Prozess in Dresden:Höchststrafe für Mörder von Marwa El-Sherbini

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Leid tat er nur sich selbst: Der Mörder der schwangeren Ägypterin Marwa El-Sherbini muss lebenslang hinter Gitter. Eine vorzeitige Entlassung ist ausgeschlossen.

Für immer hinter Gittern: Der Russlanddeutsche Alex Wiens ist wegen Mordes an der Ägypterin Marwa El-Sherbini zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Dresden stellte zugleich die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen.

Alex Wiens tauchte auch zur Urteilsverkündung komplett vermummt auf, wie an den anderen Prozesstagen auch. (Foto: Foto: dpa)

Der 28-jährige Alex Wiens nahm das Urteil mit gesenktem Kopf regungslos zur Kenntnis. Eine Entschuldigung sprach er nicht aus. Er war wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, aus Fremdenhass die schwangere Marwa El-Sherbini am 1. Juli 2009 im Dresdner Landgericht erstochen und ihren Mann Elwy Ali Okaz schwer verletzt zu haben.

Die Bluttat spielte sich vor den Augen des dreijährigen Sohnes ab. Sie hatte in der arabischen Welt Bestürzung und Proteste ausgelöst.

Alex Wiens, der seit 2003 in Deutschland lebt, hatte in einer Erklärung seines Anwalts die Tat gestanden, das Motiv Fremdenhass aber bestritten. Das Verbrechen an Marwa El-Sherbini geschah während eines Berufungsprozesses wegen Beleidigung. Der arbeitslose Spätaussiedler hatte die 31-jährige Ägypterin im August 2008 wegen ihres Kopftuchs als "Islamistin" und "Terroristin" beschimpft.

Haftung für alle materiellen und immateriellen Schäden

Nach seiner Aussiedlung habe er das Leben in Deutschland als "Multikultischeiße" empfunden, sagte Richterin Birgit Wiegand nach der Urteilsverkündung. Er sei der Meinung gewesen, dass Ausländer ihm die Arbeit wegnehmen. In erster Linie habe er Muslime verachtet. "In seinen Augen waren sie alle Islamisten", sagte Wiegand. Dass er selbst anderer Herkunft sei, habe er verdrängt. Dass er ein perfekter Deutscher sein wollte, sei eine "utopische Vorstellung" gewesen, so die Richterin.

Die Tat hat Alex Wiens während des gesamten Prozesses nicht bereut. Eine Entschuldigung für die Angehörigen der Frau hatte er nicht, leid tat er nur sich selbst. Er habe sich vom Staat schikaniert gefühlt, hat er im Laufe während des Prozesses gesagt.

Mit dem Urteil entsprach das Gericht den Forderungen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Sie waren von einem kaltblütig geplanten Verbrechen ausgegangen, das der 28-Jährige aus bloßem Hass auf Nichteuropäer und Moslems begangen habe. Die Verteidigung war dagegen von einer Affekttat ausgegangen und hatte auf eine Verurteilung wegen Totschlags und versuchten Totschlags plädiert.

Der Verurteilte muss nun auch für alle Schäden in Folge des Messerangriffs aufkommen. Richterin Wiegand sagte, Wiens müsse den Eltern, dem Witwer, dem Bruder und dem dreijährigen Sohn der getöteten Ägypterin "alle materiellen und immateriellen Schäden ersetzen".

Laut Gericht hat er seine Kindheit, die er in Perm und in Kasachstan verbrachte, als "alles Scheiße" empfunden. Er sei glücklich gewesen, als seine Mutter den Aussiedlungsantrag gestellt habe. Die Hoffnung auf ein besseres Leben in Deutschland habe sich für den Spätaussiedler nicht erfüllt. Er sei immer nur als Russe betrachtet worden. Wegen seines ausländerfeindlichen Gedankenguts hätten sich auch gute Freunde zurückgezogen. Seinen eigenen Anteil am Scheitern habe Wiens ausgeblendet und Hilfe nicht zugelassen.

Positive Reaktionen auf das Urteil

Der ägyptische Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy, hat sich sehr zufrieden über das Urteil geäußert. Man habe die Höchststrafe gefordert und die Höchststrafe bekommen, sagte er nach der Urteilsverkündung.

Etwa 100 Muslime aus ganz Deutschland hatten vor der Verkündung des Urteils in Dresden gegen Diskriminierung protestiert. Es gehe nicht darum, Druck auf das Gericht auszuüben, sagte einer der Redner. Die Demonstration richte sich gegen antiislamische Hetze im Internet. Die Teilnehmer forderten von der Regierung, gegen alle Internetseiten und Vereine vorzugehen, die zum Hass gegen den Islam und seine Anhänger aufrufen. Die Ermordung von Marwa El-Sherbini sei angesichts solcher Hetze nicht überraschend gewesen, sagte Scheich Abu Anas aus Braunschweig.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/abis/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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