Razzia in Dresden:"Das ist Scheiße gelaufen"

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Haben SEK-Elitepolizisten aus Versehen die Wohnung eines Kollegen gestürmt und zu schnell geschossen? Vier Tage danach sucht man nach Erklärungen für eine Polizei-Aktion, deren Ablauf wohl keinem Drehbuchautor abgenommen würde, weil die Geschichte zu absurd wirkt.

Von Jens Schneider

Dresden - Es sei, sagt der Leiter der Dresdner Kriminalpolizei, Bernd Ledermüller, auch im Nachhinein, eine "gründlich vorbereitete Durchsuchung" gewesen. Am frühen Freitagmorgen drang ein Sondereinsatzkommando (SEK) in ein Einfamilienhaus im Dresdner Villenviertel Loschwitz ein.

Wenig später sind Hunde tot, erschossen von der Polizei. Vier Bewohner des Hauses in der Schillerstraße finden sich auf dem Boden. Einem 44-Jährigen haben Beamte Handfesseln angelegt. Er muss eine Weile liegen - bis ihn einer seiner Kollegen erkennt.

Dem Vernehmen nach fallen da die Worte: "Das ist Scheiße gelaufen, nehmt ihm die Fesseln ab." Der Gefesselte ist Polizist, seine Lebensgefährtin arbeitet im Sächsischen Innenministerium.

Hat Sachsens Polizei aus Versehen die Wohnung eines Kollegen gestürmt und zu schnell geschossen? Vier Tage danach sucht man in Dresden nach Erklärungen für eine Polizei-Aktion, deren Ablauf wohl keinem Drehbuchautor abgenommen würde, weil die Geschichte zu absurd wirkt. Von einem Einsatz in "Rambo-Manier" gegenüber einer "unbescholtenen Familie" spricht Sachsens FDP.

Innenminister Thomas de Maizière räumt ein, man könne nicht von "einem gelungenen Einsatz sprechen". Ein Polizeiskandal aber liege nicht vor, derzeit habe er keinen Anlass an der Verhältnismäßigkeit zu zweifeln.

Der Minister und Dresdens Kripo-Chef versuchen, den Verlauf der Razzia zu erklären, die eigentlich einem "polizeibekannten Angehörigen der Dresdner kriminellen Szene" aus dem Rotlicht-Milieu galt. Gegen ihn werde wegen Verdachts auf Handel mit Kokain im großen Stil und des Besitzes nicht registrierter Schusswaffen ermittelt.

Es habe zudem eine anonyme Anzeige vorgelegen, wonach Detlef K. bisher nicht belangt wurde, weil er engere Kontakte zur Polizei habe. Gemeint war damit offenbar der Beamte, der sich am Boden seiner Wohnung wiederfand. Denn der wohne mit seiner Lebensgefährtin - die in der Poststelle des Innenministeriums arbeitet - mit der Rotlichtgröße, ihrem Bruder, unter einem Dach. Also sei der Beamte nicht zuvor von der Durchsuchung informiert worden, die der Geheimhaltung wegen das SEK Leipzig führte.

Und weil der Polizist Widerstand leistete, seien ihm Fesseln angelegt worden, erklärt der Kripo-Chef. Er hätte sich eben den Maßnahmen des SEK beugen müssen. Die Hunde seien erschossen worden, um ihren "plötzlichen Angriff" abzuwehren.

Er habe nicht die Absicht, sich bei den Betreffenden zu entschuldigen, sagt der Innenminister. Wenn ein Polizist und eine Mitarbeiterin des Innenministeriums in dieser Weise mit jemandem zusammenlebten, müssten sie sich nicht über Besuch von der Polizei wundern. Ein SEK-Einsatz sei von der Natur der Sache her anders als der Besuch des Hausarztes. Nach der Durchsuchung freilich wurden beide gebeten, wegens des Schadenersatzes aufzulisten, was kaputt ging.

© SZ vom 21.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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