Prozess um Alkohol-Koma-Opfer beginnt:45 Tequila gegen Wasser

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Lukas W. trank 45 Gläser Tequila, der Wirt nur Wasser. Zehn Monate nach dem Alkohol-Tod eines Gymnasiasten stehen vier Jugendliche in Berlin vor Gericht.

Vier Jugendliche im Alter von 17 bis 21 Jahren müssen sich seit Donnerstag wegen Beihilfe zur Körperverletzung vor einer Jugendkammer des Berliner Landgerichts verantworten.

Sie sollen dem 16-jährigen Lukas W. Im Februar vergangenen Jahres beim tödlichen Wetttrinken mit einem Kneipenwirt den hochprozentigen Alkohol serviert haben. Der Gymnasiast war daraufhin mit 4,8 Promille im Blut ins Koma gefallen und fünf Wochen später im Krankenhaus gestorben.

Der 26 Jahre alte Wirt, der im Verdacht steht, mit dem 16-Jährigen um die Wette getrunken zu haben, sitzt seit Juli 2007 in Untersuchungshaft. Ihm soll gesondert der Prozess gemacht werden.

Zunächst steht ein 18-jähriger Freund des Wirts vor Gericht, der während des Wetttrinkens eine Strichliste geführt haben soll. Die Anklage lautet auf Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge.

Drei Mitangeklagte, darunter ein 17-jähriges Mädchen, sollen die Gläser gefüllt und serviert haben. Ihnen wird Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen. Das Verfahren fand zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Laut Anklage soll der Wirt die Bedienung angewiesen haben, ihm nur Wasser einzuschenken, um sich einen Vorteil zu verschaffen. "Der Gastwirt hat nicht mit offenen Karten gespielt", sagte Staatsanwalt Reinhard Albers am Rande der Verhandlung.

Der Jugendliche sei getäuscht worden. "Er sah, dass bei dem Wirt überhaupt keine Wirkung eintrat, während er selbst immer betrunkener wurde." Trotzdem hat niemand das gefährliche Trinkspiel beendet: "Es ist weiter getrunken worden, obwohl Lukas W. Schon angeschlagen war und eigentlich nicht mehr konnte", sagte Albers.

Rechtsanwalt Eckart Fleischmann, der einen der Angeklagten verteidigt, ist der Auffassung, dass für die Folgen jeder selbst verantwortlich ist. "Jeder kann sich aus dem Fenster stürzen und jeder kann sich zu Tode saufen", erklärte er vor Verhandlungsbeginn.

Der Staatsanwalt sieht das anders: Der Wirt habe überhaupt keinen Schnaps an den 16-Jährigen ausschenken dürfen. "Er hätte sich niemals darauf einlassen dürfen." Nachdem der Schüler ohnmächtig zusammengebrochen war, soll der Inhaber das Lokal verlassen haben.

Personal und Gäste kümmerten sich um den Bewusstlosen und alarmierten die Feuerwehr. Nach seinem Tod hatte der Wirt zunächst behauptet, dass der Junge nur Bier getrunken habe. Seine Kneipe wurde im April geschlossen.

Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte über Alkoholmissbrauch und ein Verbot der sogenannten Flatrate-Partys ausgelöst, bei denen für einen Festpreis unbegrenzt viel Alkohol getrunken werden kann.

Die Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) betonte am Donnerstag, dass ein Verbot dieser Partys und verstärkte Kontrollen in Berlin zu einer Verbesserung der Situation beigetragen hätten. Wichtig seien jedoch auch Präventionsprojekte und die Vorbildfunktion der Eltern, sagte die Politikerin auf radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Alkoholmissbrauch sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. "Die betroffenen Jugendlichen kommen aus allen sozialen Schichten und aus allen Bezirken", sagte Lompscher.

So sei es auch im Fall von Lukas W. Gewesen, bestätigte Staatsanwalt Albers: "Die Gäste, die in dieser Bar verkehrten, kamen aus guten Berliner Bezirken. Es waren viele Gymnasiasten darunter, ganz normale Schüler aus geordneten Verhältnissen." Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

© AP, Fides Middendorf /jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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