Prozess um Englands Starköchin:Demontage einer Göttin

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In England ist sie ein Star. TV-Köchin Nigella Lawson soll regelmäßig Drogen nehmen. (Foto: AFP)

Starköchin Nigella Lawson hat sich in England als "Göttin der Häuslichkeit" stilisiert. Dieses Image bröckelt: In einem Prozess gegen ihre Assistentinnen kommen ungeheuerliche Anschuldigungen zur Sprache: Es geht um kriminelle Energie, Schweigegeld und regelmäßigen Drogenkonsum.

Von Christian Zaschke, London

Charles Saatchi hat so viel Geld, dass es ihm möglicherweise wirklich nicht aufgefallen ist, dass er vielleicht jahrelang beklaut worden ist. Seine ehemalige Frau Nigella Lawson wiederum sei laut Saatchi meistens so vollgedröhnt mit Drogen gewesen, dass sie sogar absichtlich weggesehen habe, während das Ehepaar jeden Monat um Zehntausende Pfund erleichtert wurde.

Insgesamt knapp 700.000 Pfund sollen zwei persönliche Assistentinnen von Saatchi und Lawson zwischen 2008 und 2012 abgezweigt haben. Angeblich haben sie auf Saatchi registrierte Kreditkarten dazu benutzt, sich Monat für Monat Luxusgüter im Wert von Zehntausenden Pfund zu gönnen. Der Fall ist nun vor Gericht gelandet.

Die Anschuldigungen gegen die äußerst populäre Fernsehköchin Nigella Lawson gelten in Großbritannien als ungeheuerlich, weil sie sich sehr erfolgreich als eine Art "Göttin der Häuslichkeit" stilisiert hat, als "domestic goddess". Ihre Ehe mit dem millionenschweren Kunstmäzen Saatchi ist im Juli nach zehn Jahren geschieden worden.

Vorangegangen war ein Restaurantbesuch, in dessen Verlauf der 70 Jahre alte Saatchi seiner 17 Jahre jüngeren Frau an die Gurgel ging. Saatchi sprach später von einer "spielerischen Auseinandersetzung", doch Nigella Lawsons Gesicht erzählte auf den Fotos des Übergriffs eine andere Geschichte.

Prada-Taschen und edle Geschenke

Es ist den beiden danach gelungen, schnell aus den Schlagzeilen zu verschwinden. Die Scheidung kam rasch, die Anwälte führten eine gütliche Einigung herbei. Saatchi bevorzugt es ohnehin, zurückgezogen zu leben. Lawson veröffentlichte Rezepte und sprach übers Kochen.

Doch seit Mittwoch läuft der Prozess gegen die beiden Assistentinnen, Elizabetta und Francesca Grillo. Den beiden werden Veruntreuung und Betrug vorgeworfen. Sie sollen sich auf Kosten des vormaligen Ehepaars unter anderem Prada-Taschen gegönnt haben, Flüge nach New York, edle Geschenke für die Liebsten.

Der Anwalt der Angeklagten sagt nun, es habe eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Lawson und den Assistentinnen gegeben: Demnach hätten die beiden Frauen nach Gutdünken Geld ausgeben dürfen, solange sie nicht verraten, dass Lawson Drogen nehme.

Den Grillo-Schwestern zufolge soll Lawson täglich Kokain geschnupft haben, außerdem soll sie verschiedenste Tabletten genommen und Joints geraucht haben. Zuletzt habe sie öfter mit ihrer 19 Jahre alten Tochter Cannabis geraucht. Die Anwälte der Grillos beschreiben Lawson als "gewohnheitsmäßige Kriminelle". Lawsons Anwälte nannten die Vorwürfe "verleumderisch".

100.000 Pfund im Monat Haushaltsgeld

Am Donnerstag gab ein Buchhalter von Charles Saatchi als Zeuge einen Einblick in die finanziellen Abläufe. Demnach waren sechs Kreditkarten auf ein Konto Saatchis registriert, von dem die häuslichen Ausgaben gedeckt wurden. Die Grillo-Schwestern hätten monatlich rund 60.000 Pfund ausgegeben, Teile davon tatsächlich für den Haushalt. Insgesamt seien von dem Konto für Haushaltsführung monatlich 100.000 Pfund abgegangen. Die Beträge seien per Dauerauftrag bezahlt worden.

Saatchi kann sich das leisten, weil er früher in der Werbung gearbeitet hat, er ist Mitgründer von Saatchi & Saatchi, in den Achtzigerjahren die größte Werbeagentur der Welt. Heute ist er Kunstsammler und Besitzer der Saatchi Gallery. Sein Vermögen wird auf 120 Millionen Pfund geschätzt.

Als er von der angeblichen Drogensucht seiner ehemaligen Frau hörte, hat er ihr eine E-Mail geschrieben, die im Gericht vorgelesen wurde: "Jetzt kommen die Grillos natürlich ungeschoren davon, weil du so high auf Drogen warst, dass du ihnen alles erlaubt hast." Aus den Wörtern "high" und Nigella baute Saatchi ein Wortspiel. Er nannte seine ehemalige Frau "Higella".

Bis kurz vor Weihnachten soll der Prozess am Isleworth Crown Court laufen. Saatchi soll an diesem Freitag aussagen, Lawson wird kommende Woche erwartet. Das Medieninteresse in Großbritannien ist riesig, was in erster Linie an Lawson liegt. Sie ist in den vergangenen zehn Jahren zu einer Art Koch-Superstar geworden. Auf der Insel ist sie so populär, dass sie nur bei ihrem Vornamen genannt wird. Ihre bisher letzte Koch-Sendung hieß "Nigellissima".

Bisher hat sich Nigella Lawson nicht öffentlich zu den Vorwürfen der Grillos und ihres Ex-Manns geäußert. Im Internet veröffentlichte sie jedoch, ganz gelassen und ganz Göttin der Häuslichkeit, ein Rezept für einen "Holiday Hotcake": einen Pfannkuchen für die anstehenden Feiertage.

© SZ vom 29.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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