Single-Markt:Rendezvous für fünf Minuten

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30 Single-Männer treffen 30 Single-Frauen und checken sich gegenseitig in wenigen Minuten: Mit "Fastdating" kann man viel Geld verdienen - zum Leidwesen der klassischen Partnervermittler.

Von Kristina Läsker

München - Poldi hat sich soeben ins Aus geschossen. Nach zwei Minuten und 45 Sekunden hat der Mittvierziger eine zerknautschte Börse aus der hinteren Jeanstasche gezogen und ein Foto mit abgestoßenen Ecken auf den Tisch gelegt: "Das ist mein Sohn, der ist mir echt wichtig." Verblüfft starrt die gegenübersitzende Blondine erst auf das Kleinkind, dann auf den erwachsenen Mann, der sich Poldi nennt, und kreuzt in Gedanken ein Nein auf ihrem rosa Zettel an. Nein für: Diesen Kerl will ich nie wiedersehen. Nach fünf Minuten ertönt eine Glocke, die 32-Jährige schüttelt Poldis Hand: "Nett, dich kennen gelernt zu haben."

Es gibt sogar ein Computerspiels "Singles - flirt up your life", mit dem einsame Herzen ihr Paarungsverhalten testen können. (Foto: Foto: Deep Silver/ddp)

Ein Abend und 30 Dates

Der Mann, der mit solchen Gesprächen Geld verdient, heißt Johannes Much und behauptet, das Fastdating nach Deutschland geholt zu haben. In New York hatte der Politikwissenschaftler davon gehört: 30 Single-Männer treffen 30 Single-Frauen. Jede redet mit jedem fünf Minuten. Wer seinen Gesprächspartner wiedersehen will, kreuzt Ja auf einem Fragebogen an. Wenn's beide tun, vermittelt der Veranstalter die Telefonnummer: Lächeln, reden, abchecken, Bingo. Oder auch nicht.

Angetan von der Idee, organisierte Much vor eineinhalb Jahres das erste Fastdating in München. Als die Mundpropaganda für Teilnehmer sorgte, begann der 33-Jährige durch Deutschland zu touren: Köln, Hamburg, Berlin - Much klapperte die Single-Hochburgen ab.

Ein ganzer Wirtschaftszweig blüht

Das Statistische Bundesamt hat 6,618 Millionen allein Lebende bis 55 Jahre im Jahr 2002 registriert, Tendenz steigend. Nicht alle sind partnerlos; einige führen Fernbeziehungen oder leben getrennt in derselben Stadt. Die meisten aber, etwa fünf bis zehn Prozent aller Deutschen, sind nach Meinung der Statistiker echte Singles, allein Lebende ohne Partner. Das Gros ist auf der Suche. Ihre Jagd belebt einen ganzen Wirtschaftszweig. Immer schrillere Angebote bestimmen die Szene: Flirten für Gehörlose, organisierter Seitensprung oder Kochen mit Unbekannten (Running Dinner); das Geschäft mit den Kontakten boomt.

Sekt gegen Muffensausen

Unbarmherzig leuchtet das Neonlicht. Der Raum im Münchner Evangelischen Forum entfaltet den Charme einer Jugendherberge. Braun gesprenkelter Teppich, beigefarbene Gardinen, blubbernde Heizkörper. Das peinliche Schweigen ist in aufgeregtes Schnattern übergegangen. Das könnte am billigen Sekt liegen, den Much verteilt hat: "Viele haben Muffensausen." An den Holztischen sitzen 52 Singles, Auge in Auge, zwischen ihnen eine Rose in einem Glas ohne Wasser. Halten müssen diese Blumen nur zweieinhalb Stunden - wie die kurzen Gespräche. "Das wirkt hier ein bisschen fabrikmäßig", sagt Much.

Mann lebt davon

Der Initiator arbeitet hauptberuflich als Flirtvermittler. Von den 30 Euro Teilnehmergebühr bleibe ihm "gut ein Drittel"; eine hohe Rendite. Aber die Konkurrenz wächst. 18 Fastdatings hat Much im vergangenen Jahr organisiert. Über seinen Umsatz möche Much nicht sprechen. Viel dürfte es nicht sein. "Ich kann davon leben", sagt er.

Mehr Geld lässt sich mit den Singles vor allem im Internet verdienen. Rund 44 Millionen Euro werden die 2500 Singleportale, Partnerbörsen und Blinddate-Agenturen im Internet dieses Jahr erlösen, sagt Henning Wiechers, Geschäftsführer von single-boersenvergleich.de in Karlsruhe.

"Schon eine merkwürdige Veranstaltung, oder?" Stefan, 35, Unternehmensberater, und wie die meisten hier an diesem Abend in München Akademiker, lächelt verlegen. Dann sagt der schlaksige Mann, was viele denken: Dass er als Berufstätiger kaum noch Frauen kennen lernt und wie mühsam es doch ist, abends in der Kneipe eine anzusprechen. "Romantisch ist das hier sicherlich nicht, aber wo treffe ich so viele Singles auf einen Haufen?"

Klassischen Vermittler sind die Verlierer

Das Nachsehen im Geschäft mit den einsamen Herzen haben die klassischen Partnervermittler. Sie funktionieren noch immer nach archaischem Kupplerprinzip: Gespräch - Vermittlung - Tête à tête - nächster Versuch. Doch das finden jüngere Leute womöglich spießig - und ineffizient.

Setzte die Branche laut Stiftung Warentest in den 90er Jahren noch mehr als 250 Millionen Euro jährlich um, sind die Erlöse nun auf Talfahrt. "Wir haben viel Umsatz verloren", bestätigt Jutta Meintrup vom Berufsverband für Partnervermittler in Europa (BvP). Der Verband ist einer von mehreren in Deutschland. 75 Firmen haben sich im BvP vereint. Per Ehrenkodex wollen sie sich gegen die schwarzen Schafe abgrenzen. Mehrere hunderttausend Partnerschaftsagenturen mischen am Markt mit, schätzen Branchenvertreter. "80 Prozent davon sind Scharlatane", sagt Meintrup.

Vom Fastdating hält sie wenig. "In fünf bis zehn Minuten kann man nicht abchecken, ob der andere zu einem passt." Vor allem männliche Kunden hätten die Agenturen durch die neuen Angebote verloren. "Die 20- bis 45-Jährigen surfen lieber im Netz und klicken sich durch die Seiten", klagt die Verbandsfrau.

Keine Zeit für konventionelle Partnersuche

Beigetragen zum Boom der schnellen Dates habe der Wertewandel, sagt Norbert Schneider, Professor für Soziologie an der Universität Mainz. "Viele sehnen sich nach der klassischen Partnerschaft." Doch gerade beruflich erfolgreiche Frauen hätten zwar genug Geld, aber zu wenig Zeit für die "konventionelle Partnersuche". Die Konsequenz: Der Wunsch, "das Ding schnell in den Griff zu bekommen" steigt. Nach dem Motto: Erst kommt die Fünf-Minuten-Terrine dann der Fünf-Minuten-Mann, Hauptsache schnell, Hauptsache effizient. Akademiker, bestätigt Schneider, seien auf Effizienz gedrillt. Doch das funktioniert in der Liebe selten.

26 Gespräche später will die Blondine nur noch nach Hause. Anfangs belustigt, später gereizt hat sie Fragen zu Kindern, Gehalt und Sex ertragen. Ein Typ hatte sogar eine Liste dabei. Nur zwei Männer will sie wiedersehen. "Meistens vergeben die Leute sechs bis sieben Ja-Kreuze", sagt Veranstalter Much. Zwei bis drei "Matches" sind normal. Was später passiert, weiß Much nicht. Viele Singles kommen ein zweites Mal.

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