Ross Ulbricht:Lebenslang für den Netz-Dealer

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Er wollte Anarchie, jetzt muss Ross Ulbricht lebenslang in Haft. (Foto: Elizabeth Williams/AP)

Kein Platz für Anarchie im Internet: Die harte Strafe eines New Yorker Gerichtes für den Erfinder des Drogen-Umschlagplatzes "Silk Road" soll auch Nachahmer abschrecken.

Von Kathrin Werner, New York

Da steht er nun. In seiner dunkelblauen Gefängniskleidung, schlaksig, glattrasiert, gerade einmal 31 Jahre alt. Dem System ausgeliefert, das er so verabscheut. "Sie glaubten, Sie seien besser als die Gesetze dieses Landes", sagt die Richterin Katherine Forrest, die gleich Recht über ihn sprechen wird. "Was Sie getan haben, ist beispiellos. Jetzt müssen Sie die Konsequenzen tragen."

Dann sagt die Richterin des New Yorker Bundesgerichts das Wort, das er gefürchtet hat: lebenslänglich. Zweimal lebenslänglich in zwei Anklagepunkten, dazu noch drei mehrjährige Strafen, die er theoretisch nacheinander absitzen muss. Ross Ulbricht wird den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Der Gründer von Silk Road, des Internethändlers für Drogen, hat die härteste Strafe bekommen, die laut Gesetz möglich war. "Was Sie getan haben, war eine ernsthafte Bedrohung unserer Gesellschaft, mit einem massiven weltweiten Ausmaß", sagt Richterin Forrest.

Die Post stellte die Waren zu. Es war einfach für die Käufer und für Ulbricht ein gutes Geschäft.

Insidern ist Ulbricht unter seinem Geheimnamen "Dread Pirate Roberts" bekannt. Er hat Silk Road 2011 gegründet und betrieben, eine Art Ebay für Gangster, das er in einem versteckten Teil des Internets betrieb, den man Dark Web nennt. Mehr als 100 000 Nutzer kauften und verkauften auf der geheimen Website Drogen, es gab alles von Hasch aus Afghanistan über Ecstasy bis zu Heroin. Zudem bot die Seite Anleitungen, wie Geldautomaten geknackt oder Trojaner auf Banken losgelassen werden können, falsche Pässe und Adressen von Auftragsmördern. Bezahlt wurde in der digitalen Währung Bitcoin, die man auf bestimmten Börsen im Netz anonym gegen echtes Geld tauschen kann. Die Post stellte die Waren zu. Es war einfach für die Käufer und für Ulbricht ein gutes Geschäft. Er soll rund 214 Millionen Dollar Umsatz gemacht haben, bis die Polizei die Seite stilllegte. "Ich betreibe ein mehrere Millionen schweres kriminelles Unternehmen", hat Ulbricht in Internetforen geprotzt. Um Verräter zu beseitigen, soll er sogar Auftragsmörder angeheuert haben - zu den Morden ist es aber nie gekommen.

"Ich bin nicht mehr der Mann, der ich war, als ich Silk Road gegründet habe. Ich bin ein bisschen weiser und bescheide-ner", sagt Ulbricht vor Gericht. "Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurück drehen." Er schluchzt, die Stimme bricht. "Im Grund habe ich mein Leben ruiniert", sagt er und bittet um eine milde Strafe. "Ich möchte noch einmal kleine Freuden erleben, wie einem Hund im Park eine Frisbee zuwerfen."

Ulbrichts Anwalt kündigte an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Er hatte in dem Verfahren bestritten, dass Ulbricht der Betreiber von Silk Road war. Der habe die Seite zwar entwickelt, sich dann aber rasch zurückgezogen. Auf seinem Laptop sichergestellte Dokumente, für Silk-Road-Geschäfte verwendete Bitcoins, Aussagen von Wegbegleitern und Ermittlern belasteten Ulbricht aber. Sein Anwalt argumentierte auch, dass Silk Road das Drogengeschäft besser und sicherer für Abhängige gemacht habe, weil sie nicht mehr der Gewalt der Straße ausgeliefert waren. Weil Silk Road so bequem war und in die entlegensten Ecken lieferte, sei Ulbricht daran schuld, dass nun mehr Menschen Drogen konsumieren, sagte dagegen die Richterin. Eltern von zwei jungen Männern, die Drogen von Silk Road nahmen und daran starben, erzählten unter Tränen vor Gericht die Geschichte ihrer Söhne.

Hinter Silk Road steckt Ulbrichts Versuch, einen herrschaftsfreien Handelsplatz zu etablieren - pure Anarchie. "Ich wollte den Menschen die Macht geben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.", sagt er vor Gericht. "Eine Philosophie ist keine Entschuldigung", urteilt Richterin Forrest. Die Strafe habe so hart ausfallen müssen, damit Nachahmer verstehen, dass es keine Milde gibt, selbst wenn die Verbrecher nur eine Internetseite betreiben und nie Drogen anfassen.

Seit dem Ende von Silk Road haben Ulbrichts Nachfolger im Netz mehr Drogen verkauft als je zuvor, das Geschäft boomt. "Wir haben den Drogenkrieg gewonnen", schrieb Dread Pirate Roberts einmal in einem Forum, "so einfach ist das."

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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