Sicherheit:Mehr Verbote für Deutschland

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Nur Mut, Frau Nahles! Nach der Kehrtwende in der Paternoster-Debatte liefern wir sechs weitere Vorschläge für neue Vorschriften. Denn mehr Sicherheit braucht das Land!

Von Michael Neudecker

Seit einiger Zeit erschüttert der Paternoster-Skandal Deutschland, es gab die Boulevard-Schlagzeile "Pfoten weg vom Paternoster!", es gab Proteste und Aufregung und überhaupt, und das natürlich völlig zu Recht. Die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte eine Betriebssicherheits-Verordnung für Paternoster-Aufzüge erlassen, die besagt: nur noch eingewiesenes Personal dürfe den im ständigen Umlauf fahrenden und offenen Aufzug betreten. Das ist so wenig praktikabel, dass die Verordnung einem Verbot gleich kam. Es echauffierten sich vom einfachen Bürger bis hin zum Landesminister so ziemlich alle über diese Sache, die Frage war ja auch: Was kommt als nächstes?

Am Montag trat die neue Regelung in Kraft, keine zwölf Stunden später gab Nahles, 44, auf ihrer Facebook-Seite (ja, tatsächlich) folgendes bekannt: "Der Paternoster ist der VW Käfer unter den Aufzügen. Nicht besonders viele Menschen fahren ihn noch, aber viele lieben ihn. (. . . ) Darum habe ich mich entschlossen, dass zukünftig über die Sicherheit der einzelnen Paternoster konkret vor Ort entschieden werden soll. Ich habe mein Haus deshalb angewiesen, auf dem schnellstmöglichen Weg dafür zu sorgen, dass die Bundesländer ermächtigt werden, die Beschränkungen aufzuheben." Heißt: Die Länder dürfen jetzt selbst entscheiden, wen sie in ihre Paternoster einsteigen lassen - und was die Länder von der Paternoster-Verordnung halten, ist ja nun hinlänglich bekannt. In den Zeitungen wurde die Neuregelung der Regelung erleichtert aufgenommen. Manche druckten ein Foto von Andrea Nahles, wie sie gerade strahlend aus einem Paternoster steigt.

Lizenz zum Grillen

Grillen kann jeder, richtig? Falsch. Der TÜV wies am Dienstag darauf hin, es könne "langfristig ungesund" sein, wenn die Grillage zu nahe an der Hitzequelle liege: Das herabtropfende Fett oder Öl erzeuge Rauch mit krebserregenden Stoffen, weshalb "mindestens eine Handbreit Abstand zu Kohle oder Heizschlangen eines Elektrogrills" liegen sollten. Doch auch hier lauert Gefahr! Wie misst man eine Handbreit bei einem Grill? Daher sollte grillen nur noch nach vorheriger Einweisung erlaubt sein, nachzuweisen anhand einer Lizenz zum Grillen. Die TÜV-Experten raten zudem, auf gepökelte Wurst zu verzichten und überhaupt nur mageres Fleisch zu grillen; denkbar wäre hier, zum Grillschein die Anlage M (Metzgerei) einzuführen, das aber müsste in den Gremien noch diskutiert werden.

Handyverbot für Fußgänger

Man wundert sich, wie wenig Liebesfilme damit beginnen, dass zwei Leute auf der Straße zusammenstoßen, weil beide auf ihr Smartphone starren. Vielleicht, weil die Situation gar nicht besonders romantisch ist. Denn Unfälle mit Fußgängern, die auf ihr Handy schauen statt auf die Straße, nehmen zu, selbst der Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS) schlug neulich Alarm. In China und Amerika haben sie deswegen eigene Spuren für Handynutzer eingerichtet, die sich aber entweder als Flop oder als Scherz entpuppten. Ein totales Handyverbot wie im Auto, Flugzeug oder im Ruheabteil der Bahn ist also das einzig Richtige. Leicht zu überwachen, nämlich von uns allen, und die Welt wäre insgesamt besser, weil man als handyloser Fußgänger von ihr endlich etwas mitbekommen würde.

Tempolimit für Radfahrer

30 Stundenkilometer als Höchstgeschwindigkeit für Autos in der Stadt? Klar. Was sonst? Aber das ist, wenn, dann bitte nur der Anfang. Für die Sicherheit des urbanen Menschen sind Radfahrer fast genauso gefährlich. Wie oft wird man von diesen Leuten beinahe oder ganz umgefahren? "Pass doch auf!", grölen sie einem dann mit ihrem dümmlichen "Ich bin fit und tue was für die Umwelt"-Stolz im Blick hinterher - und lösen, weil sie sich zum Keifen natürlich umdrehen müssen, gleich die nächste Beinahe-Kollision aus. Schluss damit. Wenn der Gesetzgeber es ernst meint mit dem Schutz der Bürger vor den Gefahren des Lebens, dann muss er auch ein Tempolimit für Radler einführen. Zehn Stundenkilometer sind Raserei genug. Wer schneller strampeln will, soll sich einen Heimtrainer kaufen.

Keine Glastüren

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(Foto: Illu)

Es ist nicht zum Lachen. Im Internet gibt es diverse Videos von geschäftigen Menschen, die gegen, in oder durch Glastüren laufen. Was zunächst witzig anmutet, endet häufig schmerzhaft. So wurde eine große Modekette kürzlich vom Amtsgericht Düsseldorf dazu verurteilt, einer Kundin knapp 1100 Euro Schmerzensgeld zu zahlen, weil diese sich an einer Glastür die Zahnbrücke zerbrach und sich dazu noch Prellungen und Schürfwunden zuzog. Nach Versicherungs-Bestimmungen müssen Glasflächen "deutlich gekennzeichnet" sein; aber was heißt das? Die Modekette brachte nach dem Unfall einen Klebestreifen in Augenhöhe an. Aber "Augenhöhe" sieht ja auch jeder anders. Was, wenn jemand den Aufkleber unter- oder übersieht? Zurück zum Blickdichten, Glastüren verbieten.

Wanderschein

Kühe sind keine Kuscheltiere. Am Wochenende ist es schon wieder passiert: Im Allgäu hat ein Rind eine Frau attackiert und schwer verletzt. Wenn sie sich gereizt fühlen, können die Tiere zu Kampf-Kolossen werden. Weil unbedarfte Wanderer das oft nicht wissen, kam es in den Alpen immer wieder auch zu tödlichen Unfällen, der Boulevard berichtete über blutrünstige "Killer-Kühe". Um den Ruf der Rinder zu retten und das Risiko zu reduzieren, hat die Landwirtschaftskammer Tirol im vergangenen Jahr eine Broschüre herausgegeben und den Mensch auf den Konflikt mit der Kuh vorbereitet. Mindestabstand, niemals in die Augen schauen, und im Notfall: Ein gezielter Schlag auf die Nase. Ohne dieses Wissen sollte keiner mehr auf den Berg. Ein Wanderschein mit vorheriger Prüfung ist überfällig.

Rolltreppen-Tabu

Die größten Gefahren lauern stets dort, wo die Menschen glauben, sich gehen lassen zu können: Im Jahr verunfallen etwa 900 Deutsche auf Rolltreppen. Wie beim Fliegen sind auch beim Rolltreppen-Fahren Start und Landung die kritischsten Phasen; vor allem Senioren tun sich mit dem Auf- und Absteigen schwer. Jüngere Menschen stürzen vorwiegend, wenn sie meinen, schneller laufen zu müssen als die Treppe eh schon dahinprescht. Es kommt zu Schürfwunden, Prellungen und Brüchen - welche durch ein generelles Verbot von Rolltreppen sämtlich verhindert werden könnten. Erste löbliche Krisenmaßnahmen gibt es bereits: Unter dem Vorwand von Wartungsarbeiten legt die Stadt München viele Rolltreppen in U-Bahnhöfen schon jetzt rund um die Uhr zur Unfallvermeidung still.

Andrea Nahles aber sollte sich nicht entmutigen lassen. Es gibt noch viel zu tun, in Deutschland ist längst nicht alles geregelt, was zu regeln wäre. Deshalb hat die SZ nach Bildung eines Mehr-Verbote-für-Deutschland-Ausschusses, einer Klausur und demokratischen Abstimmungen, deren Ergebnisse im Einzelnen intern bleiben müssen, sechs neue Verordnungen erarbeitet, die hiermit offiziell dem Bundesarbeitsministerium präsentiert werden.

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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