Spanien:"Diese Frau hat den Prinzen verändert. Als ob jemand das Licht eingeschaltet hätte"

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Die Festlichkeiten in Dänemark sind gerade vorüber, da steht die nächste Hochzeit an - diesmal im spanischen Königshaus. Während viele dem Thronfolger Felipe und der Bürgerlichen Letizia Ortiz zujubeln, warnen andere vor den Konsequenzen für das Königshaus.

Von Peter Burghardt

Die Vertraute der Königsfamilie ist begeistert. Pilar Urbano rutscht aufgeregt in ihrem karierten Sessel herum, wenn sie von Spaniens bedeutendstem Brautpaar schwärmt. Erst vor kurzem habe Kronprinz Felipe bei ihr angerufen, sagt die Biographin von Königin Sofia. "Er hat mir von seiner Liebe erzählt."

Hier noch als Hochzeits-Gäste in Dänemark - bald schon selbst vor dem Traualtar. Der spanische Kronprinz Felipe und seine Zukünftige Letizia Ortiz. (Foto: Foto: AP)

So hatte Pilar Urbano seine Hoheit noch nie erlebt, dabei kennt sie ihn praktisch seit seiner Geburt 1968. Urbano, eine temperamentvolle Dame von 64 Jahren, hat den 14-jährigen Kronprinzen schon als Sammler von Zinnsoldaten und den 18-Jährigen als Piloten der Luftwaffe interviewt. Sie fand ihn immer nett, aber oft distanziert, kühl, despotisch. Ein bisschen napoleonisch. "Diese Frau hat es geschafft, den Prinzen zu verändern, das sieht man doch bei jeder Gelegenheit. Als ob jemand das Licht eingeschaltet hätte", sagt Pilar Urbano.

Der Kritiker des Königshauses ist weniger begeistert. Spöttisch schaut Fernando Gracia durch dicke Brillengläser, seine Schreibstube liegt in einem Keller, die Decke ist ein Sternenhimmel. An den großen Gefühlen hat zwar auch er keine Zweifel, sein neuestes Buch heißt: "Der verliebte Prinz." Es verkauft sich wie alles zum Thema fantastisch. Vom Buchumschlag strahlen Felipe de Borbon y Grecia und Letizia Ortiz Rocasolano - ein kitschiges Aquarell.

Sie hält ein Baby in den Armen, obwohl von einer Schwangerschaft noch nichts bekannt ist. Ein Kind sei schließlich das einzige Motiv dieser Trauung am 22. Mai, damit die Dynastie sich fortsetze, sagt Gracia. "Diese Hochzeit hat keinen anderen Sinn."

Es wurde höchste Zeit

Wer mit den Spezialisten Urbano und Gracia redet, der bekommt unterschiedliche Eindrücke, ist aber umso mehr überzeugt davon, dass Spanien ein richtungsweisendes Ereignis bevorsteht. Immerhin geht es um die wichtigste Vermählung, die das Land seit nahezu einem Jahrhundert erlebt. Der letzte Höhepunkt dieser Art fand 1906 statt, als Alfonso VIII. ebenfalls in Madrid, mit Victoria Eugenia von Battenberg die Ringe tauschte. 1931 floh Alfonso VIII. ins Exil, es folgten Republik, Bürgerkrieg, Diktatur. Die aktuellen Majestäten Juan Carlos I. und Sofia heirateten 1962 in Athen.

Nach dem Tod des Caudillos Francisco Franco 1975 begann die parlamentarische Monarchie der Gegenwart. Jetzt tritt in der Hauptstadt endlich der Mann vor den Altar, der eines Tages der König von mehr als 40 Millionen Spanier sein soll. Das kann zwar noch dauern wie bei Prince Charles, es kann aber auch schnell gehen. Über die Gesundheit des Königs gibt es immer wieder Gerüchte. Jedenfalls ist dies außer einer Romanze auch eine Staatsangelegenheit.

"Es lebe das Brautpaar"

Die meisten Spanier denken dabei eher wie Pilar Urbano. Sie sind fasziniert, seit Monaten macht die Klatschpresse mit der bevorstehenden Hochzeit Stimmung. "Es lebe das Brautpaar", johlen Zuschauer, wo auch immer der Kronprinz und seine Zukünftige auftauchen. Bei einer Kunstmesse, im Parlament, bei der Regionalregierung, Hand in Hand. Kameras begleiteten sie in die Stierkampfarena Las Ventas, in der Felipe die Mütze eines Toreros entgegennahm und an die Gedenkstätte am Bahnhof Atocha, wo am 11. März das Attentat stattfand.

Zweieinhalb Monate nach der Tragödie sind Felipe und Letizia wieder die Hauptdarsteller der Nation. Ihre Bühnewird am Samstag Madrid sein, das für Milliarden von Euro herausgeputzt und in bunte Farben getaucht wird. Tausende Reporter werden dabei sein, eine Milliarde Menschen auf der ganzen Erde werden am Fernseher zusehen, wenn sie sich das Ja-Wort geben werden. Spanien wartet.

Es wurde höchste Zeit mit dem Prinzen, er ist 36, Traditionalisten machten sich Sorgen. An Freundinnen gab es keinen Mangel, doch keine schien geeignet. Seine letzte Liebschaft war eine Norwegerin, die schon für Unterwäsche Reklame gemacht hatte. Für Leute wie Fernando Gracia ist das ebenso ein Albtraum wie für die Familie. Mit Letizia sollen Juan Carlos I. und Sofia anfangs ebenfalls nicht glücklich gewesen sein.

Pilar Urbano hat sogar verbreitet, Felipe hätte seine Eltern vor die Wahl gestellt und notfalls auf den Thron verzichtet. Das hat sie inzwischen zurückgenommen: "Felipe hat mir versichert, im Zweifel hätte er sich für die Krone entschieden. Das sei seine Pflicht. Jetzt ist er der glücklichste Mensch der Welt, weil das, was er soll, mit dem zusammenfällt, was er will."

Mit der Hochzeit wird Letizia Ortiz Prinzessin von Asturien, wo sie vor 31 Jahren zur Welt kam. Der Thronfolger trägt traditionell den Titel Prinz von Asturien. Geographisch passt die Herkunft also, sonst weniger. Letizias Mutter ist Krankenschwester, ihr Vater Journalist. Felipe stammt aus einem jahrhundertealten Herrschergeschlecht, zu seinen Vorfahren zählen Kaiser Wilhelm und nach Gracias Recherchen auch der Maler Diego Velazquez. Letizia Ortiz heiratete 1998 ihren langjährigen Freund, einen Atheisten und Republikaner. Ein Jahr später folgte die Trennung. Der Kardinal sieht darüber hinweg. Das Land auch.

Während der Prinz sich an Eliteinstituten zum königlichen Offizier und Akademiker ausbilden ließ, ging Letizia Ortiz zum Fernsehen. Ihr letzter Arbeitgeber war der Staatssender TVE, für den sie gelegentlich die Hauptnachrichten vorlesen durfte. Dem Fernsehzuschauer Felipe de Borbon y Grecia gefiel sie so gut, dass er einen Freund beauftragte, ein Abendessen zu organisieren. Im Spätsommer 2003 begann die Liaison. Zunächst streng geheim.

Am 1. November wurden dann Verlobung und Trauung bekannt gegeben. Kurz darauf zog die Reporterin aus ihrer Wohnung nahe der äußeren Stadtautobahn in die königliche Residenz La Zarzuela, den Gebrauchtwagen ließ sie in der Garage stehen. Eine Prinzessin aus dem Fernsehstudio.

Der erste Fauxpas

"Wie eine Internet-Liebe", sagt Fernando Gracia. "Die Macht der dummen Kiste reicht bis zur Krone." 16 ehemalige Prinzen von Asturien hätten alle die Krone verloren, weil sie die falsche Frau geheiratet haben. Warum es jetzt anders sein soll, versteht er nicht. Don Juan, der Vater des jetzigen Königs, habe ihm einmal erklärt: "Fernando, wer als Königin sterben will, der muss als Prinzessin geboren werden." - "Dieses Fräulein ist nicht als Prinzessin geboren", sagt Gracia.

37 Kandidatinnen aus europäischen Königshäusern hat er dem Junggesellen Felipe 1994 in seinem Buch "Man muss den Prinzen verheiraten" vorgestellt, aber nein, eine bürgerliche TV-Ansagerin musste es sein. "Sie hat keine Geschichte, kein Wappen, keinen Stammbaum, nichts. Und sie ist die erste geschiedene Prinzessin."

Gracia redet sich da schnell in Rage. Da war dieser Termin beim Madrider Bürgermeister, bei dem Felipe eine Ehrenmedaille bekam. Beim anschließenden Empfang tippelte Letizia mit Stöckelschuhen auf einen Hofschreiber zu, der ihr einen traurigen Blick unterstellt hatte. "Schau' mir in die Augen, glaubst du, ich bin traurig?", fragte sie ihn. Überall war es anderntags zu lesen.

Was für ein Fauxpas, so etwas darf eine künftige Hoheit nicht. "Schrecklich", stöhnt Gracia. Schon beim ersten öffentlichen Auftritt war sie Felipe ins Wort gefallen. "Lass' mich ausreden." Die meisten, Frauen vor allem, finden das sympathisch. Gracia findet, das Volk verstehe nichts von der Monarchie. Bei Lady Di sei die Sache auch schief gegangen.

Immer öfter stellt sich Gracia die Frage, was eine Monarchie überhaupt noch soll in einem modernen EU-Staat wie Spanien. Bei der Suche nach Erklärungen landet er beim Militärputsch von 1981, den der König vereitelte. Diktator Franco hatte ihn zwar einst zu seinem Nachfolger bestimmt, aber Juan Carlos ließ später entgegen Francos Vermächtnis sämtliche Parteien zu und sicherte die Demokratie.

"Spanien ist Juan Carlistisch, nicht monarchisch", sagt Gracia. Der König gilt als leutseliger und lebensfroher Patron, hat jedoch kaum politische Rechte, auch wenn er Staatschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Der Kronprinz kommt in der Verfassung gar nicht vor.

"Aber die Könige sind eine Konstante", sagt Pilar Urbano, "sie müssen sich nur der Zeit anpassen. Und genau das passiert gerade." Heutzutage liegen späte Hochzeiten im Trend, Spaniens Scheidungsrate steigt, die Geburtenrate sinkt. Frauen machen Karriere, die regierenden Sozialisten wollen die Erbfolgereglung ändern, damit der oder die Erstgeborene die Krone bekommen kann und nicht automatisch ein Mann. Das königliche Benehmen werde Letizia schon lernen, glaubt Pilar Urbano.

Gelungene Generalprobe

Im Palast büffelt die zukünftige Prinzessin bereits die Geschichte der Borbonen und anderer Königshäuser. Bei Monarchenhobbys wie Skifahren, Jagen und Segeln macht sie Fortschritte. Und die Generalprobe bei der dänischen Prinzenhochzeit am Freitag in Kopenhagen gelang. Letizia trug ein rotes Kleid und Juwelen der Königin. Spanien jubelte. Auch Dänemarks Kronprinz hat sich eine Bürgerliche ausgesucht, ebenso der norwegische, der holländische, der belgische.

Der Stress jedoch steht ihr zuweilen ins Gesicht geschrieben. Schmal ist Letizia geworden. "Probleme mit den Nerven. Sie hat Schönheit verloren", stichelt Fernando Gracia. Nicht immer bequem sind auch die hohen Absätze, mit denen sie den Abstand zum 30 Zentimeter größeren Bräutigam verringert. Pilar Urbano macht sich da Sorgen. "Es ist sehr schwer, Königin zu sein, ein harter Test", das hat ihr Königin Sofia oft gesagt, dabei ist Sofia von Griechenland anders als Letizia damit groß geworden. Keinen Ehestreit soll sich eine Königin anmerken lassen, nie unpässlich sein.

Zum Schluss verrät Pilar Urbano ein Geheimnis, sie grinst. "Wenn ich als Journalistin einen Prinzen kennen lerne" sagt sie, "dann heirate ich nicht, sondern gehe nach ein paar Monaten in die USA und schreibe ein Buch darüber. Fast Königin! Das wäre fabelhaft."

© SZ vom 17.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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