"Strassenfeger"-Magazin:Superheld für Obdachlose

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Herr Godzirski mit dem "Superpenner"-Comic vor dem Bahnhof Zoo. (Foto: Scholz & Friends)

"Seine Muskeln sind fester als sein Wohnsitz": Eine Berliner Werbeagentur hat ihre soziale Seite entdeckt und einen Comic über Obdachlose produziert. Ist das nun zynisch oder supergeil?

Von Charlotte Theile, Berlin

Etwa 250 Obdachlose verkaufen in Berlin und Brandenburg den Strassenfeger, der Mann auf dem Bild ist einer davon. Er heißt Godzirski, der Vorname fängt, je nachdem, wie man die Unterschrift liest, mit H oder M an. Und er hat sich am Bahnhof Zoo von einem Fotografen der Werbeagentur Scholz & Friends mit deren Produkt ablichten lassen, einem Comic namens Superpenner.

Robert Krause trägt ein abgewetztes Jackett, zerbeulte Jeans, die Haare hängen schwarz-grau ins Gesicht. Das ist Absicht so. Robert Krause ist nicht obdachlos, er ist Executive Creative Director bei Scholz & Friends. Doch die Situation der Berliner Obdachlosen beschäftigt ihn schon länger.

Vor zwei Jahren kam die Idee, Obdachlosen-Zeitungen mit einem Magazin aufzuwerten. Herausgekommen ist ein Comic im Superhelden-Stil, der Superpenner. Untertitel: "Seine Muskeln sind fester als sein Wohnsitz". Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Superpenner ist ein Penner, der Pfand sammelt. Als er von einem Praktikanten eine Flasche mit einem supergeheimen Elixier aus dem Bundesnachrichtendienst bekommt, trinkt er sie aus - noch bevor ihn der Prakti warnen kann. Jedes Bier, das der Penner von jetzt an trinkt, verleiht ihm dank Elixier Superkräfte.

Seine Kräfte setzt er zum Guten ein, er rettet Grundschüler, denen das iPhone abgezogen wird, alte Damen, die sonst vom Bus überfahren würden, sowie "drei Babykätzchen und ein afrikanisches Waisenkind". Nett von ihm. Natürlich lässt sich das ultimative Böse den Sieg des Guten nicht lang gefallen und erschafft einen Gegenspieler, die Berliner Bestie. Ein hochgezüchteter Bastard, aus dem Schlimmsten, was Berlin zu bieten hat: aggressive Busfahrer, Prenzlauer-Berg-Mütter, kotzende Pub-Crawler, die Ergebnisse von Hertha BSC. Der Superpenner zieht in den Kampf um das gute, echte, coole Berlin.

"Wir hoffen auf Verknappung"

Das Heft wurde 20.000 Mal gedruckt und liegt ab Montag dem Strassenfeger bei. Eine kleine Auflage, was, wie alles bei Scholz &Friends, Absicht ist. "Wir hoffen auf Verknappung, darauf, dass die Leute versuchen, den Comic zu kriegen - was nur bei den Strassenfeger-Verkäufern möglich sein wird", sagt Krause. Zunächst findet aber eine Ausstellung statt, bei der der Comic den Medien präsentiert wird. Ausstellungsraum ist ein ehemaliger Friseurshop in Mitte, gegenüber von Scholz & Friends. Weil sie "das Unfertige" mögen, sieht es noch stark nach Friseur aus. An den Wänden hängen Comicseiten, auf einem umgedrehten Mülleimer liegt der Superpenner aus. Es gibt Bier mit Superpenner-Aufdruck, jedes Bier eine Spende.

Der Superpenner rettet Berlin. (Foto: N/A)

Ist das nun zynisch oder supergeil, wenn Obdachlose einen Comic verteilen, in dem der Held einen Wutanfall mit "Das war Mehrweg. Da war Pfand drauf!" einleitet? Krause sagt, er sehe kein Problem. Selbstironie sei etwas, mit dem Obdachlose umgehen könnten. Polarisieren wolle man aber durchaus. Und: Die Agentur, die sonst Kampagnen für Bundesländer und Autos entwirft, habe an dem Comic fast nichts verdient. Texter Stefan Lenz, der die Idee hatte, zeichnete sie selbst, andere arbeiteten für wenig Honorar mit.

Wenn das mit der Verknappung funktioniert und der Superpenner tatsächlich Berlin erobert, sind Krause & Co gern bereit, ihr Heft in andere Städte und Kontinente zu tragen. "Wir könnten uns auch den Superclochard oder den Supertramp vorstellen", sagt Krause.

© SZ vom 10.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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