Schwere Unwetter in Baden-Württemberg:Sturmflut im Killertal

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In Baden-Württemberg verwandelt sich ein Bach in einen reißenden Strom - drei Menschen sterben.

Bernd Dörries

Helene Hofleit steht auf der kleinen Brücke vor ihrem Haus und sagt, ihre Familie habe seit Jahrhunderten gut mit dem Fluss gelebt, gut von ihm gelebt. Sie und ihr Bruder haben die ersten beiden Häuser in Jungingen, der kleine Fluss Starzel macht eine Kurve um sie herum. An normalen Tagen sieht das romantisch aus, heute liegen riesige Baumstämme im Flussbett.

"Seit ich hier lebe, hat es so etwas nicht gegeben", sagt Hofleit. Und sie lebt schon ziemlich lange, 80 Jahre wird sie dieses Jahr. Der Großvater hat hier eine Mühle gebaut, mit einem Sägewerk, der Vater dann eine Turbine. Man habe sein Brot mit dem Fluss verdient, sagt Hofleit.

Seit dem Montagabend hat sich das Verhältnis verändert, da wurde nach einem schweren Gewitter aus der kleinen Starzel ein unbändiger Strom, der in Jungingen zwei Menschen mit in den Tod riss. Am Dienstagnachmittag macht sich Helene Hofleit auf den Weg ins Dorf hinunter, um zu schauen, was die Starzel angerichtet hat. Es sieht nicht gut aus in Jungingen.

Die kleine Stadt ist das Zentrum eines Unwetters, das am Montagabend vor allem über dem Zollernalbkreis in Baden-Württemberg niederging. Jungingen ist ein kleiner Flecken von 1500 Einwohnern, auf einer Hauswand im Ort hat jemand eine Sonnenuhr angebracht "Gott gab die Zeit - von Eile hat er nichts gesagt", steht daneben. Aber auch von einer Flutwelle war nie die Rede gewesen. "So etwas kannte ich nur aus dem Fernsehen", sagt Bürgermeister Harry Frick.

In so kurzer Zeit

Jetzt ist das Fernsehen nach Jungingen gekommen, um die Aufräumarbeiten zu beobachten. Etwa 300 Helfer sind im Einsatz, der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech schätzt den Schaden auf einen zweistelligen Millionenbetrag - das ist sehr viel für einen kleinen Ort. Bis zu 1,50 Meter Höhe, so berichten Augenzeugen, sei das Wasser in Jungingen gestanden. Etwa 30 Autos wurden einfach so herumgeschleudert, sie liegen zerbeult auf den Ufermauern.

In einem der Autos ertrank die 79-jährige Beifahrerin, die 74 Jahre alte Fahrerin wurde später in der Nähe tot aufgefunden. Im knapp zehn Kilometer entfernten Hechingen ertrank eine Frau in ihrem Keller. In Jungingen wäre es fast noch schlimmer gekommen. Die Mitarbeiter vom Bauhof hätten mindestens zehn Autofahrern in letzter Minute das Leben gerettet, sagt Bürgermeister Frick. Mit einem Unimog seien sie durch die Wassermassen gefahren und hätten Autofenster eingeschlagen und die Eingeschlossenen geborgen.

"Es ist erschreckend, wie in so kurzer Zeit durch Regengüsse eine so katastrophale Situation entstehen kann", sagt der Landrat des Zollernalbkreises, Günther-Martin Pauli. Die Feuerwehr vermutet, dass der Boden im Einzugsgebiet nach tagelangen Regenfällen so vollgesogen war, dass er kein weiteres Wasser aufnehmen konnte.

Kaum jemand blieb verschont

Und am Montag regnete es nochmal mit etwa 50 Litern pro Quadratmeter. Das Zentrum des Unwetters lag im Killertal, die dortigen Gemeinden müssen nun erklären, das dieser Name nichts mit dem Tod zu tun hat, sondern sich aus dem alemannischen Wort für Weiler herleitet.

Vor den Häusern in Jungingen stehen nun lauter Container - voll mit Teppichen und ruinierten Möbeln. Manche haben ihren ganzen Hausrat vor die Tür gestellt und spritzen den Schlamm herunter. In der Ortsmitte beklagen die Inhaber der Metzgerei Buck die Schäden, erst vor drei Monaten hätten sie renoviert, alles umsonst. Die Flut hat kaum jemanden geschont im Dorf.

© SZ vom 4.6.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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