Pseudo-Brauchtum:Zur Hölle mit Halloween!

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Konsumterror und Kinderwahnsinn: Den nervtötendsten aller modernen Bräuche kann nicht einmal der Leibhaftige gewollt haben.

Willi Winkler

Trisha weiß es ganz genau und sie sagt uns, wie es aussieht. Nämlich dass Halloween ein "böses" Fest ist, durch das "böse Geister in unser Leben kommen". Trisha warnt auf der Website www.answers2prayer.org vor dem Bösen, das doch immer und überall ist und besonders schlimm dräut, wenn die Abende so kurz werden, und die nassen Nebel sich ums Haus winden.

Richtig so: Weg mit dem Kürbis und dem ganzen Halloween-Wahn! (Foto: Foto: ddp)

Anderen ist Halloween bloß Kinderkram, ein etwas angestrengter Mummenschanz und nach rückwärts, noch vor den Kölner Karnevalsbeginn, verlängerter Fasching, doch die christlich-fundamentalistische Internet-Seite weiß es besser.

"Der Teufel sucht sich seine Jünger", verkündet dort Reverend Devo Adeyemo. Wer sich untersteht, als guter Christ das heidnische Halloween zu begehen, zetert der fromme Mann, zweifellos ex cathedra, dem soll es aber so was von dreckig ergehen auf Erden, dafür kann der Reverend garantieren.

Zutiefst unchristliches Fest

Denn sogar einige seiner Freunde sind dem Pferdehufigen und Geschwänzten zum Opfer gefallen und mussten deshalb unter geheimnisvollen Umständen sterben. Ganz ehrlich. Und alles nur, weil sie den satanischen Gebräuchen dieses zutiefst unchristlichen Festes zu folgen wagten.

Bei aller Liebe zu Exkommunikationen und sonstigen Bannflüchen im Namen des Allerhöchsten (amerikanische Filiale): Halloween ist kein Werk des Teufels, sondern kommt aus Irland, wo man schon zwei Jahrtausende vor Christi Geburt so katholisch war, wie heute nicht einmal mehr in Passau.

Als die Iren im 19. Jahrhundert, vom Hunger gezwungen, massenhaft nach Amerika emigrieren mussten, nahmen sie diesen gut keltischen Brauch als Wandersage gleich mit in die neue Heimat.

Nun kann es schon sein, dass einem im nassen irischen Herbst beim Kartoffelschnaps der Kürbis-Gott erscheint und die Abhaltung eines Rübengeist-Festes verlangt. Diese lokale Begründung gilt in den USA nicht viel, aber andererseits lässt sich damit inzwischen ähnlich viel Geld verdienen wie mit dem märchenhaften Krimskrams zu Weihnachten.

Dieses weniger satanische als teuflisch konsumistische Ghoul-Fest wurde in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren unbegreiflicherweise ins alte Europa re-importiert. Und das haben wir jetzt davon: Halbwüchsige, die sich einen Dreck um den Teufel und seine Macht über zarte Kinderseelen scheren, dafür aber ihre Eltern dadurch beschämen, dass sie dunkelschwarz gewandet durch die Straßen ziehen und betteln.

Wozu wurde eigentlich gerade die Unterschicht erfunden, wenn es jetzt nicht einmal mehr in den besseren Vierteln zum Kauf von Süßigkeiten reicht? Früher gab es Sternsinger, die waren nach Art der drei Weisen aus dem Morgenland gekleidet, für die Benetton-Generation war sogar ein richtiger schwarzer Mohr dabei, bei dem die Mutter mit einem tiefen Griff in die Erdal-Rex-Dose nachgeholfen hatte.

Halloween hat Freinacht getötet

Halloween hat nicht bloß das katholische Allerheiligen am darauffolgenden Tag abgelöst, sondern gleich auch noch die gute alte Freinacht dazwischen, in der es auch Erwachsenen erlaubt war, sich "etwas außerhalb der Legalität" (wie es der Innenminister Hermann Höcherl einst ausdrückte) zu bewegen. Da wurden Fahrräder verlagert und Bänke verzogen, und einmal konnte der Besitzer seinen Anhänger oben auf dem Dach bestaunen, wohin ihn die nächtlichen Geister mit viel Liebe praktiziert hatten.

Statt dieser in die ethnologische Nostalgie verdrängten Bräuche bietet sich heute dem Großstädter ein grausiges Spektakel: Kinder, die eben noch frisch gewaschen und auch sonst fröhlich dreinschauten, ziehen sich, kaum dass die Dämmerung einsetzt, hässliche Vollplastik-Masken über. Dass sie darunter nach Luft ringen müssen, scheint sie nicht zu stören, es sorgt im Gegenteil für den erwünschten Gruseleffekt.

Halloween-Gespenster als Proto-Drogies

Jeder Erwachsene würde an seinem Arbeitsplatz mit der Berufsgenossenschaft, vielleicht sogar mit einem Anruf bei amnesty international drohen, wenn er einem solchen Giftstoffanschlag ausgesetzt würde, aber die Halloween-Gespenster ziehen röchelnd um die Häuser, beschmieren Briefkästen mit Rasierschaum, erschrecken harmlose Hunde-Ausführer und lassen keine Klingel unversucht. Als Proto-Drogies sind sie von Süßigkeiten abhängig, die sie an jeder Haustür verlangen und dann in einen immer schwerer und klebriger werdenden Sack stopfen.

Liebe Trisha, hochverehrter Herr Reverend, ihr dürft ja vom Teufel so schlecht denken, wie ihr wollt, aber diesen Quatsch kann nicht einmal der Leibhaftige gewollt haben.

© SZ vom 31.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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