herangezüchtet werden, so dass in wenigen Jahren Schweinshaxe, Rindersteaks und sogar Fischfilets aus der Retorte in den Supermarkt-Regalen landen. Sollte das irgendwann klappen, könnte dies ein echter Ausweg aus der Energiekrise sein.

Monaco Text: Charlotte Frank

Nun ist es ja leider so, dass man sich für Geld vieles kaufen kann, aber nicht solche Sachen wie gute Manieren, nette Kellner oder gesunde Luft. Mit all diesen Problemen haben die sonst so verwöhnten Monegassen zu kämpfen, doch zumindest für Letzteres, die Abgas-Verpestung beim jährlichen Formel-Eins-Rennen, winkt eine Lösung: Die FIA, so heißt der internationale Motorsport-Verband, hat angekündigt, den Autorennen einen grünen Anstrich zu geben. Das klang für die Monegassen zwar zunächst so absurd wie die Forderung, in Monte Carlo die Vermögenssteuer einzuführen, aber es stimmt. Von 2009 an sollen Rennautos nur noch mit Hybridantrieb starten: Die kinetische Energie, die sie etwa beim Bremsen produzieren, soll zurückgewonnen und in Leistung verwandelt werden. So soll der Spritverbrauch der Rennwagen von 70 Liter pro 100 Kilometer langfristig halbiert werden. Das wären nur noch 35 Liter auf 100 Kilometer. Wenn das nicht umweltfreundlich ist! Monaco kann aufatmen.

Afrika Text: Martin Zips

Die Landbevölkerung und die Bewohner der Großstadt-Slums sind durch die enormen Preissteigerungen bei Lebensmitteln am afrikanischen Kontinent am meisten betroffen. Laut der Hilfsorganisation Care sind beispielsweise viele Kinder in Äthiopien so geschwächt, dass sie nicht mehr zur Schule gehen können. "Viele essen zu Hause nur noch schichtweise, also nur noch jeden zweiten oder dritten Tag", sagt Care-Vorsitzender Heribert Scharrenbroich. Die steigenden Energiepreise schaden laut Care den Entwicklungsländern deutlich mehr als den Industriestaaten. Das wird immer wieder mal vergessen.

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