Prozess um Mord in JVA Siegburg:"Komm, lass uns den weghängen"

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Der Prozess um den Foltermord im Jugendgefängnis beginnt mit einem erschütternden Geständnis: Einer der drei Angeklagten schildert die Behandlung des zu Tode gefolterten Mitgefangenen so lapidar, als handle es sich um eine Bastelarbeit.

Hans Holzhaider, Siegburg

Danny K. ist der jüngste der drei Angeklagten. Im September wird er 18 Jahre alt. Pascal I. ist 19, und Ralf A. ist vor vier Monaten 21 Jahre alt geworden.

Pascal I., einer der drei Angeklagten: Die Gewalt gegen den Mitgefangenen eskalierte - und keiner wollte als Feigling dastehen. (Foto: Foto: dpa)

Pascal ist sehr blass, sein schmales Gesicht wirkt noch länger, weil er sich die Schläfen und den Hinterkopf kahl rasiert und die verbleibenden Haare in die Höhe frisiert hat. Ralf ist ein kleiner, magerer Kerl mit halblangen, hübsch geföhnten Haaren, an jeder Kinokasse würde man ihn nach dem Alter fragen. Danny ist etwas stabiler, ein dunkler Typ, seine Mutter, sagt er, sei "fast schwarz".

Nichts ist außergewöhnlich an ihnen. Nichts außer der Tat, die sie gemeinsam auf die Anklagebank gebracht hat.

Am 11. November 2006, einem Samstag, haben sie zwischen Mittag- und Abendessen in der Justizvollzugsanstalt Siegburg den vierten Mann in ihrer Zelle, den 20-jährigen Hermann H., stundenlang auf denkbar grausame und erniedrigende Art gequält und ihn schließlich mit einem zum Strick gedrehten Bettlaken an der Toilettentür erhängt.

Am Mittwoch begann der Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts Bonn mit einem ausführlichen Geständnis. Danny K., als erster zur Sache befragt, beschönigte nichts und versuchte keinen Augenblick lang, seine eigene Rolle bei der Tragödie kleinzureden.

"Das war für uns nur so ein Spaß"

Die Geschichte beginnt harmlos, mit einem Kartenspiel, bei dem es darum geht, dass derjenige, der eine falsche Karte rät, einen Schlag auf die Finger bekommt. Dann, sagt Danny, kam der Pascal "auf so ne Idee mit der Seife". Man wickelt eine Seife in ein Geschirrtuch und schlägt damit zu. Das hat Pascal in dem Film "Full Metal Jacket" gesehen.

Sie haben alle drei abwechselnd auf Hermann eingeschlagen. Warum? Keine Ahnung. "Das war für uns nur so ein Spaß", sagt Danny. Dann hatte Danny eine andere Idee: den Herrmann zum Erbrechen zu bringen. Man mixt ein Gebräu aus Wasser, Salz und Chili, das muss er trinken. Dann noch eine Tube Zahnpasta hinterher. Was dann folgt, ist bei Weitem zu unappetitlich, um es zu erzählen.

Aber die Gewalt eskaliert zusehends. Sie prügeln auf ihn ein, mit Fäusten und Füßen. Sie vergewaltigen ihn mit dem Stiel eines Handfegers. Sie prügeln weiter. Irgendwann gelingt es dem Gefolterten, die Lichtalarmanlage zu betätigen. Sie fesseln ihn ans Bett, knebeln ihn mit einem Geschirrtuch, und als sich ein Beamter über die Gegensprechanlage meldet, sagt Danny, er habe sich "verdrückt". Später schauen sie dann Sportschau im Fernsehen. "Ich hatte schon vorher mal gesagt, komm, lass uns den weghängen", sagt Danny, "aber nur so aus Spaß".

Nach der Sportschau schreiben sie dann eine Liste mit Argumenten für und gegen das "Weghängen". Das Pro überwiegt. "Der Pascal und der Ralf wollten auf 'psychisch kaputt' machen", sagt Danny, "damit sie früher rauskommen". Hermann musste einen Abschiedsbrief schreiben. "Wir haben ihm gesagt, er soll ordentlich schreiben", sagt Danny. Den Brief haben sie aber danach verbrannt.

Dann schildert Danny K., wie er und seine beiden Kumpane versuchten, Hermann H. aufzuhängen. Er schildert das so lapidar und nüchtern, als ging es um irgendeine Bastelarbeit.

Wie sie es viermal hintereinander mit einem Elektrokabel versuchten, erst mit dem vom Fernseher, dann vom Tauchsieder, wie Pascal I. jedes Mal den Knoten knüpfte, weil keiner der anderen das konnte, wie Hermann sich zuerst auf einen Stapel Bücher und dann auf einen umgekippten Putzeimer stellen und sich die Schlinge immer selbst über den Kopf ziehen musste und wie das Kabel immer wieder riss - "das hat immer nicht geklappt", sagt Danny.

Schließlich schnitten sie dann ein Bettlaken in Streifen, und damit klappte es endlich. Dann machten sie noch einen Plan für den nächsten Morgen: Ralf A. sollte die Tür aufmachen, hinter der der tote Herrmann hing, dann sollte er anfangen zu schreien, und dann den Alarmknopf drücken. So machten sie es auch, aber schon bei der zweiten Vernehmung hielt Danny das Theater nicht mehr durch und erzählte alles.

"Eigentlich", sagt Danny dann auf die Frage des psychiatrischen Sachverständigen, "wollte es in Wirklichkeit keiner von uns. Immer wieder mal hat einer gesagt, wir sollen aufhören. Aber dann haben die anderen gesagt, das geht nicht. Keiner wollte als Feigling dastehen."

© SZ vom 2.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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