Prozess in Hamburg:Schillernde Prominenz

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Der Prozess gegen die Brüder Osmani wegen Anstiftung zur Untreue sorgt in Hamburg für Aufregung. Vor Gericht treten die beiden als seriöse Geschäftsleute auf - heute fällt das Urteil.

Jens Schneider, Hamburg

Endlich mal ein Moment voll schlichter Wahrheit. Ganz schnell ist diese Wahrheit gefunden, das ist in diesem schwierigen Verfahren selten vorgekommen. Dem Vorsitzenden Richter Marc Tully bereitet es sichtbar Freude, die Wahrheit dem Anwalt Gerhard Strate mit heiterer Beiläufigkeit zu bestätigen.

Bashkim (li.) und Burim Osmani sollen sich Millionenkredite erschlichen haben. Das Bild von vermeintlichen Kiezpaten wurde selten bedient, höchstens einmal, als sich die Brüder im März im Gerichtssaal innig umarmten. (Foto: Foto: dpa)

Lächelnd gibt er ihm ein Foto zurück, darauf ein gigantisches Plakat, das auf der Reeperbahn hängt. "Jesus liebt dich" steht darauf. Es gehört zum Kiez wie die Reklame der Stripshows und das Polizeischild an der Davidswache. Nun bestätigt Tully dem Anwalt, dass das Gericht gern bereit sei, als wahr anzunehmen, dass Jesus die Menschen liebt.

Strate hat das Foto kurz vor dem Ende dieses Verfahrens vor dem Hamburger Landgericht eingeführt. Im Dienste der Kurzweiligkeit, wie er sagte. Aber Strate hatte mehr im Sinn. Er wollte damit ein weiteres Kapitel seiner Geschichte dieses Verfahrens erzählen, in dessen Mittelpunkt zwei Brüder stehen, aus einer Familie von sehr spezieller Hamburger Prominenz. Strates Geschichte, zu der er im sieben Monate langen Prozess oft zurückkehrte, handelt vom seriösen und erfolgreichen Kaufmann albanischer Herkunft Burim Osmani, der mit dem Erwerb von Immobilien in den Verteilungskampf im Kiezviertel St. Pauli geraten sei. Dem würden in Hamburg seit Jahren Schwierigkeiten gemacht.

"Seine Erfolge schufen ihm viele Feinde", sagte Strate am Ende seines Plädoyers über Burim Osmani. Er schwärmte darin vom Fleiß und Geschäftssinn des 44 Jahre alten Albaners, der vor gut zwanzig Jahren nach Deutschland kam. Er nannte ihn "das Gegenteil eines Spekulanten". Stets habe Osmani, "der alle seine Rechnungen pünktlich zahlte", geschaut, was man aus Grundstücken machen konnte, häufig mit Hilfe namhafter Architekten. Doch wo immer Osmani beteiligt gewesen sei, hätten Behörden gegengesteuert. Selbst als er auf der Reeperbahn ein Werbeplakat aufhängen lassen wollte, habe ein Amt blockiert, weil es sich um einen Osmani handelte. Zum Beleg holte er ein Foto vom Bekenntnis zur Liebe Jesu hervor, das - anders als Osmanis Werbeplakat - dort hängen dürfte.

Millionenkredite in der Plastiktüte

Mit solchen Episoden setzte er seinen Kontrapunkt zum öffentlichen Hintergrund dieses Verfahrens, für das sich bestenfalls juristische Feinschmecker interessiert hätten, wären nicht zwei Osmanis angeklagt. Neben Burim soll nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft auch sein drei Jahre jüngerer Bruder Bashkim Osmani sich bei der Volksbank Lauenburg über Strohmänner Millionenkredite erschlichen haben.

Die für die Provinzbank ungewöhnlichen Kredite für gewaltige Bauprojekte in Mazedonien, Kroatien oder auf der Reeperbahn sollen die Bank fast ruiniert haben. Für diesen Donnerstag wird das Urteil erwartet. Auf 27 Millionen Euro beziffert die Staatsanwaltschaft den Schaden. Während die Verteidigung Freisprüche forderte, hat sie für Burim Osmani sechs, für Bashkim viereinhalb Jahre Haft beantragt.

In der Gerichtskantine und Hamburger Blättern begleitete den Prozess ein fortwährendes Raunen um das Imperium, das der angebliche Osmani-Clan mit seinen sehr eigenen Methoden rund um St. Pauli aufgebaut haben soll. Das Bild von vermeintlichen Kiezpaten, dem die Angeklagten widersprechen, wurde für den Boulevard selten genährt. Vielleicht einmal, als sie sich zur Begrüßung vor Gericht innig umarmten; oder als geschildert wurde, wie ein Millionenkredit bar in der Plastiktüte abgeholt wurde.

So was sollte zur Legende passen, wonach der älteste Osmani einst mittellos nach Hamburg kam und mit Glücksspiel ein Vermögen machte. Und wonach die Brüder nachzogen und sich auf St. Pauli etablierten, bis ihr Einfluss sogar ins Hamburger Rathaus zu reichen schien. Gelegentlich hörte man am Rande des Verfahrens, dass auch Al Capone nur wegen Steuerhinterziehung belangt werden konnte.

Spektakulär ging es nicht zu im kargen Gerichtssaal in der Hochhaussiedlung City Nord am Stadtpark. Eher, dem tristen Saal entsprechend, wie in einer Fortbildungsanstalt für Kreditprüfer, die ihrem Nachwuchs besonders heikle Fälle vorführt. Akribisch klopfte man die Entstehungsgeschichten dubioser Kredite ab. Beobachter mochten noch so angestrengt hinhören, zwischen den Zeilen flackerte kein Rotlicht auf.

Es war eben, so Doris Dierbach, eine Anwältin Bashkim Osmanis, "ein reines Wirtschaftsverfahren". Die Angeklagten verfolgten jedes Detail an Laptops. Sie stellten sich als Kaufleute dar, die keineswegs mittellos aus dem Kosovo nach Hamburg gekommen, sondern schon daheim geschäftstüchtig und wohlhabend gewesen seien. Von einem Clan sollte keine Rede sein. Geschäftlich gebe es zwischen ihnen keine Verbindung. Bashkim Osmani engagierte sich vor allem als Gastronom. So betrieb er an den Landungsbrücken das "Pupasch", ein Amüsierlokal, das vor allem abenteuerlustige Vorstädter anzog. Burim Osmani erwarb Immobilien, nicht nur auf dem Kiez.

Richter und Staatsanwälte konzentrierten sich auf die Aktenlage: fehlende Sicherheiten und Prüfungen, mögliche Gegengeschäfte. Das eigentliche Rätsel lag nicht auf Hamburgs Kiez, sondern fünfzig Kilometer die Elbe hinauf. In Lauenburg lässt die biedere Backsteinfassade der Volksbank nicht auf das kühne Geschäftsgebaren schließen, mit dem der Vorstand sie fast ruinierte. Nicht mal einen Geldautomaten hatte die Bank. Die Angestellten bekamen ihr Gehalt in der Lohntüte überreicht, wie in den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts.

115 Kartons Beweismittel

Der Bankchef soll sich nicht nur ein außergewöhnliches Gehalt genehmigt haben. Er wollte offenbar auch große Geschäfte machen. Da soll ihm die Bekanntschaft mit den Osmanis recht gekommen sein. Wie man zueinander kam, offenbar teils persönliche Bindungen aufbaute, spielte im Verfahren kaum eine Rolle. Nach 39 Prozesstagen und 115 Kartons voller Beweismittel sieht die Staatsanwaltschaft als erwiesen an, dass die Angeklagten sich mit krimineller Energie der Anstiftung zur Untreue schuldig machten. In mehreren Fällen sind sie demnach nur über windige Konstruktionen an Darlehen gekommen. Der Bankchef soll mit lukrativen Gegengeschäften belohnt worden sein, mit Geld oder auch mit einer Luxuslimousine. Er ist wegen der leichtfertigen Kreditvergabe bereits in Lübeck zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Die Verteidigung sieht keinen Anhaltspunkt für so ein kriminelles Zusammenspiel. Der Bankvorstand habe sein Geschäftsgebaren lange gepflegt, bevor es zu den Geschäften mit den Osmanis kam, so Thomas Bliwier, der zweite Anwalt Bashkim Osmanis. Man könne seinem Mandanten diese Praxis der Kreditvergabe nicht vorwerfen. Gerhard Strate führte als einer der drei Anwälte von Burim Osmani im Plädoyer eine Liste namhafter Banken an, bei denen sein Mandant Kredite bekommen und stets zurückgezahlt habe. Osmani habe die höchste Bonitätsstufe genossen, er sei nicht auf die Lauenburger Bank angewiesen gewesen.

Burim Osmani sitzt nach einem Urteil aus einem Betrugsprozess in Würzburg derzeit in Untersuchungshaft. Er sprach sein Schlussstatement voller Pathos. Er wünsche, "endlich nicht mehr kriminalisiert zu werden". Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer, dass die Haftbefehle in jedem Fall bestehen bleiben, wegen Fluchtgefahr.

© SZ vom 16.10.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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