Spurensuche auf Island:Heimat des Heiligen Grals

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Der Legende nach soll der Heilige Gral im südenglischen Somerset aufbewahrt worden sein. Jetzt vermuten einige Entdecker den Mythos ausgerechnet auf Island.

Gunnar Hermann

Jahrhundertelang ist Island eher eine Randerscheinung der europäischen Geschichte gewesen. Aber jetzt keimt Hoffnung, mit Hilfe eines sagenumwobenen Schatzes in den Mittelpunkt zu rücken: Eine Gruppe Entdecker will im Sommer im menschenleeren Hochland der Insel nach dem Heiligen Gral suchen.

Der Heilige Gral in der Mitte von Artus' Tafelrunde. (Foto: Foto: oh)

Sie meinen, in Werken der italienischen Renaissance verschlüsselte Hinweise gefunden zu haben, denen zufolge Tempelritter das Relikt auf dem Eiland im Nordatlantik versteckt haben. Die Lokalbehörden der abgelegenen Gemeinde Hrunamannahreppur haben kürzlich geologische Untersuchungen auf einem Gebirgspass genehmigt, unter dem die Schatzsucher einen unterirdischen Geheimtempel vermuten.

Der Heilige Gral hat bereits im Mittelalter die Phantasie der Menschen beflügelt. Er kommt mal als Becher, mal als Schüssel, mal als geheimes Dokument in zahlreichen Sagen vor und hat Abenteurer schon an so ziemlich jeden Ort geführt: Der Gral wurde unter anderem in Spanien, Frankreich, England oder Jerusalem vermutet. In jüngster Zeit sorgte der Roman "Sakrileg" ("The Da Vinci Code") des amerikanischen Autors Dan Brown für Aufsehen. Bei Brown ist der Gral ein Symbol für die Nachkommen von Jesus, die von einem Geheimbund beschützt werden.

Dante und die Tempelritter

Die Island-Theorie ist nicht weniger einfallsreich und stammt von dem Italiener Giancarlo Gianazza. In einem Buch mit dem Titel "Die Hüter der Nachricht" interpretiert Gianazza die "Göttliche Komödie" neu, die Italiens bekanntester Schriftsteller Dante Alighieri Anfang des 14. Jahrhunderts zu Papier brachte. Der mittelalterliche Star-Autor berichtet in seiner "Komödie" von einer Wanderung durch die Hölle in den Himmel - und Gianazza zufolge ist das nichts anderes als die verschlüsselte Beschreibung einer Island-Reise.

Dante soll demnach auf dem eisigen Eiland die Tempelritter und den Gral besucht haben und dann in seinem Werk Hinweise auf das sagenumwobene Nordreich Thule - damit ist Island gemeint - verborgen haben. Die Hinweise auf Thule glaubt Gianazza in den Versen 55 und 66 gefunden zu haben. Und das, so meint der Gral-Sucher, kann kein Zufall sein: Island liegt 55 Längengrade westlich von Jerusalem, auf etwa 66 Grad nördlicher Breite.

Gianazza hat nach jahrelangem Suchen noch mehr verschlüsselte Botschaften aus der Vergangenheit gefunden, die seine Theorie bestätigen sollen, unter anderem in Bildern von Leonardo da Vinci und Botticelli sowie auf Island selbst. Dort traf er in Thorarinn Thorarinsson einen Gefährten. Der Architekt und Hobby-Historiker aus Reykjavik hatte sich mit Snorri Sturluson beschäftigt, dem berühmten Autor der isländischen Heldensage Edda.

Im Jahr 1217 besuchte Sturluson einer alten Chronik zufolge das Thing, eine Art urtümliches Parlament, in Begleitung von 80 ausländischen Soldaten. "Niemand weiß, woher er so eine große Truppe hatte", sagt Thorarinsson. Aber als er von Gianazzas Theorie hörte, war ihm plötzlich alles klar: Die 80 Ausländer waren Tempelritter, die in Island gemeinsam mit Snorri nach einem Versteck für ihren Gral suchten.

Hilfe von Dantes Verszeilen-Koordinaten

Die Theorie der beiden Schatzsucher hat ein paar Schwachpunkte. Zum Beispiel ist es rätselhaft, wie Dante im 13. Jahrhundert exakte Längen- und Breitengrade für Koordinaten im isländischen Hochland errechnet hat. Die exakte Bestimmung von Längengraden bereitete Seefahrern nämlich noch viele Jahrhunderte später große Schwierigkeiten.

Erst die Erfindung genauer Uhren, mit denen die Zeitverschiebung messbar war, löste das Problem. Thorarinsson lässt sich von solchen Details aber nicht irritieren. Es entgegnet: "Warum sind Sie so sicher, dass Dante nicht über ganz andere Navigations-Methoden verfügte? Methoden, die heute vergessen sind." Ganz sicher kann man sich da freilich nie sein, schließlich hat die Menschheit im Laufe der Geschichte schon einiges verschlampt, Atlantis zum Beispiel, oder den Yeti.

Der Gral jedenfalls soll jetzt mit Hilfe von Dantes Verszeilen-Koordinaten wiedergefunden werden. Thorarinsson und Gianazza dürfen im Sommer, wenn der Schnee getaut ist, einen fünf Meter langen und zwei Meter tiefen Graben ins Hochlandmoos schaufeln und dann mit High-Tech-Gerät im Gestein nach versteckten Hohlräumen suchen.

Und schon mehren sich die Hinweise auf den isländischen Gral: Ein Lokalpolitiker aus Hrunamannahreppur sagte zum Beispiel einer Zeitung, in der Gegend sei erst vor einigen Jahren ein mittelalterliches Messer gefunden worden - an einer Stelle, von der aus sich der Gebirgspass gut überblicken lässt. "Dort könnte eine Wache gestanden haben", sagte der Lokalpolitiker.

© SZ vom 21.02.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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