Sarajevo:Der Weihnachtsmann-Bann

Politisch korrektes Arbeitsverbot für den Weihnachtsmann: In Sarajevo dürfen bärtige Herren keine Kinder mehr beschenken.

Titus Arnu

Der Weihnachtsmann hat es auch nicht leicht. Dauernd wird seine Existenz angezweifelt, ständig wird er für seine nervigen Werbeauftritte in Fußgängerzonen kritisiert und generell als amerikanische Fantasy-Figur beschimpft. Nun droht ihm auch noch ein Arbeitsverbot, zumindest in Bosnien-Herzegowina.

Weihnachtsmann in der Krise: In Sarajevo wird er ausgemustert. (Foto: Foto: Reuters)

Die muslimische Verwaltungsdirektorin der Kindergärten von Sarajevo hat den bärtigen Gutmenschen zum christlichen Symbol erklärt. Deshalb werde es keine Weihnachtsfeste, keine Geschenke und keine Christbäume in den 24 staatlichen Kindertagesstätten geben.

In Sarajevo leben Muslime, orthodoxe Serben und katholische Kroaten auf engem Raum zusammen. Seit den Zeiten des Staatsgründers Tito beschenkte der gute alte Weihnachtsmann Christen ebenso wie Muslime, ohne dass sich jemand daran störte - bis jetzt. Eltern der nicht-muslimischen Kinder kritisieren die Maßnahme als "Entfernung von Europa und Annäherung an den Nahen Osten".

Wegen des kürzlich eingeführten islamischen Pflichtunterrichts melden ohnehin immer mehr katholische, orthodoxe oder nicht-religiöse Familien ihre Kinder bei den staatlichen Kindergärten ab. "Bei uns wird inzwischen alles politisch-religiös hinterfragt", sagte eine empörte Mutter aus Sarajevo in der ARD-Tagesschau, "selbst der arme Weihnachtsmann."

Die Kinder gehen aber in Sarajevo trotz des politisch überkorrekten Weihnachtsmann-Bannes nicht ganz leer aus. Da die Mehrheit der serbischen Bevölkerung Weihnachten nach dem julianischen Kalender am 7. Januar feiert, bekommen die Kinder trotzdem Geschenke. Ein bläulicher, cooler Typ namens Väterchen Frost bringt seine Gaben am Silvesterabend. Sein Arbeitsplatz ist vorerst nicht in Gefahr, heißt es.

© SZ vom 23.12.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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