Sichere Hose:"Damit will ich nur sensibel machen"

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Die Unternehmerin Sandra Seilz hat eine Hose erfunden, die Frauen vor sexuellen Übergriffen schützen soll. Aber: Funktioniert das auch?

Interview von Helena Ott

Reißfestes Material, Alarm und Vorhängeschloss: Die Unternehmerin Sandra Seilz hat eine sogenannte "Safe Shorts" entwickelt; ein Produkt, das irgendwo zwischen Mittelalter und "Me Too"-Ära angesiedelt ist und Frauen vor sexuellen Übergriffen beim Sport schützen soll. Ein Gespräch über Sicherheit, Ängste und 3D-Drucker.

SZ: Frau Seilz, das Vorhängeschloss erinnert an einen Keuschheitsgürtel. Sind wir zurück im Mittelalter?

Sandra Seilz: Na ja, die Keuschheitsgürtel wurden zum Beispiel Frauen aufgezwungen, deren Männer auf Kreuzzügen unterwegs waren. Ich seh' das andersherum: Ich will den Frauen mehr Freiheit bieten, laufen zu gehen, wann und wo sie wollen.

Wie wäre es denn mit einem Keuschheitsgürtel für Chauvis und Perverse?

Bin sofort dabei. Da hätte ich schon paar männliche Exemplare im Kopf, denen würde ich sogar 'ne Hose schenken.

Aber kommt man sich als Frau nicht komisch vor, beim Joggen in der Natur den Intimbereich abzusperren?

Ich empfinde das so, dass, wenn ich die Hose trage, mein Kopf frei ist und ich mir keine Gedanken machen muss, dass hinter der nächsten Ecke einer steht.

Mit Schloss und Warnton: die "Safe Shorts". (Foto: privat)

Ist das nicht ein bisschen übertrieben und verzerrt die Realität? Immerhin kommen rund 80 Prozent der Sexualstraftäter aus dem Umfeld der Opfer.

Wir haben lange überlegt, ob wir auch eine Variante der Hose gegen häusliche Gewalt entwickeln können. Aber das Experiment mit Signalfarben oder winzigen Nadeln im Stoff war uns dann doch zu heikel.

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee für diese Sicherheitshose?

Ich bin seit 1999 Läuferin. Es kam schon mal vor, dass mir länger jemand mit dem Rad hinterhergefahren ist. Aber im Dezember 2015 haben sich mir drei Männer in den Weg gestellt, der eine hat mich festgehalten, der andere hat mir die Hose runtergezogen. Ich hatte Riesenglück: Ein Fußgänger hat seinen Hund auf die Angreifer gehetzt. Sie sind weggerannt.

Und was haben Sie dann gemacht?

Statt zur Polizei zu gehen, dachte ich mir: Jetzt reicht's. Du musst ganz schnell was machen, dass niemand mehr einfach an deine Intimzone kann. Am nächsten Tag stand ich an den 3-D-Druckern in der Hochschule in Bottrop.

Eine Hose aus dem Drucker?

Die Studenten haben mich an einen Designer für Funktionsmaterialien verwiesen. Ich musste ihn erst überzeugen, aber dann haben wir uns einmal pro Woche getroffen. Neun Monate später war die erste Hose auf dem Markt.

Sandra Seilz, 42, sagt: "Die Hose hat mich vor einem schlimmen Ereignis bewahrt." (Foto: privat)

Wie soll die Hose Frauen bei drei überlegenen Tätern helfen?

Der Alarm kann für sie schreien, wenn ihnen vor Angst der Atem stockt. Und mit einem herkömmlichen Messer oder einer Schere müssen Sie schon sehr lang schnippeln, bis sie die Hose abbekommen. Es sind Hindernisse. Wir glauben, viele Täter schreckt das ab.

Wie viele Hosen haben Sie seit Herbst 2016 verkauft?

Verkaufszahlen werde ich nicht nennen. Aber wir produzieren mittlerweile an die 1000 pro Monat und wollen die Herstellung jetzt nach Indien verlagern.

Schüren Sie damit nicht die Ängste mancher Frauen? Die Bilder der Frauen in düsteren Unterführungen auf ihrer Homepage sind schon furchteinflößend.

Nein. Damit will ich nur sensibel machen. Ich will Frauen vor Vergewaltigung schützen.

Hat die "Me Too"-Bewegung etwas an der Nachfrage der Hose verändert?

Deutlicher haben wir da die Berichterstattung ein Jahr nach der Silvesternacht 2015/2016 gemerkt. Ich war drei Tage nicht im Büro - am zweiten Januar ist mein Postfach dann übergequollen vor Presseanfragen und neuen Bestellungen.

Bei "Me Too" geht es um den aktiven Diskurs. Eben, dass sich Frauen nicht verstecken oder einschließen.

Die Debatte soll Frauen Mut geben - unsere Hose aber kann eine Hardware gegen Übergriffe sein. Eine Form des passiven Widerstands. In einer Notsituation ist nun mal nicht jeder in der Lage, sich zu wehren oder laut zu schreien.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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