Rosa Luxemburg:Eine rätselhafte Wasserleiche

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Gedenken Deutschlands Linke womöglich am falschen Ort? Ein Berliner Mediziner will nun die echte Leiche von Rosa Luxemburg entdeckt haben.

Robert Probst

Als am 31. Mai 1919 eine weibliche Leiche aus dem Berliner Landwehrkanal gezogen wurde, bestätigte sich für viele Genossen ein schrecklicher Verdacht: Die seit Mitte Januar vermisste Vordenkerin der Kommunisten, Rosa Luxemburg, war tot. Sie und der Anführer des "Spartakus-Aufstands", Karl Liebknecht, waren am 15. Januar 1919 von Freikorpssoldaten ermordet worden.

Gedenken am falschen Ort? Bodo Ramelow, Oskar Lafontaine, Petra Pau, Lothar Bisky und Hans Modrow von der Linkspartei am Ehrenmal der Sozialisten in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

Luxemburgs Sekretärin musste für die Bergung der Leiche drei Reichsmark Gebühr bezahlen. Möglicherweise aber handelte es sich gar nicht um die marxistische Theoretikerin - ihre Leiche liegt vielleicht seit Jahrzehnten in der Charité.

Der Rechtsmediziner Michael Tsokos hat nun, wie der Spiegel meldet, eine Wasserleiche aus dem Fundus der Charité näher untersucht - und erstaunliche Übereinstimmungen mit den Körpermerkmalen von Rosa Luxemburg festgestellt. Die Leiche, die keinen Kopf, keine Hände und keine Füße hat, weise einen Hüftschaden auf - ein Charakteristikum der KPD-Mitbegründerin. Auch das Alter zum Todeszeitpunkt und die Körpergröße passten.

Die Leiche dagegen, die 1919 als aus dem Landwehrkanal geborgen wurde, sei "nie und nimmer Rosa Luxemburg" gewesen, sagt Tsokos. Laut Obduktionsbericht fehlten die typischen körperlichen Merkmale. Auch sei damals kein Kopfschuss - mit dem die Theoretikerin ermordet wurde - festgestellt worden. Tsokos spricht von starken "Verdachtsmomenten".

Bewiesen sei aber nichts - es fehle noch ein DNS-Abgleich. Tsokos ist deshalb, weil es keine Nachfahren gibt, 90 Jahre nach ihrem Tod auf der Suche nach Gegenständen von Luxemburg, an denen ihre Haare oder Hautpartikel haften könnten. Tsokos hat bei seinen Untersuchungen mit dem Geschäftsführer des Karl-Dietz-Verlags, Jörn Schütrumpf, zusammengearbeitet, der sagt, es fehle für einen Beweis nur noch ein "allerletztes Stück". Der Verlag gibt Luxemburgs Schriften heraus.

Zweifelhafte These

Der Autor Klaus Gietinger, der mehrere Bücher über Luxemburg veröffentlicht hat, hält die These von Tsokos allerdings für "sehr zweifelhaft". "Das ist zu 90 Prozent nicht die Leiche von Rosa Luxemburg", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die Sekretärin habe damals die Leiche anhand der Kleidung eindeutig erkannt, die Gerichtsmediziner hätten den Körper 1919 ebenfalls "klar identifiziert". Auch den Kopfschuss hätten die Ärzte bei der Obduktion festgehalten.

Liebknecht und Luxemburg hatten nach der erfolgreichen Revolution im November 1918 wenig später die KPD gegründet, Liebknecht war im Januar 1919 Mit-Initiator des "Spartakus-Aufstands". Nach dessen Niederschlagung schritten die Rechten zur Abrechnung - vielleicht gar mit Billigung der SPD-Regierung. Die beiden "Märtyrer" der Linken sind auf dem Friedhof Friedrichsfelde beigesetzt.

Zu ihren Ehren entwarf der Architekt Ludwig Mies von der Rohe 1926 ein "Revolutionsdenkmal", jährlich fanden große Gedenkfeiern der KPD statt. 1935 hatten die Nazis allerdings das Denkmal zerstört und die Gräber eingeebnet - was mit den Leichen geschehen ist, ist unklar. An einer anderen Stelle errichtete die DDR 1951 eine "Gedenkstätte der Sozialisten", zu der noch heute Mitte Januar jährlich Tausende pilgern.

© SZ vom 30.05.2009/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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