Telefonansage in Österreich:Schön war die Zeit

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Ihre Nummer war viele Jahre die meistgewählte, doch jetzt stellt Österreich die nationale Zeitansage per Telefon ein. Ein Anruf bei Österreichs scheidender Stimme der Zeit, Renate Fuczik.

Martin Zips

Viele Jahre war die "telefonische Zeitansage" die meistgewählte Rufnummer: in Deutschland wie in Österreich. 50 Millionen Mark jährlich soll sie allein der Deutschen Bundespost eingebracht haben, schrieb 1982 "Die Zeit". Heute sind Ansagedienste nicht mehr so gefragt. In Österreich trauert man dieser Tage dennoch ein bisschen darüber, dass die nationale Zeitansage mit der Stimme der 64-jährigen Renate Fuczik aus Wien aufgegeben wird.

In Deutschland gibt es die automatische Zeitansage noch, das Bild zeigt eine Mitarbeiterin. In Österreich wird der Service und damit die Aufgabe von Renate Fuczik nun abgeschafft. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Frau Fuczik, die "1503" ist eine der prominentesten Telefonnummern Österreichs. Fast 30 Jahre lang war dort rund um die Uhr Ihre Stimme zu hören. Nun wird diese Zeitansage abgeschaltet.

Fuczik: Ja, gut. Das ist halt so. Ich kann das auch verstehen. Die Telekom Austria wird aber eine neue Ansage mit einer neuen Sprecherin unter einer neuen Nummer freischalten, habe ich gehört. Das hat irgendetwas mit der Regulierungsbehörde zu tun. Wann haben Sie sich denn zum letzten Mal am Telefon versichert, wie viel Uhr es gerade ist?

SZ: Das ist mindestens 20 Jahre her.

Fuczik: Na sehen Sie. Alles geht vorüber. Aber meine Zeitansage hat zuletzt noch monatlich 600.000 Anrufe bekommen. Ich meine: Im Zeitalter von Funkuhren und Internet 600.000 Anrufe. Das ist schon was. Am meisten Menschen rufen wohl immer dann an, wenn die Zeit gerade wieder umgestellt wurde.

SZ: Ich kenne den Klang der Damenstimme in Deutschland noch ganz genau: "Beim nächsten Ton ist es 10 Uhr, 32 Minuten und 20 Sekunden." Die Rufnummer hieß 01191.

Fuczik: Dass Sie sich noch daran erinnern... Gibt es diese Zeitansage denn noch in Deutschland?

SZ: Ja, aber anders. Auch die Nummern sind komplizierter geworden. Etwa 0180/4100100 oder 030/25555557. Wie lautete denn Ihre Ansage?

Fuczik: "Es wird mit dem Summerton 10 Uhr, 34 Minuten und 10 Sekunden. Summ."

SZ: Schön.

Fuczik: Die Bezeichnung Summerton soll auf eine Firma namens Summer zurückgehen, die diesen Ton erzeugte. Aber die gibt es wohl schon lange nicht mehr. Es ist im Fernmeldewesen offenbar auch so, dass Signaleinrichtungen generell als Summbezeichnet werden. Außer der - nur aus Österreich erreichbaren - Summerton-Ansage habe ich übrigens noch viele, viele andere Telefondienste besprochen und betreut.

"Die Schallplatte des Tages"

SZ: Ja? Welche denn?

Fuczik: Na, es gab ja bei uns über 100 Telefondienste, das müssen Sie sich mal vorstellen. Anfang der 70er Jahre existierten beispielsweise noch die "Praktischen Tipps für die Hausfrau". Die Kinder konnten sich unter einer bestimmten Rufnummer das "Märchen der Woche" anhören, die Erwachsenen "Die Schallplatte des Tages", "Das Gebet des Tages" oder etwas "Heiteres" - sowie Geschichten von "Österreichischen Autoren". Manches wurde auch wieder eingestellt. Zum Beispiel die "Berufsaussichten bei der Post- und Telegrafenverwaltung" oder "Gold- und Silberpreise". er Ich erinnere mich auch noch an den Pollenwarndienst und die Rubrik "Der gute Film". Am längsten überlebt haben Börsenberichte, Theater- und Kinoprogramme, Kochrezepte und Lottozahlen.

SZ: Sogar Steno konnte man bei Ihnen telefonisch üben.

Fuczik: Das stimmt. Das "Steno-Diktat" wurde regelmäßig von einem Mitglied des Stenographenverbandes bei uns im Tonstudio am Wiener Schillerplatz aufgezeichnet.

"Ich freue mich, dass es Internet gibt"

SZ: Sind Sie eine ausgebildete Sprecherin?

Fuczik: Nein, ich habe sieben Jahre lang beim Post- und Telegrafenamt Auslandsgespräche vermittelt. Als ich mit der Arbeit begonnen habe, konnte man in Österreich noch nicht selbst wählen, sondern wurde von einem "Fräulein vom Amt" wie mir durch das Betätigen von Steckern oder Kippern verbunden. Später wechselte ich in den Bereich "Telefondienste". Da habe ich dann entweder selber Bänder besprochen oder bereits besprochene Bänder kontrolliert. Jetzt bin ich in Pension und freue mich, dass es das Internet gibt.

© SZ vom 16.05.2009/ojo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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