Solarflug:Leuchtende Augen

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Nach der Weltumrundung des ausschließlich mit Sonnenenergie betriebenen Flugzeuges "Solar Impulse 2" sind sich die Unterstützer sicher: Dem Solar-Flug gehört die Zukunft.

Von Charlotte Theile, Zürich

Der Schweizer Psychiater und Abenteurer Bertrand Piccard ist außer sich vor Freude. "We made it, we made it", schreit er immer wieder, seine Stimme durchquert dabei einige Oktaven. Es ist kurz nach vier Uhr morgens auf dem Flugplatz Al-Bateen in Abu Dhabi, zwei Uhr nachts in Mitteleuropa. Das superleichte Flugzeug hat sich in der Dunkelheit fast geräuschlos auf der Landebahn niedergelassen. Weltumrundung, Weltrekord.

In 16 Monaten sind Bertrand Piccard und André Borschberg um den Globus geflogen. Ihr Flugzeug, Solar Impulse 2 genannt, wird nur von Sonnenenergie angetrieben. Theoretisch also kann man damit unendlich lange fliegen, in der Realität ist es schwieriger. In den Morgenstunden in Abu Dhabi aber, das Thermometer zeigt etwa 36 Grad, sind alle einfach nur begeistert. Sultan Al Jaber, Abgesandter der Vereinigten Arabischen Emirate, Albert Fürst von Monaco, die schweizerische Verkehrsministerin Doris Leuthard. Letztere muss sich gedulden, Monaco und die Emirate haben wohl einfach mehr Geld in den Weltrekordversuch gesteckt. Dann aber darf sie gratulieren - und rollt sofort eine Schweizer Flagge aus. Die mitgereisten Reporter des Boulevardblattes Blick machen irgendwo in der arabischen Musikkulisse eine "Alphorn-Einlage" aus. Leuthard vergleicht die Landung mit der Eröffnung des Gotthardtunnels. Auch sonst ist sie nicht zum Tiefstapeln nach Abu Dhabi geflogen: Nach den "großen Tragödien" der letzten Monate gebe die Solar Impulse "Grund zur Hoffnung auf eine bessere Welt".

Ein paar Stunden später am Telefon. Bertrand Piccard klingt noch immer berauscht. Die vielleicht schwierigste und unruhigste Etappe der insgesamt 43 000 Kilometer langen Reise liegt noch keine zwölf Stunden zurück, Piccard, der die Erde auch schon in einem Ballon umfahren hat, denkt bereits über neue Projekte nach. Er will einen Weltverbund gründen, die "International Committee for Clean Technologies". So sollen Regierungen und Unternehmen inspiriert werden, sich mehr auf grüne Technologien zu konzentrieren, Elektromobilität, erneuerbare Energien.

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(Foto: Reuters)

Die "Solar Impulse 2" im Anflug auf Abu Dhabi, Vereinte Arabische Emirate.

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(Foto: Ahmed Jadallah/Reuters)

Die Piloten: André Borschberg (rechts) und Bertrand Piccard (links).

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(Foto: Jean-Christophe Bott/dpa)

Vor sechs Jahren: 10. Juni 2010, die "Solar Impulse" vor dem ersten Nachtflug im Hangar in Payerne in der Schweiz.

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(Foto: Jean Revillard/Rezo)

20. Dezember 2013: Bertrand Piccard bei einer Simulation eines 72 Stunden Nonstop-Flugs.

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(Foto: Solar Impulse/Revillard)

Spartanisch: die persönliche Ausrüstung der Piloten. Während der Flüge ernähren sie sich von hochkalorischer Flüssignahrung, Nüssen, Riegeln und Wasser.

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(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

5. Januar 2015: Die zerlegte "Solar Impulse 2" wird in eine Boeing 747 verladen und aus der Schweiz zum Start der Weltumrundung nach Abu Dhabi transportiert.

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(Foto: Anna PIZZOLANTE / REZO.ch)

9. März 2015: Monaco. Die Weltumrundungs-Mission wird vom Fürstenstaat an der Côte d'Azur aus überwacht.

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(Foto: Handout/Reuters)

11. Juni 2016: New York. André Borschberg überfliegt die Freiheitsstatue, bevor er am John F. Kennedy Flughafen landet.

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(Foto: Solar Impulse/Bertrand Piccard)

23. Juni 2016: Selfie. Bertrand Piccard knippst kurz vor der Landung in Spanien nach 70 Stunden Flug noch schnell ein Foto.

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(Foto: AP)

13. Juli 2016: Ägypten. Die "Solar Impulse 2" überfliegt die Pyramiden von Gizeh.

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(Foto: Peter Klaunzer/dpa)

26. Juli 2016: Geschafft. André Borschberg (li.) empfängt Bertrand Piccard. Die letzte, 1956 Kilometer lange Etappe führte von Kairo nach Abu Dhabi.

Anderthalb Jahrzehnte haben Piccard und Borschberg mit der solaren Weltumsegelung verbracht. Jetzt, wo erst mal alles erreicht, alles bewiesen ist, werde er "nostalgisch", sagt Piccard, auch Borschberg sagt, er realisiere noch gar nicht, was gerade passiert sei. Den etwa 140 Menschen, die die beiden Piloten seit dem Start im März 2015 ständig begleiten - und natürlich mit benzinbetriebenen Flugzeugen hinterhergejettet sind - dürfte es ähnlich gehen. Man habe den Mitarbeitern "Hoffnung gegeben, ein Ziel", sagt Piccard, es gehe, na klar, um eine "bessere Welt".

Die Leistung der Piloten ist bemerkenswert: Während der Etappen waren nur Nickerchen von etwa 20 Minuten möglich. Borschberg vergleicht es mit dem Einschlafen im Dschungel: Man höre überall bedrohliche Geräusche, wisse sich in echter Gefahr. Sein Flug über den Pazifik dauerte fast fünf Tage.

Die große Angst aller Beteiligten, vom technischen Mitarbeiter im Kontrollzentrum Monaco bis zum Pressesprecher in der Schweiz: Das Ganze könnte als 157-Millionen-Euro-Rekord-Show abgetan werden. Oder als gigantisches Greenwashing-Event, bei dem von arabischen Scheichs über Google und Schweizer Luxusuhren bis hin zu Technologiekonzernen wie Schindler und ABB alle einmal ihr Logo in die Kamera halten dürfen.

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Borschberg sagt, es handle sich um ein "großes Missverständnis". Dass das Flugzeug mit 17 000 Solarzellen und der Flügelspannweite eines Jumbojets gerade einmal eine Person befördern kann, extrem wetteranfällig ist und wegen technischer Probleme fast neun Monate lang in Hawaii zum Stillstand kam - all das sei kein Zeichen der Schwäche. Borschberg verweist auf die Gebrüder Wright. Als die beiden Amerikaner Anfang des 20. Jahrhunderts mit Gleitflugzeugen experimentierten, hätten sie auch vor allem Spott geerntet. Langsamer als ein Fahrrad! Heute gelten sie als Begründer des aerodynamisch kontrollierten Motorflugs. "Man muss irgendwo anfangen", davon ist Borschberg überzeugt.

Auch Piccard spricht gern von den Gebrüdern Wright - und bietet gleich noch eine Wette an: In zehn Jahren würden Elektroflugzeuge in der Lage sein, 50 Menschen auf einmal zu transportieren.

Der Unternehmer Sultan Al Jaber zu Bertrand Piccard (rechts) und André Borschberg auf dem Treppchen. (Foto: dpa)
© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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