Ronnie Biggs:Der Posträuber kommt frei

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"Ekstatisch" vor Freude: Nach zehn Jahren in Haft soll der schwer kranke Ronnie Biggs am 3. Juli entlassen werden.

Wolfgang Koydl, London

Er ist fast bis auf die Knochen abgemagert, kann nicht gehen und sprechen und muss durch einen Schlauch ernährt werden. Wenn er sich mitteilen will, pickt er Buchstaben aus einem Brett mit dem Alphabet: Schneidig, flamboyant oder gar gefährlich ist an Ronnie Biggs, dem letzten der legendären britischen Posträuber, nichts mehr.

Entlassung nach zehn Jahren Haft: Posträuber Ronnie Biggs. (Foto: Foto: Reuters)

Viele Briten wunderten sich daher, warum der bald 80-Jährige immer noch hinter Schloss und Riegel sitzt - 46 Jahre nachdem seine Bande den Postzug von Glasgow nach London überfallen und die damals unvorstellbare Summe von 2,6 Millionen Pfund erbeutet hatte. Der Großteil des Geldes, das heute 40 Millionen Pfund entspräche, wurde nie gefunden.

Nun aber soll Biggs doch freikommen. Wie die Presse berichtete, werden sich am 3. Juli die Tore des Gefängniskrankenhauses der ostenglischen Stadt Norwich für ihn öffnen. Die Verwaltung und die Gesundheitsbehörden des Nordlondoner Bezirkes Barnet wollen die Kosten für die 24-Stunden-Pflege von Biggs übernehmen.

Sein Mandant sei "ekstatisch" vor Freude, teilte sein Anwalt mit, auch deshalb, weil das Pflegeheim nicht weit vom Haus seines Sohnes entfernt sei. Bevor es soweit ist, muss zwar noch Justizminister Jack Straw seine Zustimmung geben. Doch daran zweifelt keiner mehr, seitdem Biggs Bewährungshelferin die Freilassung empfahl. Sie habe zwar den Eindruck gewonnen, schrieb sie in ihrem Bericht, dass der Ex-Räuber nach wie vor nichts bedauere; aber dies dürfe kein Grund sein, ihm die vorzeitige Entlassung nach zehn Haftjahren zu verwehren.

Beobachter haben lange vermutet, dass eine gewisse Rachsucht des Establishments hinter der hartnäckigen Weigerung stand, Biggs auf freien Fuß zu setzen. Mehr als 35 Jahre lang hatte der geborene Londoner die Behörden genarrt. Verurteilt zu 30 Jahren Haft, war er nach nur 15 Monaten aus dem Gefängnis Wandsworth ausgebrochen und hatte sich nach einer Flucht rings um die Welt in Brasilien niedergelassen. Dort genoss er das Leben eines sorglosen Privatiers, der regelmäßig die britische Presse zu Interviews empfing.

Verarmt, nach einer Reihe von Schlaganfällen schwer erkrankt, und getrieben von Heimweh war er 2001 nach England zurückgekehrt. Nach seiner Ankunft wurde er sofort im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh eingesperrt. Nur unter großen Mühen gelang seine Verlegung in die offene Anstalt von Norwich. Vorwürfe, dass nun der Steuerzahler für den wohl berühmtesten britischen Kriminellen des 20. Jahrhunderts aufkommen müsse, wies sein Anwalt zurück: "Der Steuerzahler müsste zahlen wo immer er sich aufhält", sagte er.

© SZ vom 12.06.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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