Prozess:Mysterium um angebliche Mordwaffe im Fall O. J. Simpson

Lesezeit: 3 min

Der frühere Footballprofi und Schauspieler O. J. Simpson während des Prozesses 1995, in dem er wegen Mordes angeklagt war. Er wurde freigesprochen. (Foto: Sam Mircovich/Reuters)

Der Ex-Footballprofi wurde vor mehr als zwei Jahrzehnten von dem Vorwurf freigesprochen, seine Exfrau und deren Freund ermordet zu haben. Nun ist ein Messer aufgetaucht - zu einem merkwürdigen Zeitpunkt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Im amerikanischen Fernsehen läuft derzeit eine Serie mit dem Titel "American Crime Story: The People v. O. J. Simpson". Sie ist auch deshalb so grandios, weil sie nicht zu beantworten versucht, ob der einstige Footballprofi und Schauspieler O. J. Simpson am 12. Juni 1994 tatsächlich seine Ex-Frau Nicole Brown und deren Liebhaber Ronald Goldman umgebracht hat. Es geht vielmehr darum, weshalb die Geschworenen am Ende der neun Monate dauernden Gerichtsverhandlung gar keine andere Wahl hatten, als Simpson freizusprechen. An diesem Dienstag wird die sechste von insgesamt zehn Folgen ausgestrahlt, und dabei wird einer der Hauptgründe für den Freispruch thematisiert: Die Mordwaffe ist nie gefunden worden.

Es ist ein geradezu grotesker Zufall, dass die Polizei von Los Angeles just am Freitag verkündete, bereits im vergangenen Monat ein Messer erhalten zu haben, das ein Bauarbeiter im Jahr 1998 beim Abriss von Simpsons Haus gefunden und bereits damals an einen Polizisten übergeben habe. "Zumindest interessant", nannte Andy Neiman von der Polizei in Los Angeles (LAPD) den Zeitpunkt der Übergabe so kurz vor dem Start der Serie: "Wir wissen nicht, warum der Polizist fast 20 Jahre lang gewartet hat." Seine Kollegen würden das Messer nun untersuchen, denn auch nach so vielen Jahren könnten noch DNA-Spuren darauf zu finden sein.

"American Crime Story" in den USA
:War O. J. Simpson schuldig?

Eine neues True-Crime-Format erzählt in den USA den berühmten Fall von O. J. Simpson als TV-Serie - mit Cuba Gooding jr. und John Travolta.

Von Jürgen Schmieder

Carl Douglas, einer von Simpsons Verteidigern damals, findet das Auftauchen des Messers dagegen überhaupt nicht interessant, sondern "lächerlich". Es sei ohnehin "faszinierend, dass sich die Welt noch immer für diesen Fall interessiert", sagt Douglas. Allerdings geht es hier ja immerhin um einen der spektakulärsten Kriminalfälle der US-Geschichte, es drehte sich damals um Rassismus und Sexismus, um juristische Scharmützel, um korrupte Polizisten, und der Fall wurde zu einem festen Bestandteil der Populärkultur: 24-Stunden-vor-Ort-News, Live-Verfolgungsjagd, Promi-Berichterstattung, Reality-TV, Gerichtsshows, all das begann mit diesem Prozess. Selbst der Hype um die omnipräsenten Kardashian-Geschwister hängt damit zusammen, schließlich war Vater Robert damals Simpsons Anwalt und Freund.

Muss der Fall komplett neu aufgerollt werden?

Die Frage ist nun: Was bedeutet der Fund dieses Messers? Muss der Fall komplett neu aufgerollt werden? Und: Kann O. J. Simpson jetzt auch strafrechtlich schuldig gesprochen werden, so wie es ein Zivilgericht im Jahr 1997 getan und ihn zur Zahlung von 33,5 Millionen Dollar verurteilt hat?

"Es dürfte ein geschichtliches Interesse an dem Messer geben, juristische Konsequenzen sind jedoch nicht zu erwarten", sagt Jody Armour, als Jura-Professor an der University auf Southern California auf Rassismus bei Gerichtsverhandlungen spezialisiert: "Aufgrund des fünften Zusatzes der amerikanischen Verfassung kann Simpson nicht noch einmal strafrechtlich belangt werden." Double Jeopardy wird das in den USA genannt, es entstammt dem lateinischen Grundsatz "Ne bis in idem" und besagt, dass ein mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbares Urteil abschließend ist. "Es können jedoch andere Menschen belangt werden: Wenn etwa ein Freund das Messer aufbewahrt hat, um jemand anderem zu helfen", sagt Armour, "wenn Beweise dafür auf dem Messer gefunden werden, könnte jemand als Komplize angezeigt werden."

Gut möglich, dass der Fund Simpsons Antrag auf Bewährung beeinflusst

O. J. Simpson wurde damals trotz zahlreicher Indizien (blutige Fußabdrücke von Simpson am Tatort, Blut von Nicole Brown in Simpsons Auto, ein blutiger Handschuh in Simpsons Haus) freigesprochen. Und auch wenn es eher keinen neuen Gerichtsfall geben wird - wenn sich das Klappmesser tatsächlich als Mordwaffe herausstellen und weitere Indizien für die Schuld Simpsons liefern sollte, so könnte die Sache doch unangenehme Konsequenzen für Simpson haben. Der heute 68-Jährige hatte Ende der Neunzigerjahre sämtliche Trophäen aus seiner Zeit als Sportler verkauft, um die Strafe an das Zivilgericht bezahlen zu können.

Im Jahr 2008 hat er dann versucht, einige dieser Pokale bei einem Raubüberfall in Las Vegas zu stehlen. Er wurde dafür zu 33 Jahren Haft verurteilt, seitdem sitzt er in einem Gefängnis im Bundesstaat Nevada. Im kommenden Jahr kann er Bewährung beantragen. "Der Ausschuss kann all jene Beweise prüfen, die eine Rolle bei der Beantwortung der Frage spielen können, ob der Insasse eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen könnte", heißt es in einer Mitteilung des Generalstaatsanwalts. Es ist also durchaus möglich, dass Simpson auch die restlichen 24 Jahre seiner Strafe im Gefängnis bleiben muss.

Das wäre die vorerst letzte Wendung in einem Fall, der derart ungewöhnlich daherkommt, dass er kaum zu glauben ist.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: