Russland:Zaubern verboten

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In einem leidenschaftlich abergläubischen Land wie Russland bringen Hexen, Heiler und andere Quacksalber die Menschen oft um ihre letzten Kopeken. Das russische Parlament will ihnen jetzt die Arbeit schwermachen

Sonja Zekri

Der Anlass ist verzweifelt, aber die Sache hat ihre komischen Seiten. Das russische Parlament will künftig die Werbemöglichkeiten für Zauberer einschränken.

Schamane oder Scharlatan? Dieser Mann beschwört in der russischen Republik Tuwa mit rituellen Handlungen Geister und Dämonen. In Zukunft sollen so etwas nur noch staatlich geprüfte Zauberer machen dürfen. (Foto: Foto: dpa)

In den Medien finde man inzwischen "massenhaft" Reklame von "Heilern, Magiern und Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten", die mit allerhand falschen Versprechungen vielen Menschen "moralischen, physischen oder wirtschaftlichen Schaden" zufügten, heißt es im Gesetzentwurf Nr. 47707074-4, den das Komitee für Wirtschaftspolitik der Duma soeben zur Annahme empfohlen hat.

Nach dem Entwurf sollen fortan nur noch staatlich geprüfte Magier ihren Service annoncieren dürfen. Lizenzen erteilen die örtlichen Gesundheitsbehörden. Werbung für Massenheilungen ist verboten.

25 Millionen Euro setzt die russische Okkultismus-Branche im Jahr um, schätzt die Zeitung Gaseta. 6,3 Millionen Euro verdienen Zeitungen und Zeitschriften jährlich an den Anzeigen. Das sind Brosamen im Vergleich zu den Umsätzen der Öl-, Gas- oder Flugzeugindustrie, aber für viele Russen sind es die letzten Kopeken.

Und für die Branche könnte das Gesetz einen schweren Schlag bedeuten. Der Abgeordnete Wladimir Medinskij, Autor des Gesetzentwurfes, beruhigte die aufgewühlten Okkultisten mit den Worten, ehrliche Magier müssten keine Umsatzeinbußen befürchten: "Bei denjenigen, die im Volk einen guten Ruf genießen", sagte er der Gaseta, "stehen die Menschen ein Jahr lang Schlange."

Alle anderen müssen sich eben neue Marketingstrategien ausdenken. Nur: Wie unterscheidet man die einen Guten von den Schlechten? Was trennt den ehrlichen Schamanen vom Scharlatan, was den Naturheiler vom Quacksalber? Gibt es wirklich Menschen, die zaubern können? Und haben die Wahrsager das Werbeverbot nicht ohnehin vorausgesehen?

Dies alles sind Fragen, die jede Gesellschaft umtreiben müssen, in der die Tarot-Karten kreisen, aber Russland will seiner Fürsorgepflicht nun energischer nachkommen - alarmiert von schlimmen Auswüchsen. Vor sieben Jahren war die Zauberin Walentina zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, weil sie vom Auffinden gestohlener Autos bis zum Schuldeneintreiben umfassende Dienstleistungen versprochen, aber offenbar nicht erfüllt hatte.

Der ebenfalls verurteilte Magier Alexander Jefdokimow stellte übersinnliche Fähigkeiten einer Bande von Einbrechern zur Verfügung. Und an der Wolga sind gerade zwei Anhänger einer Sekte in einem Erdloch gestorben, weil sie sich von ihrem Anführer den drohenden Weltuntergang einreden ließen.

Zwar hatte dieser nicht mit Ratschlägen im Falle eines nahenden Endes in der Zeitung geworben, doch verrät der Fall insgesamt eine große Schutzbedürftigkeit der Menschen, der Rechnung zu tragen sich Medinskij nun vorgenommen hat.

"Sie brauchen nur eins dieser Massenblätter aufzuschlagen, da finden Sie spaltenweise Werbung, und zwar ziemlich unangenehme", sagte er der Gaseta: "Es geht ja nicht nur um Anzeigen von der Sorte ,Kommen Sie, wir helfen Ihnen', sondern um konkrete Probleme: Bringe die große Liebe zurück, finde für Sie einen besser bezahlten Job, helfe bei Geldnot."

Leidenschaftlicher Aberglaube

Nun ist Russland ein leidenschaftlich abergläubisches Land, selbst seriöse Persönlichkeiten lassen sich vom Okkulten anstecken. Präsident Boris Jelzin soll der Wunderheilerin "Dschuna" Dawitaschwili ergeben gewesen sein. Die Zeitung Iswestija widmete dem Zusammenhang zwischen Astrologie und Börse gerade eine halbe Seite und kam zu dem Schluss, im Grunde sei die Beobachtung der Mondphasen und Planeten für Entscheidungen über Aktienkäufe nur eine "alternative Methode der Marktanalyse."

Im Internet finden sich Hexen und Zauberer im Dutzend. Auf einer Seite sitzt Michail, ein mopsiger Glatzkopf in nachtschwarzer Kutte, hinter einem Arrangement aus Schädeln, Kerzen und Knochen, darunter finden sich Abwandlungen für die rasche Hilfe bei Eifersucht ("Neutralisierung des Nebenbuhlers") oder bei Ärger auf der Arbeit ("Neutralisierung des Konkurrenten"). Sein Kollege Mstislaw verspricht juristischen Beistand, Heilung bei Alkoholismus (Sohn oder Ehemann) und raschen Gewichtsverlust. Erfolg garantiert.

Einzig Nata, die Hexe, dämpft überzogene Hoffnungen. Die Branche sei voll von unlauteren Wettbewerbern, die Zaubersprüche für 99 Dollar anböten, sagt sie: "Dabei ist Magie, vor allem schwarze Magie, eine komplizierte Sache, es ist Schwerstarbeit." Wie die Lizenzierung der Zauberer am Ende ablaufen wird, welche Fähigkeiten beim Vorzaubern in den Gesundheitsämtern gefordert sind, ist noch völlig offen.

"Das Gesetz ist nur eine allgemeine Norm", sagt Medinskijs Sprecher Pjotr Polonizkij der Süddeutschen Zeitung: "Ob es später eine Kommission geben wird, ob Ärzte oder andere Spezialisten über die Lizensierung der Wunderheiler entscheiden, wird man sehen, wenn es angenommen ist." Man könnte natürlich auch einen Hellseher fragen.

© SZ vom 14.04.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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