Rechtsextremismus in Österreich:Die Leere der Geschichte

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Mit Luftdruckgewehren auf Holocaust-Überlebende geschossen: Rechtsextreme Jugendliche randalieren in der österreichischen Gedenkstätte Ebensee.

W. Luef

Wieder einmal bangt Österreich um seinen Ruf in der Welt. Und wieder ist es eine rechtsextrem motivierte Tat, die international Schlagzeilen macht. Sogar der österreichische Außenminister fürchtet, dass nun ein "Schatten auf die Tourismusdestination Österreich" fällt. Und die konservative Tageszeitung Die Presse überschreibt einen Kommentar mit: "Kleine Episoden aus dem Naziland".

In Sturmhauben, mit schweren Stiefeln und dunkler Kleidung sind die fünf Jugendlichen in diesen Stollen bei der KZ-Gedenkstätte Ebensee eingedrungen. (Foto: Foto: AP)

Die neueste Episode spielt in der oberösterreichischen KZ-Gedenkstätte Ebensee: Fünf Jugendliche haben dort am Samstag während einer Gedenkfeier Nazi-Parolen skandiert und laut Zeugenberichten mit Luftdruckgewehren auf ehemalige Häftlinge geschossen, als diese dabei waren, Schülern die Orte ihres Leidens zu zeigen.

Die Täter sind gerade einmal 14 bis 16 Jahre alt, laut Polizei "aus vorbildlichem Elternhaus" und schon gar nicht der rechtsextremen Szene zuzurechnen. "Sie sind sich wohl des Ausmaßes ihrer Tat nicht so ganz bewusst gewesen", sagt Alois Lißl, Sicherheitsdirektor der oberösterreichischen Polizei.

Sturmhauben und Springerstiefel

"Das hilft doch den Opfern nicht, wenn man ihnen sagt: Das waren nur blöde Buben", sagt Willi Mernyi. Er ist einer der wenigen, die seit dem Vorfall mit den Betroffenen Kontakt hatten - denn die französischen Zeitzeugen und die Schüler sind danach umgehend abgereist. Mernyi leitet das Gedenkkomittee Mauthausen, dessen Nebenlager Ebensee war.

Zwischen 1943 und 1945 haben in Ebensee insgesamt 26.000 Häftlinge ein Stollensystem in einen Berg getrieben - ein Drittel davon starben. Die unterirdische Anlage sollte der Rüstungsproduktion dienen und ist heute noch erhalten. Kurz vor Kriegsende wollte die SS alle 18.000 Häftlinge in die Stollen treiben, um sie dort zu töten. Die Gefangenen leisteten aber Widerstand.

Als einer der ehemaligen Häftlinge am vergangenen Samstag den Stollen mit der Schülergruppe betrat, haben laut Mernyis Schilderung die Täter bereits in Sturmhauben, dunkler Kleidung und Springerstiefel auf die Gruppe gewartet. Sie seien durch einen Seiteneingang in den Stollen gekommen, der zwar nicht öffentlich zugänglich ist, den aber "jeder im Ort kennt", wie Mernyi sagt.

"Die haben genau gewusst, wo sie hinmüssen, um ihre Show abzuziehen." In den Händen hielten sie Softguns, die laut Polizei "täuschende Ähnlichkeit mit Kalaschnikows" hatten. Sie feuerten mit Plastikgeschossen: Die beiden Holocaust-Überlebenden wurden am Gesicht und am Hals verletzt.

Weil die Franzosen keine Anzeige erstatteten, war am Sonntag zunächst nur ein zweiter Vorfall bekannt geworden, der sich wenige Minuten später ereignete: Als die Maskierten den Stollen verließen, trafen sie auf eine Delegation ehemaliger Häftlinge aus Italien. Wieder schrien sie ihre Parolen. Die Italiener wehrten sich, rissen einem der Täter die Sturmhaube vom Kopf. Ein Besucher der Befreiungsfeier erkannte den jungen Mann. Und informierte die Polizei.

Außer den beiden Rechtsparteien BZÖ und FPÖ haben alle politischen Kräfte die Taten scharf verurteilt. Eine Strategie gegen rechte Umtriebe fehlt jedoch. Die konservative Innenministerin Maria Fekter will nun die Gründe für den Rechtsextremismus in Österreich besser erforschen, Politiker der Sozialdemokraten und der Grünen kritisieren die Polizei: Sie hätte bei der Veranstaltung viel stärkere Präsenz zeigen müssen.

Was es bedeuten würde, wenn ehemalige Häftlinge eine österreichische KZ-Gedenkstätte nur unter Polizeischutz betreten könnten, sagten sie nicht.

Mehr rechte Straftaten in Österreich

Willi Mernyi, der beide Fälle publik gemacht hat, wirft den Behörden vor, sie hätten "den Ball flach halten und alles runterspielen" wollen. Erst als er ein verwackeltes Foto aus der Handykamera eines der Zeitzeugen auf seine Website stellte, habe die Polizei eingeräumt, dass Waffen im Spiel waren. "Das haben wir vorher schlicht nicht gewusst", sagt Sicherheitsdirektor Kißl. "Für uns ist das ganz bestimmt kein Kavaliersdelikt, wir nehmen es sehr ernst."

Am Dienstag hat die Polizei drei von fünf tatverdächtigen Jugendlichen in Untersuchungshaft genommen. Laut Sicherheitsdirektor Alois Lißl haben alle fünf Jugendlichen weitgehend gestanden. Ihnen drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.

Gerade in Oberösterreich haben sich rechtsextreme Delikte in den vergangenen Wochen gehäuft: Im Februar beschmierten Unbekannte eine Wand im ehemaligen KZ Mauthausen in Oberösterreich mit rassistischen Sprüchen, am 20. April - Hitlers Geburtstag - verteilten Neonazis Flugblätter in Hitlers Heimatstadt Braunau am Inn.

Zweimal hat die Polizei im April und Mai geplante Aufmärsche rechtsextremer Gruppierungen untersagt - Teil der von Kißl gelobten "Null-Toleranz-Strategie" gegen Rechtsextremismus. Die Szene werde beständig beobachtet, Kißl räumt aber ein, "dass wir vielleicht nicht nur die Spitze des Eisberges kennen".

© SZ vom 13.05.2009/dpa/ojo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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