Robbenjagd in Kanada:Eingeschlossen vor Neufundland

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An Kanadas Ostküste spielt sich ein Drama ab: 100 Schiffe von Robbenjägern stecken im Packeis fest - die Rettung gestaltet sich schwierig.

Bernadette Calonego

Vor der Küste der kanadischen Provinz Neufundland spielt sich ein Drama ab: Etwa 100 kleine Schiffe von Robbenjägern sind im Packeis des Atlantiks gefangen und in Gefahr, von den Eismassen erdrückt zu werden. Den Besatzungen gehen auch Wasser, Nahrung und Treibstoff aus. "Es ist eine sehr gefährliche Situation" sagte Jim Winter, Präsident von Kanadas Robbenjägervereinigung, dem kanadischen Fernsehsender CBC am Donnerstag. "Wir sehen uns hier ungeheuren Naturkräften gegenüber."

"Wir sehen uns hier ungeheuren Naturkräften gegenüber." Etwa 100 Robbenjägerschiffe sind vom Eis eingeschlossen. (Foto: Foto: dpa)

In den küstennahen Gewässern von Labrador und Neufundland sind seit zwei Wochen Schiffe für die jährliche Robbenjagd unterwegs. Zunächst war das Wetter bei Eröffnung der Jagd im südlichen St.-Lorenz-Golf Anfang April ungewöhnlich mild gewesen. Doch dann trieb laut Winter viel schwimmendes Eis aus der Arktis nach Labrador und Neufundland hinunter, wo die Jagd derzeit staffindet. Die Eismassen werden von böenartigen Winden Richtung Küste gepresst.

Einige der bedrohten Schiffe werden bereits aus dem Wasser auf das Eis gehoben und legen sich langsam auf die Seite. "Das Eis ist sehr schwer und dick und kann einen Schiffsrumpf zerquetschen", sagte Captain Brian Penney von der Küstenwache, der die Rettungsaktionen leitet. Das Packeis sei bis zu eineinhalb Meter dick.

Die kanadische Küstenwache muss mit Hubschraubern Nachschub auf die gestrandeten Schiffe abwerfen, da selbst Eisbrecher Mühe haben, unter solchen Bedingungen zu navigieren. Manche Schiffe der Küstenwache blieben selber im Packeis stecken. Am Dienstag hatte die Küstenwache in der Nähe von Musgrave Harbour in Neufundland 20 Personen von fünf Schiffen gerettet.

Laut der aktuellen Wetterprognose wird sich die Situation während der kommenden vier bis fünf Tage eher noch verschlechtern, da starke Winde die Eismassen Richtung Küste drücken. Für die Robben bedeutet das eisige Wetter eine Schonfrist - doch die Jagd ist trotz der extremen Bedingungen immer noch offen. Gemäß Regina Flores vom Internationalen Tierschutzfonds (IFAW) in Ottawa wurden in dieser Jagdsaison in Ostkanada bereits mehr als 180.000 Tiere getötet. Die von der Regierung festgesetzte Quote erlaubt die Tötung von insgesamt 270.000 Robben in diesem Jahr.

Beim IFAW herrscht keine Schadenfreude, sondern Besorgnis um die vom Packeis eingeschlossenen Besatzungen: "Wir hoffen, sie werden sicher nach Hause zurückkehren." Sie wünsche sich jedoch, dass diese gefährliche Situation die Jäger überzeugen werde, dass es sich nicht lohne, für die Robbenjagd das Leben aufs Spiel zu setzen. Die kanadische Regierung sollte ihr Geld besser in sichere, nachhaltige Jobs investieren als in kostspielige Rettungsaktionen. "Das ist keine Industrie, die überleben kann", sagte Flores.

Jim Winter klagte jedoch, dass er sich nicht nur mit extremen Wetterbedingungen herumschlagen, sondern auch mit Kritikern auseinandersetzten müsse. Er sei, wie er CBC sagte, eben aus Europa zurückgekehrt. Europäische Politiker hätten ihm vorgehalten, Kanada brauche die Robbenjagd nicht, sie sei unmoralisch. "Die werfen uns in dieselbe Kategorie wie Pornographen", sagte Winter.

Belgien hat wegen der Proteste von Tierschützern bereits die Einfuhr von Robbenfellen verboten, Holland steht kurz davor, und auch Deutschland erwägt ein Verbot. In diesem Jahr sind die Bedingungen besonders extrem: Das anfänglich milde Wetter Anfang April hatte die Eisdecke im südlichen Teil des St.-Lorenz-Golfes schmelzen lassen, und viele neugeborene Robben, die noch nicht schwimmen konnten, ertranken. Der IFAW schätzt, dass 70 bis 80 Prozent der Robbenbabys umgekommen sind.

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